Armin Laschet tritt als CDU-Vorsitzender ab. Die Nachfolgefrage ist bisher nicht beantwortet. Foto: dpa/Marcel Kusch

Wer wird Chef der CDU und vor allem: Wer entscheidet darüber? An diesem Samstag kommen 325 Kreisvorsitzende in Berlin zusammen, um über die Neuaufstellung der Partei zu beraten.

Berlin - Gleich welcher Strömung in der CDU man angehört, in einem dürften sich alle Mitglieder der Partei einig sein: Nach der historischen Wahlniederlage muss sich die Union neu aufstellen, wenn sie weiter eine Volkspartei bleiben und irgendwann im Bund wieder mitregieren will. Das gilt sowohl für die personelle Führung als auch für die inhaltliche Ausrichtung. Und natürlich hängt beides miteinander zusammen. Die CDU sucht nach ihrem Kompass.

 

Vertrauensverlust an der Basis

Zunächst einmal jedoch will die Partei sich darüber einig werden, wie sie das Verfahren auf dem Weg zu solchen Entscheidungen organisiert. Kein Wunder: Die CDU hat zwei Vorsitzendenwechsel binnen drei Jahren hinter sich, welche die Richtungsstreitigkeiten in der Partei nicht befrieden konnten, darauf folgte dann die umstrittene Entscheidungsfindung für die Kanzlerkandidatur Armin Laschets. Ungeklärte Verfahren, nächtliche Treffen in leeren Büros, Fraktionssitzungen mit Live-SMS an Medien – all das hat seine Spuren hinterlassen. Es gelte, so sagen viele, einen Weg zu finden, um den Vertrauensverlust an der Basis wettzumachen.

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Werden die Mitglieder befragt?

Fragen gibt es viele: Wer wird die Partei führen? Will man ein Team aufstellen, um die unterschiedlichen Strömungen zusammenzuführen? Gehören Partei- und Fraktionsvorsitz in eine Hand? Was ist mit den Frauen? Aber vor allem: Will man die Mitglieder befragen? An diesem Samstag treffen sich die 325 Kreisvorsitzenden der Partei in Berlin, um über all das zu sprechen, am Dienstag nach Allerheiligen will dann der Bundesvorstand auf einer Sondersitzung entscheiden, wie es weitergeht.

Im Vorfeld gibt es Stimmen und Argumente sowohl für als auch gegen eine Befragung, nach der sich ein Parteitag dann richten würde. Einen formalen Mitgliederentscheid sieht die Satzung nicht vor.

Verfahren alleine klären keinen Richtungsstreit

Skeptiker einer Mitgliederbefragung verweisen darauf, dass das Verfahren allein noch nicht dazu führe, eine Partei zu befrieden. Sie betonen auch, dass die Zeit für eine Neuaufstellung vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein drängt. Zudem könnte eine solche Befragung für die Bundesspitze ähnliche Verfahren auf Landes- und Kommunalebene nach sich ziehen – das würde teuer und vielleicht auch die Mitglieder bei ihrem Beteiligungswunsch überfordern.

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Ein Ratschlag hierzu kommt auch von der Schwesterpartei CSU. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hofft auf eine zügige Klärung der Führungsfrage. Es müsse alles daran gesetzt werden, die CDU-Regierungen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu halten, so Dobrindt. Daran müsse sich auch der Zeitplan ausrichten.

Gibt es einen Konsensvorschlag?

Als eine Möglichkeit, ohne Mitgliederbefragung und damit schnell zu entscheiden, deutet sich das an, was der Noch-Vorsitzende Armin Laschet schon bald nach seiner Wahlniederlage vorgeschlagen hat: Ein Konsensvorschlag für ein Team statt einer weiteren Kampfkandidatur. Über den Vorschlag würde dann der Parteitag abstimmen. Allerdings müsste solche ein Konsensvorschlag bereits am Samstag präsentiert werden, um die gefühlte Mehrheit für eine Mitgliederbefragung noch drehen zu können.

Und bisher hat keiner offiziell seinen Hut als Bewerber in den Ring geworfen, auch wenn natürlich potenzielle Kandidaten in Sicht sind. Dazu gehören die in der Partei inzwischen viel zitierten „katholischen Männer aus NRW“: Friedrich Merz, Jens Spahn und Norbert Röttgen haben Interesse erkennen lassen, Ralph Brinkhaus hat sich seine Stellung als Fraktionschef zunächst gesichert. Immer wieder wird auch der Name des Vizefraktionschefs Carsten Linnemann genannt.

JU will Mitgliederbefragung

Die Junge Union wirbt für eine Mitgliederbefragung. Wenn die CDU eine moderne Volkspartei und attraktiv für junge Mitglieder sein wolle, brauche sie dieses Instrument, sagt JU-Chef Tilman Kuban. Bei mehreren Bewerbern, wenn also Laschets favorisierte Konsenslösung nicht gelingen sollte, ist eine Befragung aus seiner Sicht ohnehin unumgänglich. „Die CDU befindet sich in einer Legimitationskrise unserer Gremien, weil das Damoklesschwert ’Es sei dreimal gegen die Basis entschieden worden’ über uns schwebt“, so Kuban. Dies lasse sich nur auflösen, wenn die Parteibasis sicher sein könne, dass ihre Meinung nicht nur gehört wird, sondern auch zählt.

Auch die Vizefraktionschefin Katja Leikert, selbst Kreisvorsitzende in Hanau, sagt, die Stimmungslage an der Basis sei klar. Sie fahre mit einem klaren Mandat nach Berlin. „Mehr als 80 Prozent unserer Mitglieder befürworten Mitgliederbefragungen sowohl beim Parteivorsitz wie auch im Vorfeld der nächsten Kanzlerkandidatur.“ An diesen Wünschen komme die CDU nicht mehr vorbei. „Dafür ist der Prozess schon zu weit fortgeschritten.“

Frauen wollen mehr Beteiligung

Die Frauenunion hat sich vor der Kreisvorsitzendenkonferenz zu einem eigenen digitalen Treffen entschlossen – denn nur 39 der 324 Vorsitzenden sind weiblich, weshalb man lieber ein eigenes Stimmungsbild einholen wolle, so die Vorsitzende Annette Widmann-Mauz. Sie pocht auf mehr Beteiligung von Frauen in Entscheidungs- und Führungsgremien. Bei einer Neuaufstellung dürften Frauen nicht nur „schmückendes Beiwerk“ sein, „so wie man noch ein paar Mandelblätter über den Kuchen streut“. Die Erneuerung der CDU werde nur mit Beteiligung der Frauen gelingen, das gelte auch thematisch. Als Beispiel nannte sie mehrere Themen, auf die die CDU im Wahlkampf keine Antwort gehabt habe – wie die Situation von Mini-Jobberinnen oder die Einteilung in Steuerklassen.