Lotte Hörner hat das Bombardement im Keller erlebt. Foto: Annegret Jacobs

Lotte Hörner war 13 Jahre alt, als Vaihingen zum ersten Mal bombardiert wurde. Bunker gab es damals kaum, zusammen mit ihrer Familie floh sie in den Keller. Durch den Drcuk der Bomben barsten alle Scheiben, ansonsten blieb das Haus unversehrt.

Vaihingen - Vergangene Woche erreichte ein Anruf die Redaktion der Filder-Zeitung: Lotte Hörner aus Vaihingen, 83 Jahre alt, meldete sich. Vor 70 Jahren, in der Nacht vom 22. November auf den 23. November, wurde Vaihingen von der britischen Luftwaffe bombardiert. Eigentlich war Stuttgart das Ziel gewesen. Doch weil der Talkessel im Nebel lag, warfen die Flieger ihre Bomben über dem Süden der Stadt ab. Am heftigsten betroffen waren die Bezirke Vaihingen und Möhringen und die Ortschaften auf den Fildern. „Ich kann mich noch genau erinnern“, sagte Hörner.

Der 22. November 1942, die Nacht zu Totensonntag, schien wenig spektakulär zu Ende zu gehen. „Es war ein eintöniger Tag gewesen“, erinnert sie sich. „Es hatte geregnet, so wie heute.“ Hörner, hörte damals noch auf ihren Mädchennamen Häberle, war 13 Jahre alt und lag bereits im Bett. Und dass, obwohl keine 500 Meter von ihrem Zuhause in der Herrenberger Straße, damals Bahnhofstraße, ihre beiden Onkel im Gasthof Adler Geburtstag feierten. Lotte Hörner weiß nicht mehr, warum ihre Familie nicht auf der Feier war. In jedem Fall: Schlaf sollte sie in dieser Nacht genauso wenig bekommen.

„Gegen 22 Uhr hörten wir den Fliegeralarm“

„Gegen 22 Uhr hörten wir den Fliegeralarm.“ Hastig packte die Familie das Nötigste zusammen und rannte in den Keller des Hauses. Bunker gab es damals noch kaum, und der Bierkeller der Schwabenbräu-Brauerei lag zu weit weg. 17 Stiegen musste man auf einer steilen Leiter nach unten klettern, das weiß die 83-Jährige noch. Schließlich sollte diese Nacht nur der Anfang sein.

„Bald haben wir bestimmt drei oder vier Nächte pro Woche im Keller verbracht“, sagt Hörner. In den später gebauten Bunker am Vaihinger Aquädukt lief die Familie nie. „Ich hatte zwar geholfen, die Grube dafür auszuheben, aber der Bunker war einfach zu weit weg“, sagt Lotte Hörner. Außerdem hatte irgendjemand vom Amt den Keller im Haus der Häberles geprüft und als „bombensicher“ befunden. Hörner schüttelt heute den Kopf darüber: „Ich glaub’, wenn da eine Bombe drauf gefallen wäre, wären wir alle tot gewesen.“

Zwischen Sauerkrautfässern und Eiern

Die erste Bombennacht war zugleich die schlimmste. Vier Familien aus dem Haus, darunter drei Säuglinge, hockten dicht an dicht im Vorratskeller zwischen Sauerkrautfässern und Eiern. „Wir haben die Bomben pfeifen hören“, schildert Hörner. Stundenlang, so kam es ihr vor, brauste und heulte der Himmel von den Angriffen der britischen Luftwaffe. Eine Bombe ließ die Scheiben im gesamten Haus bersten. „Aber wir hatten noch Glück“, sagt Lotte Hörner, „unser Haus wurde nicht zerstört.“

Dabei sei eine Brandbombe auf dem Dachboden aufgeschlagen. „Einer der Männer aus dem Haus hat sie im letzten Moment nach draußen werfen können“, meint sich Hörner zu erinnern. Sonst hätte wohl auch ihr Zuhause in der Bahnhofstraße Feuer gefangen.

Als der Angriff vorbei war, lief die Familie zu den beiden Onkeln hinüber. Die Geburtstagsfeier war längst vorbei. Die Onkel hatten in der Seerosenstraße eine Malerwerkstatt. „Wir liefen über die Hauptstraße, auf beiden Seiten brannten die Häuser“, schildert Hörner. „Durch die Hitze entstand ein unheimlicher Sog.“

Stuttgarter Völkerwanderung

Auch den Morgen danach hat die 83-Jährige noch gut in Erinnerung. Jeder habe geschaut, wie er die Schäden beseitigen konnte. „Es musste ja irgendwie weitergehen.“ Am späten Vormittag hatte dann das eingesetzt, was Lotte Hörner die „Stuttgarter Völkerwanderung“ nennt. In Scharen seien die Menschen aus der Innenstadt herauf gekommen. „Ganz Stuttgart hat geschaut, wie es in Vaihingen aussah“, sagt Hörner. „Die hatten zu dem Zeitpunkt ja noch nichts abbekommen.“