Wer seiner Kirche den Rücken kehrt, hat meistens lange mit seiner Entscheidung gerungen. Foto: dpa/Ingo Wagner

Eine Überraschung können Bürger erleben, die zum Standesamt gehen und für den Austritt aus der Religionsgemeinschaft eine hohe Gebühr entrichten müssen.

Marbach - Mit den Worten „Ich habe lange mit mir gerungen“ beginnen häufig Gespräche auf Standesämtern, wenn jemand dort seinen Kirchenaustritt bekundet. Eigentlich müssten diejenigen sich nicht erklären, es herrscht Religionsfreiheit, doch die Enttäuschung über Gottes Bodenpersonal oder andere Gründe wollen ausgesprochen werden, war von einer Standesbeamtin im Vertrauen zu erfahren. „Für viele ist es echt hart.“

Oft dauern die Begegnungen in den Amtsstuben nicht länger als zehn Minuten. Doch egal, ob in Marbach, Steinheim oder in Oberstenfeld – immer will die Leistung am Ende bezahlt sein. Der Preis für den Kirchenaustritt in den Rathäusern ist jedoch in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich. Wer in Heubach bei Schwäbisch Gmünd austritt, muss nur 6,50 Euro entrichten – in Unterreichenbach im Kreis Calw sind es imposante 75  Euro. Warum das so ist, erscheint auf den ersten Blick schleierhaft.

Beilstein ist im Verbreitungsgebiet das billigste Pflaster

Keine Welten klaffen hingegen im Raum Marbach und im Bottwartal zwischen den Gebühren der einzelnen Kommunen. Am billigsten ist Beilstein mit 12 Euro. Der Kämmerer Werner Waldenberger sieht das Schnäppchen in Zusammenhang mit anderen Verwaltungsgebühren für Leistungen, die für Einzelne auf deren Wunsch erbracht werden. Dazu zählen zum Beispiel Beglaubigungen von Zeugnissen oder Attesten. „Wir haben im Jahr 2014 zuletzt die Verwaltungsgebühren kalkuliert – es könnte wohl mal wieder Zeit werden“, sagt der schon seit Jahrzehnten tätige Beamte.

Ernst macht diesbezüglich die Gemeinde Mundelsheim, die im neuen Jahr 2022 die Gebühr für Kirchenaustritte von 13,52 Euro auf 19,90 Euro anhebt. Unverändert lässt hingegen der Kirchberger Bürgermeister Frank Hornek diese Gebühr. „Sie liegt seit vielen Jahren bei 25 Euro.“

Marbach ist hier in der Region der Spitzenreiter im oberen Segment

Spitzenreiter im hiesigen oberen Segment ist die Stadt Marbach mit 29 Euro. „Es ist für den Aufwand, der anfällt“, betont der Bürgermeister Jan Trost. Marbach liegt damit über dem von der Initiative kirchenaustritt.de auf der Basis von 550 Kommunen errechneten Landesdurchschnitt von etwa 25  Euro. Das erklärt der Rathauschef mit der Neukalkulation der Gebühren erst vor etwa drei Jahren. Für einen Trugschluss hält Trost die Annahme, kleinere Gemeinden seien per se billiger. „Es kann aber sein, dass in den kleineren Kommunen nicht so häufig Gebühren neu kalkuliert werden und es deshalb mancherorts noch günstiger ist.“

Für den Gang aufs Standesamt reichen der Personalausweis oder der Reisepass. Im 6700-Einwohner-Ort Murr, wo die Gebühr seit acht Jahren bei 15 Euro liegt, treten sonst rund 50 Personen jährlich aus. In diesem Jahr sind es laut Hauptamtsleiterin Brigitte Keller schon 63. „Wirtschaftliche Not ist in manchen Fällen nicht auszuschließen.“

Der Unterreichenbacher Bürgermeister verweist auf hohe Produktkosten

Beschwert werde sich nicht über die 20 Euro, die von der Stadt Steinheim verlangt werden, erzählt die Ordnungsamtsleiterin Tanja Glück. „Wir liegen im Mittelfeld“, sagt sie und fände 50 Euro „schon echt knackig“.

Für absolut vertretbar hält hingegen der Unterreichenbacher Bürgermeister Carsten Lachenauer den landesweiten Spitzensatz von 75 Euro in seiner 2400-Einwohner-Gemeinde. „Das sind Produktkosten – und die reichen noch nicht einmal“, sagt der Verwaltungschef, nennt Heiz- und Mitarbeiterkosten, Ausgaben für Unterlagen und Gebäude, die dazu noch gereinigt werden müssten. „Für einen Personalausweis müssten wir eigentlich 200 Euro verlangen“, erklärt Lachenauer, wobei für diese Leistung ein bundesweit einheitlicher Satz von 37 Euro für mindestens 24-Jährige gilt. Jüngere brauchen für einen Personalausweis dagegen nur 22,80 Euro zu bezahlen.

Heubach ist mit 6,50 Euro am billigsten

Anders ticken die Uhren im 10 000-Einwohner-Ort Heubach, wo die Verwaltung nur 6,50 Euro für den Zehn-Minuten-Akt berechnet. Die extrem niedrige Gebühr führt die Ordnungsamtsleiterin Renate Iwaniw darauf zurück, dass die Gebührensatzung schon seit 2010 bestehe und man damals noch nicht so viele Austritte wie heute hatte.

Über eine Gebührenkalkulation entscheide jede Kommune selbst, so Christopher Heck, Pressesprecher des Gemeindetags Baden-Württemberg. Grundlage sei immer der Verwaltungsaufwand. „Letztlich beschließt das der Gemeinderat“, sagt Heck und räumt dem politischen Willen eine gewisse Bedeutung ein , wenn es um Gebührenhöhen geht. Notfalls müssten nach Klagen von Bürgern Verwaltungsgerichte darüber entscheiden.