In 50 Minuten und mit 175 Bildern spannte Walter Bartelmess den Bogen von der Jungsteinzeit bis heute. Foto: Rüdiger Ott

Die Initiative schönes, attraktives Vaihingen hat einen Wanderführer vorgestellt. Zwölf Wanderwege und ein Radweg sind in dem Heft aufgelistet.

Stuttgart-Vaihingen - Die Geschichte eines Ortes in gerade einmal 50 Minuten erzählen zu wollen, klingt recht verwegen. Doch wenn das einer kann, dann ist das Walter Bartelmess, seines Zeichens Ortschronist und Kenner so ziemlich jeder Vaihinger Anekdote. Da lag es für die Macher des Wanderführers „Vaihingen zu Fuß erleben“ auf der Hand, ihn zur Vorstellung der Neuauflage einzuladen. Schließlich führen die Routen nicht nur durch die Straßen des Filderfleckens, sondern auch geradewegs durch seine Historie. Am vergangenen Freitag in der Alten Kelter schob Bartelmess auf Einladung der Initiative schönes, attraktives Vaihingen – kurz ISA – ein Diabild nach dem anderen durch seinen Projektor.

Die Geschichte Vaihingens ist untrennbar mit der Geschichte Esslingens verbunden. Im Jahr 1297 ging der kleine Ort in den Besitz der freien Reichsstadt über, die Kirche und der Friedhof gehörten erst den Gültlingern, später dann den Sindelfingern, die sich ihrerseits den Württembergern zugehörig fühlten. Sprich, das Gotteshaus nannte der Monarch sein Eigen, die Dorfschenke nebenan gehörte den freien Esslingern: Und beide lagen nicht selten im Clinch miteinander.

Doppelt belohnt

„Von 1297 bis 1557 waren die Vaihinger Kirche und der Friedhof gegen den Ort Vaihingen feindliches Ausland, ebenso waren die Kaltentäler bis 1802 sozusagen feindliche Ausländer“, sagte Bartelmess. „Und das dürfte wohl einzigartig sein.“ Vor Gott indes waren alle gleich. In den noch erhaltenen Kirchenbüchern aus jener Zeit sind die geborenen, heiratenden und verstorbenen Kaltentaler neben denen aus Vaihingen aufgelistet. Bei den Esslinger Hexenprozessen von 1662 bis 1665 freilich „war der Ausländerhass schon sehr greifbar“, sagte Bartelmess. Zwei Kaltentaler Schwestern, die sich nach Vaihingen verheiratet hatten, waren mit die ersten Frauen, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.

Spuren aus der Jungsteinzeit, Anzeichen alemannischer Besiedlung, das Mittelalter, die Industrialisierung und mit ihr der Wohlstand, der Einzug hielt, die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs, all das lässt sich auch zu Fuß erlaufen. Zwölf Wanderwege und ein Radweg sind in dem Heft der ISA aufgelistet. Gerhard Widmaier, Stefan Dehmel, Curt Günther, Antje Werner, Kristin Wedekind, Friedrich Ressel und der verstorbene Peter Bielek haben sich die Strecken ausgedacht.

So führt ein Spaziergang durch den Ortskern vorbei am Rathaus, dem alten Schulhaus und dem ältesten Fachwerkhaus Vaihingens, das 1531 gebaut wurde. Ein anderer Weg zur Schwälblesklinge führt am ehemals ausländischen Kaltental vorbei. Eine Route folgt dem historischen Verlauf des Nesenbachs, der längst unter der Erde dahinplätschert. Und wer vom Vaihinger Campus der Universität Stuttgart zum Katzenbachsee spaziert, wird dafür aus historischer Sicht gleich doppelt belohnt. „Dort, wo heute die Universität steht, war früher eine Keltenschanze“, sagte Bartelmess. „Und das Esslinger Haus ist der Katzenbacher Hof und gehört noch heute zu Esslingen.“