Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke (rechts) spricht in Jena auf einer Kundgebung der Partei Alternative für Deutschland. Anwesend war auch der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland. Foto: dpa

Jahrzehntelang regierte in Baden-Württemberg die CDU. Eine Legislaturperiode sind nun die Grünen an der Macht. Ein Einzug der AfD ins Parlament könnte beiden einen Strich durch die Rechnung machen.

Stuttgart/Mainz - Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnten die ersten westdeutschen Flächenländer werden, in denen die Alternative für Deutschland (AfD) in den Landtag einzieht. Mit der Wahl am 13. März werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Labor für neue Regierungskoalitionen inmitten der Flüchtlingskrise. Die Parteien im Bund dürften mit Argusaugen beobachten, ob die Rechtskonservativen auch ihnen das Wasser abgraben könnten - auch wenn sie die Neulinge am liebsten ignorieren würden.

Das neueste ZDF-„Politbarometer“ sagt CDU und SPD Verluste voraus. Dagegen winken der AfD elf Prozent in Baden-Württemberg und auch in Rheinland-Pfalz würde sie mit acht Prozent die Fünf-Prozent-Hürde überspringen.

FDP käme nur bei Ampel-Koalition zum Zug

In Baden-Württemberg müssen sich Grüne (mit prognostizierten 28 Prozent) und SPD (15 Prozent) möglicherweise von ihrem Vorhaben verabschieden, ihre Koalition fortzusetzen. Aber auch die CDU (34 Prozent) würde mit der FDP eine Neuauflage der ehemaligen schwarz-gelben Koalition nicht schaffen. Zwar scheint der Einzug der FDP in ihrem Stammland gesichert, aber mit den vorausgesagten sechs Prozent können die Liberalen der CDU nicht zur Macht verhelfen. Eine Perspektive auf Teilhabe an der Macht ergäbe sich für die FDP lediglich im Fall einer Ampel-Koalition mit Grünen und SPD.

Nur CDU und Grüne hätten in Baden-Württemberg eine komfortable Mehrheit von 63 Prozent; doch es ist fraglich, ob die Ökopartei genügend Gemeinsamkeiten mit der Union sehen und sich mit der Rolle eines Juniorpartners begnügen würde. Auch in Rheinland-Pfalz wären nach der jüngsten Umfrage die klassischen Konstellationen von Rot/Grün oder CDU/FDP nicht mehr möglich.

Die SPD im Bund scheint sich mehr um den Machterhalt in Rheinland-Pfalz zu kümmern als um den Juniorpartner der Grünen im Südwesten. Mit der populären Ministerpräsidentin Malu Dreyer, einer von neun SPD-Länderchefs in Deutschland, und vorausgesagten 31 Prozent steht die Partei dort weitaus besser da als in Baden-Württemberg. SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel ging vergangenes Jahr nicht zufällig in Rheinland-Pfalz auf Sommerreise, ein Zukunftskongress der Partei fand in Mainz, nicht in Stuttgart statt.

SPD sackt immer tiefer ab

In Stuttgart ist der „Genosse Trend“ der SPD nicht mehr hold. Jede neue Umfrage lässt die Partei tiefer absacken. Mit den ihnen vorausgesagten elf Prozent kommen die Rechtskonservativen von der AfD den Sozialdemokraten im 15-Prozent-Turm bedrohlich nahe. 2011 hatte die SPD noch 23,1 Prozent geholt. Das reale AfD-Ergebnis könnte noch höher sein, weil sich viele Anhänger rechter Parteien bei Umfragen ungern outen.

„Das ist ziemlich einmalig“, bewertet der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling das Umfragetief der SPD. Die Wählerbasis der Partei werde immer wackliger. Im wohlhabenden Südwesten bestehe der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital nicht. „Wer beim Daimler arbeitet, hat seinen Jahreswagen und sein Häuschen.“ Gewerkschafter und Manager gingen auf Augenhöhe miteinander um. „Für die SPD ist das ein Handicap“, meint Wehling. Wahlbeobachter sind sich überdies einig: Vize-Regierungschef Schmid gelinge es auch nicht, sich neben dem beliebten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) zu profilieren.

Angesichts des möglichen Endes des grün-roten Bündnisses denken Sozialdemokraten im Südwesten über eine Neuauflage der großen Koalition von 1992 bis 1996 nach. Für Spekulationen in diese Richtung sorgt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, der seine Vorliebe für die CDU als Koalitionspartner nur schlecht verbirgt und sogar bei einer Pressekonferenz mit CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf auftrat. Die Regierungsbildung nach der Landtagswahl 1992 war auch dem Abschneiden der rechtsradikalen Republikaner geschuldet: Sie kamen im Zuge der damaligen Flüchtlingsdebatte mit 10,9 Prozent der Stimmen als drittstärkste Fraktion in den Landtag.