Ob das Neubaugebiet Richtung Affalterbach verwirklicht wird, hängt weiter am seidenen Faden. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Paukenschlag in Marbach: Die Entscheidung darüber, ob das Areal Kreuzäcker kommen soll, wurde vertagt. Am Umfang der bisherigen Kosten waren Zweifel laut geworden.

Marbach - Es sollte der Tag der großen Entscheidung werden. Es sollte der Tag werden, an dem der Gemeinderat darüber befindet, ob man die Planungen für ein Neubaugebiet an der Affalterbacher Straße forcieren oder das Thema vorerst zu den Akten legen will. Und zunächst diskutierte das Gremium auch leidenschaftlich das Für und Wider – ehe eine hauchzarte Mehrheit aus Grünen, CDU, Puls, den beiden SPD-Vertretern Ute Rößner und Dieter Zagel sowie Jens Knittel von den Freien Wählern auf Antrag von Grünen-Fraktionschefin Barbara Eßlinger beschloss, den Tagesordnungspunkt zu vertagen.

Rätin wird stutzig

Anlass für diesen Schritt war, dass Zweifel an den Angaben der Verwaltung zu den Ausgaben laut geworden waren, die bisher in das Projekt geflossen sind. Also jene Vorleistungen, die man bei einem Aus für das Vorhaben mehr oder weniger in den Wind schreiben müsste. Das machte den Betrag sowohl für Befürworter als auch für Kritiker des Neubaugebiets in seiner zuletzt anvisierten Form zu einem nicht unerheblichen Faktor in der Argumentationslinie. Die Rathausspitze, die an dem Areal festhalten möchte, hatte im Vorfeld der Sitzung erklärt, dass bereits rund eine Million Euro für Gutachten, Untersuchungen und anderes mehr in die Hand genommen worden sei. Die Grünen hatten daraufhin verlangt, das bitteschön genauer aufzudröseln. Die Verwaltung verteilte in der Folge eine ellenlange Liste, auf der unter anderem Buchungskosten sowie Verwendungszwecke samt Rechnungsnummern aneinandergereiht sind. Ein Wust an Zahlenkolonnen und Stichworten, der für Laien eher kryptisch anmuten dürfte. Die SPD-Rätin Ute Rößner arbeitete sich allerdings akribisch durch das Papier und wurde stutzig. „Ich habe Unstimmigkeiten festgestellt und deshalb jemanden zurategezogen. Wer das war, möchte ich nicht sagen“, erklärt sie auf Nachfrage. Es wird aber gemunkelt, dass solche Informationen nur ein Insider haben kann.

Angriff auf die Rathausspitze

Rößner schüttelte jedenfalls in der Sitzung am Donnerstag genauere Angaben dazu aus dem Ärmel, was hinter einzelnen Positionen steckt, und kam zu dem Schluss: „Kosten von anderen Projekten wurden miteingerechnet.“ Deshalb zog sie auch den Betrag von einer Million Euro in Zweifel, kann sich vorstellen, dass am Ende vielleicht „gerade einmal die Hälfte“ tatsächlich angefallen ist. Mit aufgenommen seien unter anderem Ausgaben für die Sporthalle Lauerbäumle und ein Gewerbegebiet in Rielingshausen. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Kosten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Höhe getrieben wurden, damit wir Stadträte bei diesen angeblich bereits angefallenen hohen Kosten ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn wir bei dem Baugebiet Kreuzäcker jetzt die Reißleine ziehen“, griff Rößner die Rathausspitze scharf an. „Ich fühle mich von der Verwaltung getäuscht“, sagte sie.

Jeder Posten soll geprüft werden

Bürgermeister Jan Trost versicherte, nun jeden Posten exakt prüfen zu lassen und zu ergründen, ob er richtig verbucht wurde. Man habe aber definitiv nicht die Zahlen künstlich nach oben gerechnet und sei nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen, betont er auf Nachfrage. Er habe sich darauf verlassen, dass der zuständige Mitarbeiter die Liste seriös aufgestellt habe. Aus dem bloßen Überfliegen des Konvoluts aus Daten, Rechnungsnummern und Firmennamen sei nicht erkenntlich, was genau dahinter steckt. Und er habe unmöglich jeden der über 200 Vorgänge hinterfragen können.

Zurück auf null

Barbara Eßlinger meinte jedoch, dass man vor einer Klärung der Anschuldigungen und offenen Punkte keine Entscheidung zu dem Gebiet fassen könne. Das sei maßgeblich für die Beurteilung, ob es damit weitergehen soll oder nicht. Folglich machte sich die Grüne für eine Vertagung stark. Mit Erfolg, wie sich dann zeigte, sodass das Thema in der nächsten Sitzung erneut auf der Agenda stehen soll. Die Verschiebung dürfte Grünen, CDU, Puls sowie Rößner und Dieter Zagel auch aus strategischen Gründen zupasskommen. Denn bei der Zusammenkunft im März könnte diese Allianz vielleicht komplett am Tisch Platz nehmen, nachdem dieses Mal ein Puls- und ein Grünen-Vertreter fehlten. Sind die Linien geschlossen, gäbe es wohl eine sichere Mehrheit gegen die Fortsetzung des Baugebiets. Und das hatte das überfraktionelle Bündnis verdeutlicht: Da sich wegen hoher Grundstückspreise kaum in gewünschter Zahl Wohnraum für Otto Normalverbraucher schaffen lasse, wolle man lieber zurück auf null gehen, so der allgemeine Tenor. Wobei Hendrik Lüdke von Puls die Versiegelung der Fläche sogar rundheraus ablehnt. Freie Wähler und der Rest der SPD würden hingegen die Planungen gerne weiter vorantreiben, auch wenn die Stadt nur über eine Wohnbaufläche von 1,2 Hektar frei verfügen könnte. Mit dem Areal könne etwas gegen die Wohnungsnot unternommen werden, betonten Jürgen Schmiedel (SPD) und Martin Mistele (Freie Wähler).