Lange Schlangen beim Check-in und den Sicherheitskontrollen, dazu viele fehlende Koffer, im vergangenen Sommer herrschte teils ein großes Chaos an deutschen Flughäfen (Archivbild). Foto: IMAGO/Norbert Neetz/IMAGO/Norbert Neetz

Vor einem Jahr hatten viele Passagiere mitunter tagelang auf ihre Koffer warten müssen. An den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt und München steht der Passagieransturm zum Beginn der Sommerferien noch aus. Ist die Branche jetzt besser vorbereitet?

Der Flugverkehr nimmt weiter kräftig zu. Bahnt sich also wieder ein Kofferchaos wie im vergangenen Sommer an? Nach Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) haben Reisende das nicht zu befürchten. Airlines und Flughäfen hätten aus dem vergangenen Jahr viel gelernt und die ersten Bewährungsproben Ostern und soeben zum Ferienbeginn in Nordrhein-Westfalen bestanden, sagte BDL- Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow am Mittwoch in München.

Der Flugbetrieb der Lufthansa laufe deutlich stabiler und pünktlicher als im Vorjahr, sagte Airline-Chef Jens Ritter in Frankfurt. Den Härtetest über Pfingsten mit widrigem Wetter, einer gesperrten Landebahn und mehr als 390 000 Fluggästen an den Drehkreuzen Frankfurt und München habe die Lufthansa bewältigt.

Wie kam es zu dem Chaos 2022?

Vor allem wegen Corona. Anfang 2022 hatte es wegen der Omikron-Variante noch Reisewarnungen gegeben, im März wurden plötzlich alle Beschränkungen aufgehoben. Die sprunghaft steigende Nachfrage nach Flugreisen traf die Branche, die kurz zuvor noch im Stillstand war, unvorbereitet. Im Sommer 2022 kam es in Frankfurt, Düsseldorf und anderen deutschen Flughäfen zu teils chaotischen Zuständen und extrem langen Wartezeiten, da Personal zur Gepäckabfertigung fehlte. In München standen im Juli 2022 rund 3000 Koffer von Lufthansa-Passagieren zur Nachsendung – die Hälfte davon von anderen Flughäfen, die mit der Abarbeitung nicht mehr nachkamen. Auch beim Check-in und bei den Sicherheitskontrollen gab es an einigen Flughäfen sehr lange Schlangen.

Nach einer Auswertung des Airline-IT-Dienstleisters Sita wurden 2022 je 10 000 Gepäckstücken in Europa 176 fehlgeleitet oder verspätet ausgeliefert, in den USA nur 63, in Asien sogar nur 30. Warum die Europäer so schlecht abschnitten, werde immer noch untersucht - er habe keine Antwort, sagte von Randow. Laut Sita wurden weltweit 25,4 Millionen Koffer fehlgeleitet - für die Passagiere sehr ärgerlich, für die Branche sehr teuer: Jeder fehlgeleiteter Koffer koste die Airline bis zu 150 US-Dollar.

Was läuft jetzt besser?

Bei der Gepäckabfertigung gebe es keine großen Personallücken mehr: „Im Wesentlichen steht das Personal“, sagte von Randow. „Bei uns arbeiten zehntausende Angelernte“, sagte der BDL-Chef. Der Monatslohn liege bei annähernd 3000 Euro. Zusätzliches Personal sei aber nur noch außerhalb der EU zu finden. Viele Langzeit-Arbeitslose in Deutschland erfüllten nicht die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Qualifikation, Sozialkompetenz, Sprache und Gesundheit. Deshalb sei er froh über das neue Zuwanderungsgesetz.

Im vergangenen Jahr hatte die Branche noch versucht, rasch 2000 Arbeitskräfte aus der Türkei anzuheuern. Das scheiterte an den kurzen Fristen, Qualifikation und Deutschkenntnissen der Bewerber. Letztlich kamen nur rund 100 in München und in Nürnberg zum Einsatz.

Ein anderer großer Hebel für Verbesserungen ist die Technik. BDL-Wirtschaftsexperte Dirk Helf sagte, der Anteil der Online-Check-Ins sei in Deutschland inzwischen deutlich auf über 50 Prozent gestiegen. In München checken sich sogar rund 90 Prozent der Lufthansa-Passagiere selbst ein.

Bei den Sicherheitskontrollen vereinfachen und beschleunigen immer mehr CT-Scanner den Ablauf, weil weniger Handgepäck ausgepackt werden muss, um etwa Laptops oder Getränke zu prüfen. Das Bundesbeschaffungsamt habe sich schwer getan, aber „München war sehr vorneweg. Bayern hat einfach gesagt, wir machen einen Testbetrieb“, sagte von Randow. Getestet, aber wieder aufgegeben wurden in München von den Passagieren zu buchende Zeit-Slots für die Sicherheitskontrollen. Damit sei es auch nicht schneller gegangen, sagte ein Flughafensprecher.

Für den eigenen Betrieb habe die Lufthansa-Airline mehr als 1000 neue Leute eingestellt und automatisierte Prozesse vorangetrieben, sagte Ritter. Auch werde sehr darauf geachtet, dass der erste Flug am Morgen pünktlich startet, um nicht bereits mit Verspätungen in den täglichen Umlauf zu starten. Die Lufthansa strich für diesen Sommer auch tausende Flüge, um gemeinsam mit Flughäfen, Flugsicherung und Abfertigern einen stabilen Betrieb zu ermöglichen. Dafür stehen mehr Ersatzmaschinen und Reserve-Crews zur Verfügung.

Wo hapert es noch?

Mit der Pünktlichkeit sei man noch nicht ganz zufrieden, sagte Ritter. Bei der Gepäckausgabe sei die Automatisierung noch nicht sehr fortgeschritten, sagte Helf.

Wie entwickelt sich das Verkehrsaufkommen?

Die Lufthansa bietet im Sommer etwa 85 Prozent der Vorkrisen-Kapazität an. Randow sagte, auch die Auslastung der Maschinen steige. Das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland dürfte gut 10 Prozent über dem Vorjahresniveau liegen. Der Europa-Verkehr ohne die Zubringer zu den Drehkreuzen liege deutlich darunter - aber im Langstreckenverkehr sei Frankfurt schon bei 91 Prozent, München bei 83 Prozent. In München ist der Nordamerika-Verkehr schon seit einem Jahr stärker als damals, hier setzt die Lufthansa den Großraumflieger A380 ein.