An Weihnachten wird auch die Veitskapelle in Mühlhausen wieder gut besucht sein Foto: Max Kovalenko

Entgegen dem Trend sind an Weihnachten die Kirchen in Stuttgart wieder voll. Während in Deutschland zwei Drittel keinen Gottesdienst besuchen wollen, rechnen die Stadtkirchen mit vollen Häusern. „An Weihnachten sind unsere Gottesdienste sehr gut besucht“, sagt Stadtdekan Hermes.

Stuttgart - Umfragen sind oft meinungsbildend. Manchmal können sie einen auch ganz schön erschrecken. Wie zuletzt eine You-Gov-Befragung zum Thema Weihnachten und Kirche. Demnach verweigert sich die Mehrheit der Bürger in diesem Land selbst an Weihnachten der Kirche. Mehr als zwei Drittel (61 Prozent) wollen an keinem Tag an Weihnachten einen Gottesdienst besuchen. Elf Prozent sind noch unschlüssig. Und 28 Prozent wollen in jedem Fall in die Kirche.

Zahlen, die für Stuttgart offenbar nicht gelten. Deshalb sieht der katholische Stadtdekan Christian Hermes auch nicht den Untergang des Abendlandes kommen. „An Weihnachten sind unsere Gottesdienste sehr, sehr gut besucht“, sagt Hermes und ergänzt: „Wenn es überhaupt Tage gibt, an denen die Kirchen überfüllt sind, dann die mit den Weihnachtsgottesdiensten. Wir können uns also überhaupt nicht beklagen.“

Von Rückgang keine Spur

Von Rückgang keine Spur, meint das katholische Kirchenoberhaupt der Stadt: „Bereits die Adventsgottesdienste waren sehr gut besucht. Das hat mich sehr gefreut.“

Gleiches Bild bei den Protestanten: „Ich glaube, die erwähnte Umfrage ist nicht repräsentativ für Stuttgart“, sagt Stuttgarts Medienpfarrer Christoph Schweizer, „wir freuen uns an Weihnachten auf volle Kirchen und auf wunderbare Angebote für unterschiedliche Städter.“

Christoph Schweizer verweist in diesem Zusammenhang auf ein breites Angebot der Evangelischen Kirche in Stuttgart: „Morgens, mittags, abends, Christmette der Jugend, Festgottesdienst mit großer Musik in der Stiftskirche, Gottesdienst mit Flüchtlingen in Obertürkheim am 26. Dezember , viele Krippenspiele am Heiligabend-Nachmittag, Gospelmette in Bad Cannstatt um 23 Uhr, das Weihnachtsoratorium verteilt auf drei Gottesdienste in der Vaihinger Stadtkirche und viele mehr!“ Dabei verlässt sich Schweizer nicht auf sein Bauchgefühl. Er hat am Beispiel des Gottesdienst-Besuchs an Heiligabend im Dekanatsbezirk Degerloch gerechnet. Sein Ergebnis: Im Vorjahr wurden – bei 42.462 Gemeindegliedern in dem Bereich – 17 321 Gottesdienstbesucher gezählt. Heiligabend gehört zu den wenigen Zähltagen, an denen der Mesner die Gottesdienstbesucher zählt. Im Bereich Degerloch entspricht das Ergebnis dieser Zählung einer Quote von 40,8 Prozent. „Das liegt nicht nur weit über der Quote dieser Umfrage für Deutschland“, sagt Christoph Schweizer, „das liegt auch über dem landeskirchlichen Schnitt von 36,5 Prozent.“

Stuttgarter halten christliche Werte hoch

Weihnachten ist und bleibt also ein Fest, das Stuttgarter mit christlichen Traditionen und Werten hochhalten. Von allgemeiner Kirchenmüdigkeit keine Spur. Diesen Trend dokumentieren auch die neusten Austrittszahlen. 2014 gab es in den Innenstadtbezirken 1089 Austritte und 63 Eintritte. 2015 waren es in den Innenstadtbezirken 823 Aus- und 50 Eintritte. Damit schrumpfte die Zahl der Gemeindeglieder in ganz Stuttgart von 158.704 im Jahr 2013 auf 155.555 im Jahr 2014.

Die Katholische Kirche in Stuttgart erwischte es noch stärker. 2014 zählte sie 2240 Austritte. Damit sind es noch 145.700 Kirchenmitglieder. Davon nehmen im Schnitt 13.370 regelmäßig an einem Gottesdienst teil – was einer Quote von 9,18 Prozent entspricht. „Stuttgart ist mit dieser Quote ganz gut dabei“, sagt Christian Hermes, „auch wenn es natürlich mehr Gottesdienstbesucher sein dürfen.“ Doch der katholische Stadtdekan schielt längst nicht nur auf die Quantität. „Die volkskirchliche Besucher- struktur hat sich stark verändert“, sagt Hermes. Die Zeiten, in denen Menschen aus gesellschaftlichem Druck in die Kirche gehen, seien in der Stadt längst vorbei: „Keiner kommt mehr, weil er kommen und gesehen werden muss.“ Bedeutet: Diejenigen, die heutzutage den Gottesdienst besuchen, sind Überzeugungstäter. Das ist Christian Hermes nicht unrecht – es soll jedem ein Herzensbedürfnis sein: „Man kann sowieso keinen Anspruch erheben, dass ganz Stuttgart in die Kirche kommt. Diejenigen, die kommen, wollen feiern. Auch an Weihnachten.“