Tor für Mexiko! Nein, da will keiner so richtig hinschauen. Foto: Lichtgut/Jan Reich

Vollbesetzte Straßencafés, genügend große Bildschirme, kein Regen – alles hat gepasst. Nur das Ergebnis nicht. Da kam beim Fußballpublikum am Sonntagabend wenig Freude auf.

Stuttgart - In der City schien alles bereit zu sein für ein großes Fußballfest, die gespannte Erwartung der Fans war mit Händen zu greifen. Wie leer gefegt die Königstraße, während sich vor jedem Café und jeder Lokalität die Fans dicht gedrängt vor den Bildschirmen versammelten. Über tausend waren es vor der Alten Kanzlei, dem Hotspot des Public Viewing in der City, wo für einen umgrenzten Bereich eine dreimal fünf Meter große LED-Leinwand das perfekte Großbild bot. Dicht gedrängt das Publikum vor allem außerhalb der Gittergrenze.

Das Spiel begann. Bierbecher wanderten über die Köpfe. Die Fans aber schienen nicht so richtig zu glauben, was ihnen dann von Jogis Jungs geboten wurde. Sparsamen Beifall gab es fast nur für den Keeper Manuel Neuer, wenn der mal wieder einen Ball sicherte. Die Bedienung wurde das Bier, dass sie durch die Gasse heranschaffte, immer schleppender los. Seltsam still wurde es in den Reihen, dann merklich unruhig angesichts der schnellen und gefährlichen Attacken der Mexiko-Kicker.

Beifall nur für Gomez und den Torwart

Damit hatten die Fans feines Gespür bewiesen, denn umgehend schossen die Mexikaner das Tor, das zum Sieg reichen sollte. Ein einziger Torschrei schallte da über die Köpfe der entsetzten Fans der deutschen Mannschaft hinweg. Maija war es, die junge Frau aus Kolumbien: „I go for Mexiko!“

Mohamad aber lächelte und machte sich keine Sorgen: „Später läuft die deutsche Maschine bestimmt.“ Als Prophet aber wird der Syrer wohl keine Karriere machen, denn auch in der zweiten Halbzeit gab es keinen Grund zum Jubeln, sodass der größte Beifall kam, als der VfB-Spieler Mario Gomez spät eingewechselte wurde. Zum Ende natürlich Daumendrücken, Zittern und Bangen. Vergeblich!

Fast gespenstisch, wie abrupt die Fans nach dem Schlusspfiff lautlos aufstanden und wie der Platz sich in Minutenschnelle leerte. Moritz war einer der wenigen, die noch sitzen blieben: „Nur die Ruhe!“, sagte der 28-Jährige, „es ist nur das erste Spiel gewesen. Da ist doch noch alles drin!“

Kroaten hatten Grund zum Tanzen

Dennis Shipley, der Geschäftsführer der Alten Kanzlei, der jedes Spiel zeigen wird, sprang ihm bei: „Das ist noch nicht vorbei! Klar, die Enttäuschung sitzt. Aber der deutsche Fan ist auch sehr verwöhnt. Warum soll es nicht doch noch ein Sommermärchen werden?!“ Für Maija ist es schon eines: „Ich bin so glücklich!“ Wenigstens sie hat Grund zum Feiern, und so trifft auch schon die Lage Bier ein, die sie für ihren Tisch bestellt hat.

Was für ein Kontrast aber zum Vorabend, als die kroatische Gemeinde an der Topas-Bar das Auftaktspiel ihrer Mannschaft zunächst leidenschaftlich verfolgte und nach deren Sieg dann die Theodor-Heuss-Straße zu Tausenden in eine einzige Partyzone verwandelte. Die maskierten Chaoten, die mit Pyrotechnik und wilder Böllerei das Fest schon beim zweiten Tor zu stören suchten, wurden bei ihrem nächsten Anlauf von der fröhlich feiernden und wie in Endlosschleife singenden Menge einfach aufgesogen. Noch weit nach Mitternacht hallte über die Theodor-Heuss-Straße der Massenchor voll heimatlicher Schlager: „Dal-ma-ti-o-ooo!“ Zeljsko aus Esslingen träumte am Samstag noch vom „Traumfinale Deutschland gegen Kroatien“. Man wird sehen.