In Stuttgart gibt die Entwicklung auf dem Wohnungssektor Anlass zu mancherlei Sorge. Foto: Fotolia

Energiesparprogramm greift nicht mehr recht – Familienbauprogramm des Landes bedarf Änderung.

Stuttgart - Wo geht es lang auf dem Wohnungssektor in Stuttgart? Bei dieser Einschätzung hilft der Jahresbericht, den der städtische Wohnungsbauexperte Erhard Brändle jetzt für das Jahr 2011 vorlegte.

Notfälle und Wohnungsvergaben: Während die Stadt Ende 2011 mit 1440 Not- und Dringlichkeitsfällen von Wohnungssuchenden praktisch eine unveränderte Wohnungsnot verwaltete gegenüber 2010, ging die Zahl der vermittelten Wohnungen noch einmal um 6,5 Prozent von 1013 auf 948 zurück. Zwei Drittel der vergebenen Wohnungen gehörten der stadteigenen Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). Insgesamt waren Ende 2011 genau 2834 Wohnungssuchende vorgemerkt.

Probleme für Alleinstehende: Sie müssen in Stuttgart besonders lang auf die Vermittlung einer Wohnung durch die Stadt und ihre Tochter SWSG warten. Bei EU-Bürgern vergehen zwischen Antragstellung und Wohnungsvermittlung im Schnitt 16 Monate, bei Menschen, die von außerhalb der EU stammen, sind es 19 Monate. Diese langen Wartezeiten ergeben sich, weil nur ein Viertel der Sozialwohnungen in Stuttgart für Alleinstehende passt – doch die Ein-Personen-Haushalte sorgen für 57 Prozent der Vormerkungen. Durchschnittlich acht Monate warten Familien von EU-Bürgern mit vier oder mehr Personen auf passende Wohnungen, elf Monate sind es bei Nicht-EU-Bürgern mit so großen Familien. Am schnellsten geht es für Zwei- oder Drei-Personen-Haushalte: Sie warten im Schnitt nur vier Monate (EU-Bürger) bzw. sieben Monate (Nicht-EU-Bürger).

Kriselndes Familienbauprogramm: 2011 wurden nur noch 102 Wohnungen in Stuttgart durch das Familienbauprogramm gefördert. Im Jahr zuvor waren es noch 136 gewesen. 2012 dürfte die Zahl auf etwa 70 sinken. Wirtschafts- und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) macht eine Änderung im Landesbauprogramm für die gesunkene Zahl verantwortlich. Dadurch würden im Endeffekt nur noch Neubauten begünstigt, nicht mehr der Kauf bestehender Immobilien. Auf einem teuren Markt wie Stuttgart, wo die Grundstücke teuer und rar sind, hat das Folgen. Die Änderung sei falsch, obwohl sie gut gemeint gewesen sei, weil die Landesregierung der Förderung von energieeffizienten Gebäuden den Vorzug geben wollte.

Die Stadt vollzog jüngst ihrerseits auch noch eine Einschränkung: Sie fördert im Familienbauprogramm künftig nur noch Objekte mit einem Zuschlag für ökologisches Bauen von je 4000 Euro, die Passivhausstandard erfüllen. Der Hintergrund: Der Standard, den die Stadt bisher gefordert hatte, wird seit Januar auch vom Land verlangt. Daher legt die Stadt jetzt die Messlatte höher, um weitere Anreize zu geben.

Energiesparprogramm: Es fehlt an verlässlichen langfristigen Regelungen

Schwund von Sozialwohnungen: Die Zahl der Belegungsrechte, mit denen die Stadt über Wohnungen verfügen kann, lag einstmals bei 28.000. Inzwischen ist sie auf 19.149 gefallen. Bei 13.034 Wohnungen ist der Mietpreis gebunden. Doch jährlich fallen rund 700 Wohnungen aus dieser Kategorie heraus, weil die mit Förderzuschüssen für die Bauherren bezahlte Sozialbindung nach 40 Jahren entfällt oder weil sich Eigentümer durch das Zurückbezahlen von Zuschüssen vorzeitig freikaufen. Deswegen will die Stadt eigentlich pro Jahr 100 neue Sozialwohnungen fördern, aber 2011 wurden nur 85 realisiert. 2012 wird mit 29 neuen Sozialmietwohnungen gerechnet.

Um den Schwund zu bremsen, beschloss der Gemeinderat: Wenn Wohnungsunternehmen von der Stadt Erbbaugrundstücke kaufen und neu bauen, muss ein 20-prozentiger Anteil von Sozialwohnungen erreicht werden.

Weniger Wohnungsförderung: Nach einem Tiefstand von 194 Wohnungen im Jahr 2010 hat die Stadt 2011 mit insgesamt 2,7 Millionen Euro in vier Förderprogrammen _ Familienwohnungen, Sozialwohnungen, Preiswertes Wohneigentum und Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher – zwar wieder 224 Wohneinheiten gefördert, aber 2007 waren es schon einmal doppelt so viele. 2012 erreicht man vielleicht nur 157 Einheiten, weil Grundstücke fehlen.

Flaute beim Energiesparprogramm: Das Interesse der Hauseigentümer an energetischen Sanierungen litt 2011 an unklaren Rahmenbedingungen im Bund und in der EU. Hier fehle es an verlässlichen langfristigen Regelungen, sagte Bürgermeister Föll. 2011 ging die Zahl der Anträge bei der Stadt um 38 Prozent zurück. Mit 1,3 Millionen Euro wurden 1132 Wohnungen bezuschusst. Im Vorjahr hatte die Stadt drei Millionen beigesteuert. Wenn das Interesse 2012 wieder anspringt, sollen 3,5 Millionen Euro aufgewendet werden. Damit es so weit kommt, müsse die Bundespolitik die Abschreibungsmöglichkeiten bei Energiesparmaßnahmen verbessern, hieß es im Gemeinderat.