Ingeborg Märtin (hier im Alter von 84 Jahren) war eine freiheitsliebende Frau. Foto: Privat

„Meine Mutti war meine letzte Tote“, sagt die ehemalige Bestatterin Anita Märtin. Sie hat ihre Mutter selbst hergerichtet. Die fast 95-Jährige hatte sich kurz nach der Impfung noch mit Corona infiziert. Sie starb im Krankenhaus nach einer, wie die Tochter sagt, „unsagbar einsamen und zugleich schlimmen Leidenszeit“.

Gerlingen - Endlich geht es aufwärts, denkt Anita Märtin, als sie ihre Mutter Ingeborg Anfang Januar im Pflegeheim besucht. Die 94-Jährige ist wenige Tage zuvor gegen das Coronavirus geimpft worden. So sitzen sie sich an diesem Sonntag gut gelaunt und hoffnungsvoll im leeren Café des Pflegeheims auf Abstand und mit Maske gegenüber. Ingeborg Märtin ist an dem Sonntag geistig ungewöhnlich wach. Sie macht sogar einen Scherz, ob sie nicht etwas trinken wollen – dabei stehen da nur Flaschen mit Olivenöl. Und sie stellt eine Frage: Ob sie endlich aufgehört habe zu arbeiten, will sie von ihrer ältesten Tochter wissen. Ja, sie habe eine Nachfolgerin für ihr Bestattungsunternehmen gefunden, erzählt Anita Märtin. Da strahlt die Seniorin, und Anita Märtin hätte sie so gerne umarmt. Die letzte Berührung liegt so viele Monate zurück.