Nach der Bestätigung des bisherigen Entscheidunggremiums könnte wieder Ruhe einziehen bei der jüdischen Gemeinde Württemberg. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Monate vor der Neuwahl der Repräsentanz entbrannte in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg ein heftiger Streit. Den hat das bisherige Entscheidungsgremium der Gemeinde für sich entschieden. Trotz oder gerade wegen der heftigen Anfeindungen.

Stuttgart - Bei der Neuwahl zur Repräsentanz der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) ist das bestehende Gremium bestätigt worden. Alle neun Mitglieder gehören diesem auch künftig an. Die Wahlbeteiligung unter den rund 2600 wahlberechtigten Gemeindemitgliedern lag laut IRGW bei 39 Prozent.

Das Ergebnis ist von besonderem Interesse, weil vor dem Urnengang ein alter Streit aufgeflammt war. Eine Gruppe um den Stuttgarter Unternehmer Martin Widerker hatte wegen eines Formfehlers die neue Gemeindesatzung von 2015 zu Fall gebracht. Daher musste ein Jahr früher, nicht erst im Herbst 2019, neu gewählt werden.

Gegenseitige Vorwürfe

Überdies warf Widerkehr dem dreiköpfigen Vorstand mit Barbara Traub, Michael Kashi und Susanne Jakubowski öffentlich Untreue vor. Daraufhin stellten die Angegriffenen Strafanzeige wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung bei der Staatsanwaltschaft. Der von Widerkehr und seinem an einer streng orthodoxen Richtung orientierten Kreis angezettelte Konflikt kann nun als entschieden gelten.

Barbara Traub, die bisherige Vorstandssprecherin, erhielt 613 Stimmen (bei insgesamt 1014 abgegebenen und 916 gültigen Voten), das sind 66,9 Prozent. Die Ergebnisse der Gewählten: Mikhail Itskov (543 Stimmen), Michael Kashi (530), Susanne Jakubowski (519), Elena Braginska (511), Bina Rosenkranz (493), Mihail Rubinstein (467), Claudia Marx Rosenstein (444), David Holinstat (427). Damit liegt der Anteil der Frauen in der IRGW-Repräsentanz mit fünf zu vier leicht über dem der Männer.

Früherer Landesrabbiner abgeschlagen

Die Kandidaten im Umfeld von Widerker mussten sich allesamt mit den nachfolgenden Plätzen begnügen. Bemerkenswert ist das Abschneiden des ehemaligen Landesrabbiners Netanel Wurmser, der erst im vorigen August in Ruhestand ging. Wurmser, der einer streng orthodoxen Glaubensrichtung angehört und in der Vergangenheit mit dem amtierenden Vorstand in Konflikt geraten war, konnte 218 Stimmen auf sich vereinigen und kam bei insgesamt 22 Bewerbern nur auf Platz 18. Traub sieht in dem Wahlergebnis eine Bestätigung der Arbeit der Repräsentanz. Die Vorstandssprecherin führt dies auch darauf zurück, dass das Gremium religiös „plural aufgestellt“ sei, die Orientierung der Mitglieder „von orthodox bis liberal“ reiche und diese stets um einen Konsens bemüht seien.

Verbindung mit den Zweigstellen

Nachdem man für Stuttgart mit Yehuda Pushkin einen neuen Ortsrabbiner gefunden habe, suche man nun einen mobilen Rabbiner für die Zweigstellen in Esslingen, Reutlingen, Heilbronn, Aalen, Heidenheim und Weingarten, zu denen man die Verbindung weiter stärken will. Ulm hat einen Ortsrabbiner. Zu den künftigen Aufgaben in Stuttgart gehöre die Weiterentwicklung der Schule, die derzeit nur eine Grundschule ist. Die IRGW hatte im Vorjahr 2848 Mitglieder, vor zehn Jahren waren es noch knapp 3300 gewesen.