Aus der Hand welcher politischen Couleur stammt der Glühwein? Parteien dürfen in vielen Kommunen keinen Stand betreiben. Foto: dpa/Jens Kalaene

Dürfen Parteien auf Weihnachtsmärkten werben? Die Neutralitätspflicht von Kommunen vor den Wahlen am 9. Juni wird unterschiedlich gehandhabt.

Der Burgplatz in Marbach gilt als heimelige Kulisse für den Weihnachtsmarkt. Politik ist dort weniger erwünscht – doch der Blick auf die Kommunalwahl am 9. Juni hat die Sozialdemokraten der Schillerstadt die Werbetrommeln herausholen lassen. Aber: Die SPD-Granden haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Stadtmarketingverein erwirkte bei den Genossen das Löschen von Posts in den sozialen Medien, aus denen hervorging, man sei auf dem Weihnachtsmarkt vertreten.

 

Strenge Auslegung trifft 30 Jahre alten Stand der CDU in Leonberg

Wahlwerbung auf Märkten ist genehmigungspflichtig, mancherorts auf Weihnachtsmärkten gänzlich untersagt. Zuletzt hatte die Stadt Leonberg von sich reden gemacht. Sie folgte einem Aufruf des Böblinger Landrats Roland Bernhard, der die Kommunen an ihre „Pflicht zur Neutralität insbesondere in der Vorwahlzeit“ erinnert hatte. Die Stadtväter legten diese Vorgabe so streng aus wie der Kreischef und untersagten der CDU, in Höfingen einen Stand zu betreiben, wie es seit 30 Jahren Usus war. Sobald der Wahltag, also der 9. Juni, verkündet worden sei, beginne die Zeit der Neutralitätspflicht.

Nun liegt Leonberg nicht neben Marbach, doch die Neutralitätspflicht ist Swantje Hammer, der zweiten Vorsitzenden des Stadtmarketingvereins Schillerstadt Marbach (SSM), durchaus bekannt. „Wir mussten die Anfrage der SPD, sich präsentieren zu dürfen, aber vor allem deshalb ablehnen, weil sie sehr kurzfristig, etwa eine Woche vor dem Markt, kam“, sagt Hammer. Die Anmeldefrist sei schon Anfang November abgelaufen. Was die SSM-Vize ärgert: „Die SPD hat auf allen Kanälen gepostet, sie wäre auf dem Weihnachtsmarkt vertreten, ohne eine Antwort abzuwarten.“ Hammer bestätigt, dass die SPD-Vertreter einige soziale Medien nutzten und ihre Teilnahme dort vermerkten. Trotz der geballten medialen Aktion erkenne sie darin keinen Trotz, eher ein „Kommunikationsproblem“. Sie vermute eine zeitliche Überschneidung mit ihrer Antwort.

Der Marbacher SPD-Chef hängt den Vorgang nicht so hoch

Den ganzen Vorgang hängt Nikolai Häußermann, einer der Marbacher SPD-Ortsvorsitzenden, nicht so hoch. Angefragt habe man am 27. November: „Wir wollten nur bekannt geben, dass wir auf dem Weihnachtsmarkt vertreten und ansprechbar sind.“ Weil das aber wohl doch als Standbetrieb deutbar gewesen sei, habe der SPD-Ortsverein auf Anraten von Swantje Hammer die Formulierung im Internet wegen der politischen Neutralitätspflicht gelöscht. Angefragt habe man eben nicht wegen eines Standes, sondern nur wegen der Info, dass man präsent sei. Gepostet habe man, nachdem keine Antwort vom SSM bei der SPD angekommen sei. Der Landrat Dietmar Allgaier überlässt es den Kommunen, über die Neutralitätspflicht vor der Wahl Beschlüsse zu fassen. „Das ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung“, teilt ein Sprecher mit. Eine übergeordnete Verordnung gebe es nicht. „Gerade auch in kleineren Kommunen ist es nicht unüblich, dass sich Parteien wie Vereine beim Weihnachtsmarkt mit Ständen engagieren.“

Backen und Basteln lautet die Devise in Bietigheim-Bissingen

Die Kommunen gehen bei Weihnachtsmärkten durchaus unterschiedlich mit den Parteien um. So erlaubt die Stadt Bietigheim-Bissingen den Parteien, einen der zehn Stände für Vereine, Schulen und soziale Einrichtungen zu nutzen. „Die Stände werden im Wechsel betrieben“, sagt Anette Hochmuth, Sprecherin der Stadtverwaltung. Parteien dürften aber laut Marktsatzung keine Parteiwerbung betreiben, nur etwa mit Gebackenem oder Gebasteltem Präsenz zeigen. Ganz außen vor sind die Parteien auf dem Barock-Weihnachtsmarkt in Ludwigsburg. Die beiden Wechselstände dürften nicht von ihnen betrieben werden, erklärt Mario Kreh von Tourismus & Events Ludwigsburg.

Keine Probleme mit dem traditionellen Glühwein- und Punschstand der CDU beim Kinderweihnachtszauber am 16. Dezember hat das Citymanagement in Vaihingen an der Enz. „Der Stand ist seit vielen Jahren etabliert: Dort wird keine politische Werbung betrieben, es werden Getränke ausgeschenkt“, sagt Michael Eisinger, Vorsitzender des Citymanagements. Die CDU habe das auch immer getan, weil es sonst kein anderer machen wollte, berichtet der stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende der Partei.

Kornwestheimer CDU-Fraktionsvorsitzender ist ganz gegen Parteipräsenz

Ganz anders denkt Eisingers Parteifreund Hans Bartholomä, CDU-Fraktionsvorsitzender in Kornwestheim. „Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine besondere Zeit – die Parteien sollten auf den Märkten überhaupt nicht in Erscheinung treten.“ Der Budenzauber diene dazu, in weihnachtliche Stimmung zu kommen – aber dies werde durch Parteiwerbung gestört.

Wie Bartholomä scheinen auch die anderen politischen Gruppierungen zu ticken: „In jüngster Zeit gab es keine politischen Stände auf dem Weihnachtsmarkt“, berichtet Sandra Hennig, Pressesprecherin der Stadt Kornwestheim. Das werde sich an diesem Wochenende auch nicht ändern. Eine Richtlinie, wonach Parteien vor einer Wahl wegen der Neutralitätspflicht nicht auf dem Markt auftreten dürfen, gebe es nicht.

In Besigheim wirbt nur ein Bürgermeister-Kandidat für sich

Für sich werben – das werde auf dem Weihnachtsmarkt in Besigheim der Bürgermeisterkandidat Achim Schober, teilt Timo Kröll für den Veranstalter Mein Besigheim mit. Die Wahl findet am 21. Januar statt. Parteien seien auf dem Markt, der am 9. und 10.  Dezember stattfindet, nicht vertreten.

Worin fordert der Landrat Neutralität?

Zurückhaltung
Der Landrat Dietmar Allgaier sieht bei den Weihnachtsmärkten die Kommunen als zuständig an. Von seinen Beschäftigten im Landratsamt fordert er vor den Wahlen am 9. Juni politische Zurückhaltung und Neutralität. In einem Schreiben an die Kreistagsfraktionen fordert er von ihnen ebenfalls Zurückhaltung.

Konkretheit
Die Neutralität zeigt sich darin, dass Mitarbeitende des Landratsamts für Wahlveranstaltungen der Parteien vom 1. Januar 2024 bis zur Wahl nicht zur Verfügung stehen. Einzelne Wahlbewerber dürften Landkreiseinrichtungen nicht besuchen. Das Kreishaus stehe grundsätzlich nur für Veranstaltungen des Landratsamts oder des Kreistags zur Verfügung. Nicht möglich seien dort öffentliche Veranstaltungen von Parteien.