An Heiligabend vor 125 Jahren fuhr zum ersten Mal die Filderbahn zwischen Möhringen und Neuhausen. Die heutigen Filderstädter Ortsteile profitierten stark. 1955 wurde der Personenverkehr eingestellt. Mit der S-Bahn-Verlängerung erlebt die Trasse ein Comeback.
Viele Menschen warten drauf. Der Beschluss, die S-Bahn über Bernhausen hinaus nach Sielmingen und schließlich Neuhausen zu verlängern, ist längst gefasst. Läuft alles nach Plan, können die Bauarbeiten im Sommer 2023 beginnen. Die Inbetriebnahme der Linie ist für Ende 2027 angedacht. Für Filderstadt wird sich dann gewissermaßen auch ein Kreis schließen. Denn vor genau 125 Jahren fuhr schon mal ein Zug über Bernhausen und den Haltepunkt Sielmingen nach Neuhausen.
An Heiligabend 1897 nahm die Filderbahn von Möhringen über Echterdingen und die heutigen Filderstädter Ortsteile nach Neuhausen ihre Fahrt auf. Nicht mal ein Jahr lang, von Frühjahr bis eben Weihnachten 1897, dauerte der Bau der Schmalspurbahn. „Faktisch war es nur eine Verlängerung der 1888 erbauten Bahn Degerloch-Möhringen“, heißt es im aktuellen Faltblatt zur Filderstädter Sonderausstellung „125 Jahre Filderbahn“. „Die hat unheimlich viel bewirkt“, sagt der Stadtarchivar Nikolaus Back, der die Schau konzipiert hat. Viele konnten fortan in Stuttgart arbeiten, vor allem im Baugewerbe. „Das hat bewirkt, dass plötzlich Geld im Ort war“, sagt er. Vor allem Sielmingen wuchs um den damaligen Haltepunkt. „Rings um den Bahnhof sind um 1900 viele Häuser entstanden, das ist auffällig“, erklärt Nikolaus Back. Auch der Tourismus bekam einen Schub. Viele Stuttgarter nutzten die Filderbahn, um nach Bernhausen zu fahren und von dort zum Uhlbergturm zu wandern. Doch auch diesen Tourismus gab es: Als im August 1908 das Luftschiff Zeppelin in Echterdingen notlandete, reisten etliche Schaulustige mit der Bahn an, um das Spektakel zu sehen – erst recht, als am gleichen Tag der Zeppelin durch ein Gewitter Richtung Bernhausen trieb und dort in Flammen aufging. „Schon damals gab es Katastrophentourismus“, heißt es in Nikolaus Backs Aufschrieben zu der Ausstellung. „Da gab es Zigtausende Zuschauer aus Stuttgart und Umgebung“, berichtet er aus den Quellen.
Bis 1983 waren Güterzüge auf der Strecke unterwegs
Menschen nutzten die Filderbahn bis 1955, dann wurde der Personenverkehr eingestellt, „weil Busse schneller waren“, sagt er, auch bekamen Autos immer mehr Bedeutung. Kraut und Milch wurden über die Filderbahn ebenfalls verladen, und auch beim Bau der Autobahn und des Flughafens in den 30er Jahren kam der Filderbahn eine große Bedeutung zu. „Durch die Nähe zum Flughafen sind im Zweiten Weltkrieg in Bernhausen Bomben verladen worden“, erklärt Nikolaus Back. Industriegebiete haben sich entlang der Trasse gebildet. Noch bis 1983 war auf der Strecke etwas los, allerdings waren nur noch Güterzüge unterwegs, danach wurde der Verkehr ersatzlos eingestellt. Am 28. Mai 1983 fuhr schließlich der letzte Güterzug der Filderbahn vom Bahnhof Bernhausen ab.
„Danach wurden auch die Gleise abgebaut“, sagt Nikolaus Back. Das historische Bahnhofsgebäude von 1897 steht indes noch immer. Es ist inzwischen das letzte seiner Art auf den südlichen Fildern. Seit dem Jahr 2001 hat Bernhausen wieder eine ständige Zuganbindung über die S-Bahn-Linie 2 in die Landeshauptstadt.
Heute ist die Ex-Filderbahn-Strecke nach Neuhausen ein Radweg. „Der ist sehr beliebt, weil es die kürzeste Verbindung ist mit wenig Steigung“, sagt Nikolaus Back. Bald aber wird der Radweg wieder Schienen weichen. Die alte Filderbahn-Trasse wird für die S-Bahn-Verlängerung streckenweise reaktiviert. „Interessant ist, dass schon 1897 eine Verlängerung bis Esslingen im Gespräch war“, sagt Nikolaus Back. Ein Wunsch, den bis heute viele Lokalpolitiker hegen.
Sonderschau im Heimatmuseum
Ausstellung
Die Sonderausstellung „125 Jahre Filderbahn“ ist noch bis 29. Januar im Stadtmuseum in Bonlanden zu sehen. Gezeigt werden Fotos, alte Pläne und Tickets, Modelle, diverse Eisenbahner-Utensilien und vieles mehr. Etliche Exponate hat der Modell-Eisenbahn-Club aus Bernhausen als Leihgaben zur Verfügung gestellt.
Öffnungszeiten
Geöffnet ist das Haus an der Klingenstraße 19 sonntags zwischen 13 und 17 Uhr, ebenso am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag. Eintritt kostenlos.