Im Jahre 1991 sind die Eisbären in ihr damals neues Gehege gezogen Foto: Kraufmann

Ein kurzes Facebook-Video von Eisbärin Corinna hat der Wilhelma eine Welle der Kritik beschert. Direktor Thomas Kölpin wirft die Frage auf, ob es in Zukunft überhaupt noch Eisbären in dem Zoo geben wird.

Stuttgart - Eisbärin Corinna läuft hin und her, hin und her, hin und her. Seit ein zookritischer Internetnutzer das kurze Video im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht hat, prasselt heftige Kritik auf die Wilhelma ein. Fast 2,5 Millionen Mal wurde der Beitrag geklickt, Tierschützer laufen Sturm. Die Organisation EndZoo Deutschland spricht von „Verhaltensstörung“ und „Tierquälerei“. Während der Zoo wiederholt versichert, dass es dem Tier gut gehe, stellt Wilhelma-Direktor Thomas Kölpin zugleich die Frage, ob es künftig in der Wilhelma überhaupt noch Eisbären geben wird.

„Wir diskutieren, ob und wie es mit der Eisbären-Haltung weitergeht, wenn Corinna einmal stirbt“, sagte Kölpin am Freitag auf Anfrage. Die 25 Jahre alte Eisbärenanlage sei nur sehr schwierig zu verändern. Sie hänge mit der anderen Bärenanlage und der Klettertieranlage zusammen. Das Betonkonstrukt sei massiv in den Hang hineingebaut. Bei jeder Veränderung müsse die gesamte Anlage angepasst werden, erklärt Kölpin. Dies bedeute nicht nur einen extremen Eingriff in den Hang – es sei auch mit extrem hohen Kosten verbunden.

Kritiker sagen, das Gehege sei zu klein

Der Zoo habe einige „Baustellen“, macht der Direktor deutlich. Veränderungen schwebten den Verantwortlichen etwa bei den Elefanten, Nashörnern, Raubkatzen, Flusspferden und den Orang-Utan vor. „Das braucht Zeit und Geld.“ Corinna sei mit ihren 26 Jahren schon eine Eisbären-Seniorin. Rund 30 Jahre alt würden die Tiere. Deshalb müsse diskutiert werden, ob man in vier bis sechs Jahren weiter Eisbären halten wolle oder stattdessen vielleicht eine andere Tierart. Das wäre das Ende der Stuttgarter Eisbären-Ära, die mit Baby Wilbär ihre Glanzzeit hatte. „Eine Entscheidung gibt es dazu noch nicht“, macht Kölpin deutlich.

Auf das stereotype Verhalten der Eisbärin in dem kurzen Facebook-Video gab es heftige Reaktionen. „Man braucht kein Veterinärexperte zu sein, um zu erkennen , dass dieses Tier eine Verhaltensstörung aufweist! Ihr als Zoo habt die !!!PFLICHT!!! für das Wohl der Tiere zu sorgen...!“, schreibt der Filmer selbst. EndZoo-Vorsitzender Frank Albrecht kritisiert, die lebenslange Gefangenschaft Corinnas habe eine Verhaltensstörung ausgelöst, welche die Eisbärendame – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – nicht mehr ablegen könne . Mit 300 Quadratmetern reiner Landfläche sei das Gehege „lächerlich“ für ein Tier, das in der Natur rund 50 Kilometer pro Tag zurücklege.

Wilhelma: Eisbären sind Einzelgänger

Der Zoo dagegen versichert, Corinna gehe es „sehr gut“. Die Eisbärin zeige zwar manchmal über kurze Zeiträume Laufstereotypien, so Kölpin. Aber: „Es sind nur wenige Minuten. Sorgen würden wir uns machen, wenn sie das über Stunden jeden Tag machen würde.“ Das Facebook-Video sei gerade mal 39 Sekunden lang. Die längste Zeit über verhalte sich die Eisbärin völlig normal – schwimme, spiele, schlafe.

Die Anlage ist laut Kölpin mit mehr als 700 Quadratmetern rund doppelt so groß, wie dies die erst 2015 überarbeiteten Mindestanforderungen verlangen. Auch dass Corinna seit Antons Tod allein lebe, sei kein Problem, sagt der Direktor. Im Gegenteil: Eisbären seien Einzelgänger, die eigentlich nur zur Paarung zusammenfänden. In Corinnas Alter bedeute ein Männchen im Gehege nur Stress für sie.

Forderungen, das Tier in einen anderen Zoo mit einem größeren Gehege umzusiedeln oder gar auszuwildern, weist die Wilhelma ganz weit von sich. Das sei schon wegen des hohen Alters der Einbärendame undenkbar. „Wenn Sie ein Survivaltraining in der Wildnis planen, denken Sie doch auch nicht in erster Linie an Senioren“, erklärt Kölpin. Corinna habe nie gelernt, sich selbst Futter zu suchen. Zudem sei sie so sehr an Menschen gewöhnt, dass sie vermutlich schnell vor irgendeine Flinte käme.