Geißelt den Antisemitismus im Christentum: Der Historiker Julius Schoeps Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Der Vorstandsvorsitzende der Moses-Mendelssohn-Stiftung hat sich zum Auftakt der Woche der Brüderlichkeit sehr besorgt über die Bewahrung mit dem deutsch-jüdischen Kulturerbe.

stuttgart - Am 26. Mai 1933 wurde die Heinrich-Heine-Straße, eine noble Adresse in Halbhöhenlage, in Richard-Wagner-Straße umbenannt. Dabei ist es geblieben. Auch im Staatsministerium in der hier ansässigen Villa Reitzenstein hat man sich nie an der von Gauleiter Wilhelm Murr bevorzugten Adresse gestört. Dieser Umgang mit dem jüdischen Dichter (1797 – 1856) ist für Julius Schoeps bezeichnend für den seiner Ansicht nach hierzulande üblichen beklagenswerten Umgang mit dem deutsch-jüdischen Kulturerbe. „Es muss gesichert werden, ehe es für immer verschwindet“, fordert der Historiker, Politikwissenschaftler und Vorstandsvorsitzende der Moses-Mendelssohn-Stiftung anlässlich seines Auftritts zur Woche der Brüderlichkeit im Hospitalhof.

Verantwortung der nichtjüdischen Gesellschaft

Schoeps, von Susanne Jakubowski vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRGW) als „einer unserer Weisen“ gewürdigt, lässt keinen Zweifel daran, , dass diese Aufgabe heute in die Verantwortung der nichtjüdischen Gesellschaft fällt. Denn die deutschen Juden, die mit deutscher Herkunft, deutscher Sprache, deutschem Denken und Fühlen keine Identitätsprobleme gehabt hätten, gebe es nicht mehr: „Authentisches deutsches Judentum im Sinne eines Moses Mendelssohn existiert nicht mehr. Es ist in der Shoah ausgelöscht worden und kämpft seither mit dem Stigma der Heimatlosigkeit.“ Aus den deutschen Juden seien Juden in Deutschland geworden, die Probleme damit hätten, sich des deutsch-jüdischen Erbes anzunehmen.

Fezer: Antisemitismus darf keinen Boden gewinnen

Schoeps machte auch ganz klar, was er mit der Sicherung dieses Erbes meint: Für Kulturgegenstände aus jüdischem Besitz müsse der Provenienznachweis verpflichtend sein. Der Max-Reinhardt-Nachlass, bisher in den USA, gehöre nach Wien oder Berlin, ebenso habe der Nachlass von Walter Rathenau nichts in Moskau verloren. Selbst kümmern müssten sich die Christen auch um die Zeugnisse eines fundamentalen Antisemitismus sowohl im Neuen Testament wie auch in schmähenden Skulpturen – zum Beispiel die Judensau an der Kirche in Wittenberg – und Gemälden aus dem Mittelalter.

„Der Antisemitismus darf hier keinen Boden mehr gewinnen“, betonte Isabel Fezer, Bürgermeisterin und Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ). Der immense Verlust deutsch-jüdischer Kultur durch das NS-Regime mache sie wütend, bekannte sie. Dabei soll es nicht bleiben: Fezer will sich um die Renaissance der Heinrich-Heine-Straße bemühen und fand im Leiter des Stadtarchivs, Roland Müller, , sofort einen Mitstreiter.