Bilder von tonnenweise Plastikmüll und verschmutzten Meeren machen vielen Menschen Sorge. Händler suchen deshalb nach Alternativen zu Plastikverpackungen. Die gibt es – aber nicht alle sind wirklich nachhaltiger.
Stuttgart - Viele Menschen haben genug von Plastikverpackungen: Etwa drei Viertel der Deutschen sehen Plastikmüll als eine ernsthafte Gefahr für die Umwelt. Und trotzdem fällt hierzulande nicht weniger Verpackungsmüll aus Plastik an: 2015 waren es laut Eurostat jährlich 37,4 Kilogramm pro Person. Kauft man in einem normalen Supermarkt ein, geht das kaum, ohne hinterher eine Unmenge von Plastikverpackungen zu entsorgen. Auch oder gerade dann, wenn man Bioprodukte kauft: Denn die Händler sind dazu verpflichtet, Bioprodukte von konventionell angebautem Obst und Gemüse unterscheidbar zu machen und das Siegel der Ökokontrollstelle auszuzeichnen.
Seit Jahren forschen daher viele Institute und große Konzerne wie BASF an biologisch abbaubaren Kunststoffen oder an Materialien, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Beides wird unter dem Begriff Biokunststoff zusammengefasst. Der Markt mit solchen Materialien boomt immer mehr, doch Kritiker warnen schon lange: So grün wie ihr Image sind die Biokunststoffe gar nicht. Vor ein paar Jahren warben die großen Supermarktketten beispielsweise mit einer „biologisch abbaubaren“ Einkaufstüte. Der Hype hielt nicht lange an, denn Nachforschungen der Deutschen Umwelthilfe zeigten: Ebenso wie die dünnen, milchigen Biomüllbeutel sind solche Tüten meist weder gut kompostierbar noch besonders nachhaltig in der Herstellung. Auch das Umweltbundesamt, der BUND und Greenpeace sehen Verpackungen aus Bioplastik kritisch – und vermuten Verbrauchertäuschung.
Biokunststoff könnte eine Alternative in langlebigen Produkten sein
Dass der Einsatz von Biokunststoff nicht überall und per se sinnvoll sei, sagt auch Lisa Mundzeck vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover. Hier wird – in Zusammenarbeit mit der Industrie – an der Entwicklung, Verarbeitung und industriellen Nutzung von Biokunststoffen geforscht. Mundzeck argumentiert: Für haltbare, langlebige und nicht abbaubare Produkte aus Kunststoff könne Bioplastik durchaus eine Alternative sein – beispielsweise in Haushaltsgeräten, Sportartikeln, in der Automobilbranche oder der Luftfahrt. „Biokunststoffe tragen dort dazu bei, dass weniger Erdöl und stattdessen nachwachsende Rohstoffe verwendet werden“, sagt Mundzeck. Das sehen auch einige Naturschützer so – sofern diese Kunststoffe ressourcen- und flächenschonend hergestellt seien. Wichtig sei es, die komplette Wertschöpfungskette im Blick zu haben und auf Regionalität zu achten, sagt Lisa Mundzeck. Auch Aufbereitung, Recycling und Mehrweg von solch langlebigen Produkten aus Biokunststoff seien durchaus möglich, der Forschungsbedarf sei hier allerdings noch hoch. Der Einsatz von kompostierbaren Kunststoffen sei dagegen kritisch zu sehen – abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Implantaten in der Medizin.
Von einem Einwegprodukt zum anderen zu greifen ist nicht sinnvoll
Doch kompostierbare Produkte sind derzeit hoch im Kurs. Viele Unternehmen und Start-ups werben mit plastikfreien Verpackungsalternativen: mit Kaffeekapseln aus Cellulose, Einweggeschirr aus Pflanzenfasern, Folie aus Milchproteinen, Gemüsenetzen aus Buchenholz-Fasern oder mit essbaren Algenpackungen.
Zwar basieren Verpackungen aus Biokunststoff nicht auf fossilem Erdöl, doch für ihre Herstellung braucht es trotzdem viel Energie. Ähnlich ist das auch mit Einkaufstüten aus Papier oder Behältern aus Glas. Die Ökobilanz der Produkte falle daher oft nicht besser aus als jene von konventionellen Plastikverpackungen, sagt Philipp Sommer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Bioplastik verbrauche wegen des Anbaus von Nutzpflanzen wie Mais oder Zuckerrohr außerdem viele Ressourcen und große Flächen. Und bislang gibt es kaum Möglichkeiten, solche neuartigen Verpackungen gut zu verwerten oder zu recyceln.
Von einem Einwegprodukt zum anderen zu wechseln sei aus Umweltsicht jedenfalls nicht sinnvoll, sagt Sommer – egal ob dieses aus Papier oder Bioplastik besteht. Auch abbaubare Kaffeekapseln werden einzeln hergestellt und nach Gebrauch weggeworfen. Durch das Ökoimage der vermeintlichen Plastikalternativen werde der immer größere Verbrauch von kurzlebigem Verpackungsmüll sogar legitimiert, sagt der Umweltexperte. Er nennt das: Greenwashing und Verbrauchertäuschung. „So wird die Wegwerfkultur sogar noch gefördert.“
Statt Plastik zu ersetzen, müsse es einfach vermieden werden, heißt es auch von Greenpeace oder dem BUND. Eine Alternative sehen Umweltexperten daher im Pfand- und Mehrwegsystem. Was für Sprudelflaschen schon etabliert sei, könne auch in anderen Bereichen funktionieren, erklärt Sommer: Zum Beispiel mit Tupperboxen, die an der Käsetheke im Supermarkt befüllt werden. Oder mit Mehrweg-Geschirr in Takeaway-Restaurants. „Wir haben die Lösung für das Plastikproblem schon längst.“
Wie man im Alltag Plastik vermeiden kann, zeigen wir im Video:
Papiertüten, Glasbehälter oder Mehrweg-Geschirr? Was ist nun wirklich besser als Plastik? In unserer Bildergalerie geben wir einen Überblick.