Volker Lösch Foto: Kern

 Volker Lösch inszeniert "Metropolis/The Monkey Wrench Band" mit Stuttgart-21-Gegnern.

Stuttgart - Für das Schauspiel Stuttgart inszeniert Volker Lösch "Metropolis/The Monkey Wrench Gang" mit Schauspielern und Stuttgart-21-Gegnern. Die Premiere in der Arena der Niederlassung Türlenstraße ist an diesem Samstag um 19.30 Uhr.

Herr Lösch, Sie bringen Edward Abbeys Roman "Die Monkey Wrench Gang" auf die Bühne, Teile aus dem Film "Metropolis" und einen Bürgerchor. Wie passt das zusammen?

Es ist der Versuch, sich von verschiedenen Seiten einem Thema zu nähern.

Welchem?

Wie gehen wir mit unserer Zukunft um, und wie sieht unser Fortschrittsbegriff aus. Es geht um diese Fragen, die zunehmend diskutiert werden, und um die in der Stadt spürbare Lust, sich mit politischen Themen zu beschäftigen, sich einzumischen und, wie die Landtagswahl in Baden-Württemberg gezeigt hat, auch erfolgreich sein zu können.

Der S-21-Widerstand agiert gewaltlos, anders als die Figuren in dem Roman.

Ja, ihr großes Ziel ist es, einen Staudamm wegzusprengen. Sie sind chaotisch, anarchistisch, sie wollen zerstören, was ihrer Meinung nach die Welt zerstört. Das ist ein knallharter Zugriff. Der Bürgerchor aus Stuttgart-21-Gegnern kann konkreter und intellektueller erfassen, wie Widerstand aussieht. Ob die Menschen hier friedlich bleiben werden, weiß ich nicht. Es liegt mir fern, etwas zu forcieren. Aber eine wichtige Frage wird sein, wie sich der zivile Widerstand weiterentwickelt. Und das sind Themen, die wir motivisch anreißen.

Und wo bleibt Fritz Langs Film "Metropolis"?

In unserer Lesart kommt die Sicht aufs Soziale in dem Film aus einer elitären Ecke. Die Figurenstandpunkte ähneln prototypischen Politikerhaltungen. Wir hatten den Filmstoff ursprünglich gewählt, um von Gruppen zu erzählen, deren berechtigte Fragen nicht gehört werden. Nun hat sich die Situation im vergangenen Jahr grundlegend geändert. "Metropolis" eignet sich aber noch gut, um Standpunkte zur Welt, zur Politik, zum Kräfteverhältnis Arm/Reich, zu Macht und Ohnmacht zu beleuchten und mit der kraftvollen Sprache eine andere ästhetische Ebene in den Abend zu implantieren.

Sie sind mit Bürgerchören bei Demonstrationen gegen Stuttgart 21 aufgetreten. Fließt das in die Arbeit ein?

In der Stadt agiert man aus dem Moment heraus, da habe ich keinen künstlerischen Anspruch, wobei der Schritt nach draußen nicht groß, ein wechselseitiger Durchdringprozess ist. Es hilft, dass ich inhaltlich im Stoff stehe.

Sind die Wirkungen auf der politischen Bühne nicht stärker als in der Kunst?

Die Verantwortung ist eine völlig andere. Ich war nach dem 30. September der erste Redner und stand vor mehr als 130.000 Menschen, habe die ungeheure Anspannung gespürt. Es geht dann darum, die richtigen Worte zu finden und politische Inhalte zu verhandeln, das wird natürlich auch so erwartet. Im Theater sind die Menschen zunächst einmal auf einen Kunstgenuss aus.

Das klingt, als hielten Sie wenig von Kunst?

Nein, aber was mir zuwider ist, ist L'art pour l'art. Kunstveranstaltungen, die sich selbst genügen, die selbstgefällig um sich selber kreisen. Auch Kritiker gehen dem immer wieder auf den Leim. Es ist schwer und anspruchsvoll, konkrete Anbindungen an Literaturen zu schaffen. Nichts gegen Differenziertheit, aber Theater ohne Haltung ist langweilig.

Zu Stuttgart 21 gibt es fast täglich neue Entwicklungen. Wie reagieren Sie darauf?

Es geht nicht primär um Stuttgart 21. Aber sagen wir so, das Projekt darf gern aufgegeben werden, aber bitte nicht vor der Premiere. Für die nächsten zwei Tage bin ich S-21-Befürworter.

Wie geht es weiter?

Ich inszeniere in Uruguay "Antigone" mit Schauspielern und einem Chor aus Frauen, die die dortige Militärdiktatur im Gefängnis verbracht haben. Es geht um das Verhältnis von Staat und Individuum, in Uruguay gibt es noch ein Amnestiegesetz für diese Zeit.

Erscheint einem da nicht der Streit um einen Bahnhof vergleichsweise harmlos?

Man muss das lokal sehen, die Themen sind nicht austauschbar, außerdem geht es ja längst nicht mehr um einen Bahnhof, sondern um die zukünftige Ausgestaltung von Demokratie, und das ist auch ein schwergewichtiges Thema. Der existenzielle Druck der Leute gegen Stuttgart 21 ist auch groß.

Die S-21-Befürworter sehen sich ebenfalls unter Druck gesetzt.

Natürlich stresst das alle Beteiligten. Es geht ja um einen richtigen Streit. Aber es wird auch versucht, den Widerstand zu kriminalisieren. Lügenpack ist kein nettes Wort und so in E-Mails beschimpft zu werden auch nicht. Doch mehr ist glaube ich nicht. Ich denke eher, das Projekt zerfällt derzeit in seine Einzelteile.