Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Baden-Württemberg, Jörg Meuthen (Mitte) während einer Pressekonferenz zwischen seinen Fraktionskollegen Anton Baron (links) und Heinrich Fiechtner. Foto: dpa

Keine vier Monate nach ihrem Erfolg bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg zerlegt sich die AfD selbst. Grund ist ein Streit um Antisemitismus.

Stuttgart - Im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Politiker Wolfgang Gedeon ist die Fraktion der Partei im baden-württembergischen Landtag zerbrochen. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen sowie zwölf weitere Abgeordnete verließen am Dienstag die Fraktion im Stuttgarter Landtag. „Wir bedauern ausdrücklich, die Trennung vollziehen zu müssen“, sagte Meuthen am Dienstag in Stuttgart. Grund des Rücktritts sei der Konflikt um Gedeon. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf Gedeons sei die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen.

Die rechtspopulistische Partei hat 23 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die aus der Fraktion ausgetretenen Politiker wollen zunächst als eigenständige Abgeordnete weiter arbeiten, wie sie mitteilten. Ziel sei aber der Aufbau einer neuen Fraktion. Antisemitismus dürfe es in der Partei nicht geben, sagte Meuthen. „Wir denken nicht daran, als Mehrheit zu weichen“, betonte er. Die AfD hatte bei der Landtagswahl 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

Der AfD-Bundesvorstand unterstützte Meuthen, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung der Parteispitze vom Dienstag hieß es: „Der Bundesvorstand distanziert sich von denjenigen Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen.“ Als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg werde nur die Gruppe um Meuthen anerkannt. Die Co-Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, nahm an der Besprechung des Bundesvorstandes dem Vernehmen nach nicht teil.

Eigentlich wollte die AfD die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon zuletzt durch Gutachter klären lassen. Es seien bereits zwei Gutachten angefertigt worden, sagte Meuthen. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass die Äußerungen von Gedeon antisemitisch seien. Gedeon sieht sich Kritik ausgesetzt, Holocaust-Leugner zu unterstützen. Er hatte sie als „Dissidenten“ - Gegner in autoritären Regimes - gewürdigt.

Gedeon bezeichnet Holocaust als „gewisse Schandtaten“

Auch Gedeons Satz „Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes“ wurde von einigen AfD-Politikern als hinreichender Beleg für antisemitisches Gedankengut gewertet. Gedeon hatte überdies den Holocaust als „gewisse Schandtaten“ bezeichnet.

Zudem hält der Politiker die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion, aus denen Antisemiten Theorien über eine angebliche jüdische Verschwörung ableiten, für „eher“ keine Fälschung. Nach Einschätzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) sind diese Papiere aus wissenschaftlicher Sicht unhaltbar und dienen der falschen Untermauerung von Ressentiments gegen Juden.

AfD-Chef Meuthen sah sich in den letzten Wochen Vorwürfen ausgesetzt, in den eigenen Reihen Antisemitismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Er hatte zuerst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht ausgeschlossen werden aus der Fraktion. Dann blieb er aber zunächst doch.

Aus Sicht der Grünen im Landtag hat sich Meuthen selbst ein Bein gestellt: „Jörg Meuthen ist in die Falle getreten, die er selbst aufgestellt hat“, kommentierte Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz. Meuthen habe keine rote Linie zu Antisemiten und Rassisten gezogen, solange sie seine Machtbasis verbreitert hätten. „Nun stürzt er über jene Kräfte, die er angelockt hat.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Meuthen ist der Zauberlehrling der AfD.“ Erst habe er Radikale und Antisemiten angezogen. Und nun hätten diese ihn verschlungen. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, die AfD sei keine Alternative. „Wir sind im Parlamentarismus jetzt gefordert. Wir müssen genau aufzeigen, wie sich die neuen Verhältnisse im Landtag durch die Spaltung bei der AfD darstellen.“ Und der SPD-Fraktionschef Andreas Stoch erklärte, die AfD sei an ihrer Unfähigkeit gescheitert, sich klar von Antisemitismus und Rechtsextremismus abzugrenzen. „Zurück bleibt nun eine gespaltene rechte Chaostruppe.“

Der frühere AfD-Landeschef Bernd Kölmel bezeichnete die Spaltung der AfD-Fraktion als absehbar. „Es passiert genau das, was wir 2015 vorhergesehen haben: In dieser AfD ist eine vernünftige, nachhaltige Politik unmöglich“, sagte der Europaabgeordnete in Straßburg. Kölmel trat im Juli 2015 aus der AfD aus und folgte damit dem Bundeschef Bernd Lucke. Beide sind nun in der Partei Alfa.