Innenminister Thomas Strobl (CDU) plädiert für eine „Bewusstseinsänderung“ im Umgang mit angeblich minderjährigen Flüchtlingen. Foto: dpa

Welche Konsequenzen folgen aus den nachweislich falschen Altersangaben von angeblich minderjährigen Flüchtlingen in Mannheim? Diese Frage spaltet die grün-schwarze Koalition.

Stuttgart - Dass in Mannheim alle 17 überprüften vermeintlich jugendlichen Straftäter aus Nordafrika doch schon erwachsen sind, hat die Debatte über eine bessere Altersfeststellung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern (Uma) neu entfacht. „Das bisherige System der Altersfeststellung funktioniert nicht zuverlässig“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) unserer Zeitung. Es brauche „eine Bewusstseinsänderung“, der Staat dürfe sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Der Weg der Altersfeststellung müsse auch über die Ausländerbehörden gehen, die eine Rechtsgrundlage für medizinische Untersuchungen hätten, sagte er. Bislang sind die Jugendämter dafür zuständig.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart ging einen Schritt weiter. Er forderte, die Altersbestimmung komplett den Ausländerbehörden zu übertragen. Der Vorschlag dürfte koalitionsintern für Ärger sorgen.

Lucha will sich vorerst nicht zu falschen Altersangaben äußern

Der Innenexperte der Grünen im Landtag, Uli Sckerl, sprach er sich nur für moderate Änderungen und einheitliche Standards aus. Es müsse verlässlich festgelegt werden, „wann gründliche Gespräche sowie Identitäts- und Altersüberprüfungen durch das Jugendamt reichen und wann zum Beispiel ärztliche Untersuchungen stattfinden müssen“. Er betonte aber, dass ärztliche Untersuchungen auch „keine hundertprozentige Genauigkeit“ bei der Altersfeststellung“ bieten.

Wie unsere Zeitung unter Berufung auf das Landeskriminalamt (LKA) berichtete, hatte die Mannheimer Polizei mithilfe von Fingerabdrücken und in Zusammenarbeit mit den Heimatländern festgestellt, dass alle der 17 bislang überprüften straffälligen Uma aus Nordafrika bei der Auskunft über ihr Alter gelogen hatten und – entgegen der jugendbehördlichen Einschätzungen – erwachsen sind. Das Ressort von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wollte sich zu möglichen Konsequenzen nicht äußern. Es will den Sachverhalt zunächst einmal prüfen.

Massive Kritik von FDP und AfD

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke überraschten die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchung nicht. „Es ist seit Monaten bekannt, dass angebliche Uma im großen Stil über ihr Alter lügen“, sagte er. Das Sozialministerium lehne aber insbesondere Röntgenuntersuchungen zur Altersfeststellung ab, obwohl Gerichte sie für zulässig erklärten. Und Innenminister Strobl decke diese Haltung. Dabei sei es angesichts der erheblichen Mehrkosten und weitreichenden Rechte für Uma „zwingend erforderlich, genau hinzusehen“.

AfD-Innenexperte Lars Patrick Berg sagte, die Erkenntnisse aus Mannheim seien „Beweis für das Totalversagen der Jugendämter, des Innenministers und des Sozialministers im Umgang mit diesem kriminellen Phänomen“. Auch er kritisierte, dass die Grünen sich weiter gegen medizinische Altersfeststellungen wehren. Das werfe mit Blick auf die Kosten und die Gewalt einiger Uma die Frage auf, „ob die Grünen am Wohl der Bürger überhaupt ein Interesse haben“.

Binder hält mehr Verfahren wie in Mannheim für sinnvoll

Bislang bestimmen die Jugendämter das Alter von Flüchtlingen, die keine Papiere bei sich haben und angeben, jünger als 18 Jahre alt zu sein. Dies geschieht anhand einer sogenannten qualifizierten Inaugenscheinnahme, einem standardisierten Gespräch. Wird ein Flüchtling als Uma eingestuft, erhält er einen Sonderstatus. Ein Uma gilt als besonders schutzwürdig, wird von dem örtlichen Jugendamt in Obhut genommen und im Sinne der Jugendhilfe untergebracht. Laut Bundesverwaltungsamt führt dies zu durchschnittlichen Kosten von 5250 Euro pro Uma und Monat. Hinzu kommt, dass Uma in der Praxis nicht abgeschoben werden können.

Ausländerbehörden können bei Zweifeln am Alter zwar heute schon eine Röntgenuntersuchung des Handwurzelknochens anordnen. Von der Möglichkeit wurde im Land bis zuletzt aber nur in sieben Fällen Gebrauch gemacht. SPD-Fraktionsvize Sascha Binder hob daher die Bedeutung der in Mannheim erfolgten Personenfeststellungsverfahren zur Altersüberprüfung hervor. „Dieser Weg sollte fortgesetzt werden, um das Alter der Flüchtlinge zweifelsfrei feststellen zu können“, sagte er. Auch Sckerl lobte das Mittel. Es müsse dafür aber das Herkunftsland bekannt sein.