Der Leiter der Backnanger Rettungswache, Dieter Schick (links) und der Rettungsassistent Sven Reinhardt demonstrieren die Funktionsweise der elektrisch unterstützten Hebeeinrichtung für die XXL-Krankentrage. Foto: Gottfried Stoppel

Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes hat einen Spezialkrankenwagen für gewichtige Patienten angeschafft. Etwa einmal pro Woche kommt das Fahrzeug zum Einsatz.

Backnang - Sein schwerster Fall hat satte 270 Kilogramm auf die Waage gebracht. Dieter Schick, der Leiter der Rettungswache Backnang, kann sich noch gut daran erinnern. Mit fünf Sanitätern sowie seinen drei Söhnen habe man den Mann, der den Rettungsdienst wegen eines Herz-Kreislauf-Problems alarmiert hatte, Stufe um Stufe aus dem ersten Stock seines alten Bauernhauses ins Erdgeschoss gewuchtet und auf Schaltafeln in den Krankenwagen bugsiert. Anderthalb Stunden allerdings musste man warten, bis ein Spezialrettungswagen aus Stuttgart vor Ort war.

Alles ist in XXL ausgelegt

Seit wenigen Tagen sind die Rems-Murr-Rettungskräfte zumindest beim fahrenden Transport nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen. Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes hat einen Krankenwagen angeschafft, der nicht an seine räumlichen Grenzen stößt und – wie ein herkömmlicher – ab einem Patientengewicht von 175 Kilogramm sprichwörtlich in die Knie geht. Auch die Ausrüstung des Fahrzeugs ist eigens auf XXL-Patienten ausgelegt. Es hat eine elektrisch unterstützte hydraulische Hebeeinrichtung, einen Treppenstuhl mit Bremse, ein riesiges Tragetuch und eine ebensolche Schleifkorbtrage. Auch die Oberarm-Blutdruckmanschette ist so dimensioniert, dass sie einem gut trainierten Profifußballer locker um den Oberschenkel passen würde.

Zwei Zielsetzungen habe man mit der Anschaffung des Spezialwagens verfolgt, der auf der Rettungswache intern scherzhaft „der Laster“ genannt wird, sagt der Präsident des DRK-Kreisverbands, Johannes Fuchs: „Wir wollen den Patienten einen sicheren, schonenden und würdevollen Transport ermöglichen, aber auch unseren Mitarbeitern bessere und entlastende Arbeitsbedingungen bieten.“ Bisweilen nämlich mussten diese immer wieder improvisieren und, wenn es schnell gehen musste, den Zusammenbruch eines herkömmlichen Rettungswagens riskieren oder gar auf einen gemieteten Transporter oder Pick-up umsteigen.

Im Schnitt ein Schwertransport pro Woche

Der neue, luftgefederte Schwerlast-Adipositas-Rettungswagen, wie er korrekt bezeichnet wird, steht nun in der Backnanger Rettungswache als sogenanntes Backup-Fahrzeug für den gesamten Rems-Murr-Kreis bereit. Wird über die Leitstelle in Waiblingen ein Rettungswagen angefordert, so wird zunächst das am nächsten stationierte Fahrzeug losgeschickt. Sollte sich herausstellen, dass der Patient mehr als 150 Kilogramm auf die Waage bringt, wird zusätzlich das XXL-Mobil nachgefordert. „Das hat nicht nur den Vorteil, dass die Hilfsfristen eingehalten werden, sondern auch, dass für den Schwertransport zusätzliche Manpower zur Verfügung steht“, erklärt Dieter Schick das Verfahren.

Mit Luxus für seltene Extremfälle habe die rund 150 000 Euro schwere Investition nichts zu tun, sagt der DRK-Geschäftsführer Sven Knödler. 50 bis 60 Schwertransporte im Jahr, im Schnitt also jede Woche einer, würden im Kreis bestellt. Johannes Fuchs: „Wir tragen einer gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung.“

Volkskrankheit Übergewicht

Anteil
Laut Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts sind zwei Drittel der deutschen Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) übergewichtig, ein Viertel der Erwachsenen stark (adipös). Der Anteil übergewichtiger und adipöser Menschen in der Bevölkerung der westlichen Industrieländer nehme seit einigen Jahrzehnten stetig zu. Dies gelte auch für Kinder und Jugendliche. Etwa sieben Prozent sind krankhaft fettleibig.

Formel
Übergewicht wird nach dem so genannten Body-Mass-Index bestimmt. Dieser Index wird errechnet, indem man das Körpergewicht durch das Quadrat der Körpergröße teilt. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Erwachsene mit einem Body-Mass-Index über 25 als übergewichtig ein, mit einem Wert über 30 als stark. So gilt ein 1,80 Meter großer Erwachsener ab 81 Kilogramm als übergewichtig und ab 97 Kilogramm als stark übergewichtig.

Folgen
Laut dem Statistischen Bundesamt sind im deutschen Gesundheitswesen im Jahr 2008 aufgrund von Fettleibigkeit direkte Kosten von 863Millionen Euro angefallen. Zudem erhöhe Übergewicht das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen, wie etwa Knie-, Hüft- und Rückenbeschwerden, Bluthochdruck oder Diabetes. Die so verursachten indirekten Kosten werden bundesweit auf 15 bis 20Milliarden Euro im Jahr geschätzt.