Eine stark übergewichtige Frau geht eine Londoner Straße entlang Foto: PA Wire/dpa/Clara Molden

Weltweit haben immer mehr Menschen starkes Übergewicht. Dabei ist laut WHO klar, wie Länder dieser Entwicklung entgegenwirken könnten. Wir erklären, was Adipositas ist, wie viele darunter leiden und was man dagegen tun kann.

Die Zahl der Menschen mit Adipositas oder starkem Übergewicht steigt in einem rasante Tempo. Weltweit waren nach einer Studie 2022 mehr als eine Milliarde Menschen betroffen. Der Anteil der stark Übergewichtigen an der Bevölkerung habe sich seit 1990 mehr als verdoppelt, unter Heranwachsenden zwischen 5 und 19 Jahren sogar vervierfacht, berichtet die Fachzeitschrift „The Lancet“.

In einigen wohlhabenden Ländern und bestimmten Bevölkerungs- und Altersgruppen erreiche die Zahl inzwischen ein Plateau oder sinke leicht, sagt Majid Ezzati vom Imperial College in London, etwa bei Frauen in Spanien und Frankreich.

Was ist der BMI bzw. "Body Mass Index" (BMI Rechner)?

Adipositas kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und einige Krebsformen auslösen. „Adipositas ist eine chronische Krankheit, die definiert ist als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts“, schreibt die Deutsche Adipositas-Gesellschaft.

Ob jemand betroffen ist, wird nach Gewicht und Größe berechnet, dem Body-Mass-Index (BMI). Ab einem BMI von 30 spricht die Gesellschaft von „Adipositas Grad I“ (BMI Rechner).

Mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist übergewichtig. Foto: dpa-infografik

Wie viele Menschen leiden an Übergewicht?

  • Insgesamt waren 880 Millionen Erwachsene und 159 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 19 Jahren stark übergewichtig.
  • 9,3 Prozent der Jungen galten 2022 als fettleibig, 6,9 Prozent der Mädchen.
  • Bei Erwachsenen verdoppelte sich der Anteil bei Frauen seit 1990 auf 18,5 Prozent.
  • Die Rate verdreifachte sich bei Männern auf 14 Prozent.

Wie hoch ist die Zahl Menschen mit Übergewicht in Deutschland?

  • In Deutschland lag der Anteil bei Frauen mit Adipositas nach dieser Studie 2022 bei 19 Prozent, was Platz 137 in der Länderliste entsprach.
  • Bei Männern lag der Anteil in Deutschland bei 23 Prozent (Platz 80).
  • Unter den Mädchen und Frauen bis 19 Jahren lag der Anteil in Deutschland bei sieben Prozent (119. Platz), bei Jungen und jungen Männern bei 10 Prozent (111. Platz).

Wie kann Adipositas vorgebeugt werden?

Adipositas könne durch gute Ernährung und Bewegung von Kindesbeinen an vorgebeugt werden, berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf, die an der Studie beteiligt war. Regierungen sollten dafür sorgen, dass besonders salz-, fett- oder zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke nicht in der Nähe von Schulen verkauft werden und dass Reklame dafür, die sich an Kinder richtet, eingeschränkt wird.

Sie sollten zudem Kampagnen über die Vorteile guter Ernährung und sportlicher Betätigung fahren. Die WHO räumte ein, dass gute Ernährung teuer sein kann.

Jeder zehnte Mensch auf der Erde leidet Hunger; drei Milliarden Menschen haben zu wenig Geld, um sich gesund zu ernähren. Gleichzeitig ist einer von drei Menschen übergewichtig oder fettleibig. Foto: dpa-infografik

Wo sind die Adipositas-Raten am höchsten?

  • Die insgesamt höchsten Adipositas-Raten gab es in Inselstaaten im Pazifik wie Niue, Tonga und Amerikanisch-Samoa mit teils über 60 Prozent.
  • In den Top Ten waren in einzelnen Kategorien auch Katar, Ägypten, Chile und die USA.
  • Die niedrigsten Raten verzeichneten Madagaskar, Burkina Faso, Vietnam und Äthiopien.
  • Rasant war der Anstieg unter anderem in den USA: Der Anteil der Frauen mit Adipositas stieg von 21,2 Prozent 1990 auf 43,8 Prozent 2022, bei den Männern stieg der Anteil von 16,9 Prozent auf 41,6 Prozent.

Was verbindet Adipositas und Unterernährung?

Die andere Seite des Ernährungsproblems: Gleichzeitig seien weltweit auch hunderte Millionen Menschen weiter von Mangel- und Unterernährung betroffen, heißt es in der Studie, vor allem in Ländern in Südostasien und in Afrika südlich der Sahara. Unterernährung sei für die Hälfte aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Starkes Übergewicht und Unterernährung seien zwei Seiten desselben Problems: schlechter Ernährung, so die WHO.

Info: Warum neigen Menschen zu Übergewicht?

Übergewicht
Die grundsätzliche Frage lautet: Warum sind manche Menschen schlank und warum neigen andere zu Übergewicht? Forscher aus Basel haben hierzu jüngst eine wegweisende Entdeckung gemacht. Sie haben eine Art Schalter ausfindig gemacht, der den Prozess der Fettverbrennung im Körper steuert. Bei diesem molekularen Schalter handelt es sich um Arf1. Die Abkürzung steht für Adenosyl-Ribosylierungs-Faktor 1. Die Entdeckung könnte dazu beitragen, Krankheiten wie Diabetes und bestimmte Krebsarten besser zu verstehen. Die Studie ist im Fachmagazin „Nature Cell Biology“ veröffentlicht worden.

Arf1
Das Protein Arf1 ist seit langem bekannt. „Wir wussten bereits, dass es einige Funktionen beim Golgi-Apparat übernimmt, der Sortierstation in der Zelle. Nun haben wir entdeckt, dass Arf1 auch den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien steuert“, sagt Ludovic Enkler von der Universität Basel. „Arf1 sorgt dafür, dass die Lipide, von den Lipid-Tröpfchen in die Mitochondrien transportiert werden.“

Bedeutung von Fett
Jeder Organismus benötigt Energie zum Leben. Der Mensch nimmt Energie über die Nahrung auf und verwendet sie teilweise direkt oder speichert sie im Körper. Während Glucose (das Kohlenhydrat Einfachzucker) als schneller Energielieferant direkt zur Verfügung steht, werden Fette als Energievorrat angelegt. Unsere Zellen speichern Fette – die so genannten Lipide – in Form von Tröpfchen.

Verwertung von Fett
Wie unser Körper Nahrung verwertet, ist entscheidend für die gesamte Energiegewinnung und den Fettauf- bzw. -abbau. Beim Fettstoffwechsel kommt einem bestimmten Protein (Eiweißmolekül) eine zentrale Rolle zu, wie die Forscher zeigen. ATP– die Abkürzung steht für Adenosintriphosphat. Es steuert die Speicherung bzw. Umwandlung der Fette in Energie.

Energie
ATP wird im Organismus als der wichtigste Energiespeicher in den Zellen benötigt. Doch wie viel Energie benötigt der Körper aus seinem ATP-Energievorrat? Wie viel Fett wird in ATP umgewandelt? Wann wird der Umwandlungsprozess gestartet und wann beendet? Dieser komplexe Prozess läuft folgendermaßen ab: Die überschüssige Energie speichert unser Körper in Form von Fett. Bei Energiebedarf – zum Beispiel, weil wir Sport treiben – zapft der Körper diese Fettreserven an. Dazu wird in den Mitochondrien – den Kraftwerken des Körpers – Fett in das Molekül ATP umgewandelt, dass den Zellen Energie liefert.

Störungen
Wie sensibel der Fettstoffwechsel ist, zeigt sich besonders am Beispiel von Fettstoffwechselstörungen. Bereits winzige Fehler im Fettstoffwechsel können erhöhte Cholesterinwerte (Blutfettwerte) nach sich ziehen und damit das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen steigern oder Krankheiten wie Fettleibigkeit (Adipositas) oder Diabetes auslösen.

Arf1-Schalter
Arf1 spielt eine zentrale Rolle bei dem Prozess der Energieverbrennung von Fett in ATP im Körper. „Arf1 hält damit den Stoffwechsel in Balance“, erklärt Anne Spang vom Biozentrum der Universität Basel. Damit dieses umfassende System funktioniert, müssten verschiedene Prozesse genau aufeinander abgestimmt ablaufen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Arf1 die Umgebung der Kontaktstelle zwischen Fett-Tröpfchen und Mitochondrien so verändert, dass die Fette in die Mitochondrien gelangen können. Das heißt: Signalisiert der Körper Energiebedarf, lässt Arf1 die Fett-Moleküle in sein Kraftwerk hinein. Sobald der Energiebedarf gedeckt ist, wird der Transport gestoppt. Fehlt Arf1 oder ist es überaktiv, gerät das ganze System aus dem Gleichgewicht. Eine Folge kann auch Übergewicht sein (mit dpa-Agenturmaterial).