Der Bundestag in Berlin: Deutschland leistet sich eines der größten Parlament der Welt Foto: dpa

Der aufgeblähte Bundestag steht symbolisch für einen aufgeblähten Staat, kommentiert unser Autor Rainer Wehaus die Bemühungen um eine Wahlrechtsreform. Beim Geldausgeben sei die Politik deutlich schneller als beim Zurechtstutzen ihrer Pfründe.

Stuttgart - Zwei Meldungen vom Freitag (12. Oktober), die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sieht düstere Zeiten auf die Weltwirtschaft zukommen. „Die Party geht zu Ende“, sagte er auf einer Konferenz zum EU-Haushalt in Brüssel. Unterdessen stellte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in einem Interview eine Verkleinerung des Bundestages frühestens für das Jahr 2025 in Aussicht.

Milliardenkosten pro Jahr

598 Abgeordnete sollte der Deutsche Bundestag eigentlich haben. Tatsächlich sind es inzwischen 709. Laut Bundesrechnungshof wird das aufgeblähte Parlament den Steuerzahler allein nächstes Jahr rund eine Milliarde Euro kosten. Schon klar: Demokratie muss den Bürgern etwas wert sein. Und eine Änderung des Wahlrechts ist kompliziert. Das Schneckentempo aber, mit dem die Politik an das Zurechtstutzen ihrer eigenen Pfründe geht, ist schon erschreckend. Beim Geldausgeben ist man deutlich schneller.

Deutschland feiert weiter

Das nämlich ist das Problem mit dem aufgeblähten Bundestag. Er steht symbolisch für einen aufgeblähten Staat. Laut einer neuen Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) lebt Deutschland stärker über seine Verhältnisse als die meisten anderen Länder – wenn man auch Dinge wie die Beamtenpensionen mit berücksichtigt. Und tatsächlich wurde hierzulande in den vergangenen Jahren bei sprudelnden Steuereinnahmen massiv Personal aufgestockt, noch mehr Bürokratie geschaffen und die Sozialausgaben auf immer neue Rekordhöhen getrieben, ohne dass die Klagen über Armut weniger geworden wären. Die Infrastruktur verlottert derweil weiter, der Bürger kriegt immer weniger für sein Geld. Vorsorge für schlechte Zeiten? Fehlanzeige. Die Party mag zu Ende gehen, Deutschland feiert weiter. Das gibt ein böses Erwachen.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de