Die Kameras sind seit Ende Mai 2022 in Betrieb. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nach einer kontroversen Diskussion stimmt der Verwaltungsausschuss dem weiteren Betrieb der Videokameras in der Stuttgarter City zu. Die Polizei erwägt weitere Nutzungen.

Wenn nachts dunkle Gestalten üble Taten begehen, dann wachen 30 zusätzliche Augen des Gesetzes über die Stadt: So viele Videokameras sind seit eineinhalb Jahren in der Innenstadt eingesetzt. Und sie sollen dort auch weiterhin hängen und filmen, zumindest in den Nächten der Wochenenden und vor Feiertagen. Dem hat der Verwaltungsausschuss des Stuttgarter Gemeinderats am Mittwoch zugestimmt. Trotz einiger äußerst scharfer Kritiker kam eine Mehrheit dafür zustande.

 

Wo stehen die Kameras?

Die 30 Kameras sind an den Standorten im Oberen Schlossgarten, am Schlossplatz, am Kleinen Schlossplatz sowie an den Zu- und Ausgängen der Stadtbahnhaltestelle Schlossplatz installiert. Davon sind acht Stück Detailkameras, 22 fertigen Übersichtsaufnahmen an. Während der Betriebszeit in besagten Nächten sitzen zwei Videobeobachtende im Führungs- und Lagezentrum der Polizei (FLZ) am Pragsattel und schauen live auf die Bildschirme.

Zu welchen Einsätzen kam es aufgrund der Bilder?

In den 43 Nächten, über die der Polizeipräsident Markus Eisenbraun in der Ausschusssitzung am Mittwoch berichtete, wurden „51 konkrete Vorkommnisse im videobeobachteten Bereich“ registriert. Darunter war auch ein Auftritt einer Gruppierung, die im Rahmen der Schuss-Serie in der Region von sich reden machte: 30 Personen, die einer dieser Gruppierungen zugerechnet werden, zogen am 11. August „in Formation“ über die Königstraße. Eisenbraun nannte dies eine „Machtdemonstration“ und zeigte auch die Aufnahme davon – um zu erläutern, warum man diese Personen leichter mit der Kamera entdeckt, als es die Einsatzkräfte auf dem Schlossplatz können, die weniger als 20 Meter daneben zu sehen waren: Diese seien konzentriert mit einer Kontrolle beschäftigt gewesen. Auf dem Bildschirm hingegen habe man gesehen, wie die Formation durch die Fußgängerzone zog.

In der Nacht zum Samstag, 23. September, konnte die Polizei einen Räuber festnehmen, der zwei Opfer mit Messerstichen verletzt hatte. Die Videobeobachtenden hatten den Überfall gesehen und Kolleginnen und Kollegen alarmiert.

Auch bei einem Rettungseinsatz konnte die Polizei aufgrund der Aufnahmen unterstützen. Im Juni meldeten Anwohner an einem Samstag in den frühen Morgenstunden, eine Frau sei nach dem Konsum zweier Pillen zusammengebrochen. Es stimmte aber die Ortsbeschreibung nicht. Auf den Bildschirmen war die Frau zu sehen, die nahe der Königsbaupassage lag. Sie habe dadurch schneller gerettet werden können.

Wie bewertet die Polizei die Kameranutzung?

Der Polizeipräsident Markus Eisenbraun nennt die Videobeobachtung in der City „ein sehr gutes zusätzliches Einsatzmittel für uns“. Die Polizei könne damit frühzeitig einschreiten, wenn sie „Bewegungen erkenne“, und habe so auch Straftaten verhindern können. Eisenbraun ist auch der Meinung, durch dieses Einschreiten zur Besserung des subjektiven Sicherheitsempfindens beigetragen zu haben.

Gibt es weitere Pläne?

Die Polizei lässt aktuell untersuchen, ob die Kameras während der Fußball-Europameisterschaft 2024 in größerem Umfang als im Regulärbetrieb genutzt werden können. Aktuell sieht es der Datenschutz vor, dass weder bei Veranstaltungen noch bei Demonstrationen gefilmt werden darf. Ob die Gefährdungslage groß genug sei, um den Betrieb auszuweiten, hänge unter anderem davon ab, welche Spiele in Stuttgart stattfinden werden.

Wie positionieren sich die Fraktionen?

„Der Vortrag des Herrn Eisenbraun sagt alles aus“, resümierte Markus Reiners (CDU). „Unser Ziel ist auch eine sichere und friedliche Innenstadt. Wenn wir etwas durch solche Maßnahmen besser machen, dann ist es gut“, fügte er hinzu.

Auch Rose von Stein (Freie Wähler) signalisierte Zustimmung: „Wenn Straftaten begangen werden, dann sollten sie auch verfolgbar sein, und dafür braucht man Beweise“, sagte sie. Und Beweise liefere die Videobeobachtung, deren Aufnahmen 72 Stunden lang gespeichert werden.

Dejan Perc (SPD) sagte, seine Fraktion werde nicht einheitlich abstimmen. Es gebe aber eine Mehrheit für die Fortführung in den Reihen der Sozialdemokraten. „Die Skepsis bleibt, wir sind grundsätzlich sehr dafür, Menschen und Bürgerrechte nicht zu beschränken. Es müssen gute Gründe vorliegen, um dem zuzustimmen“, sagte Perc.

Florian Pitschel (Grüne) nannte die Auswertung „keinen Grund zum Jubeln. Wir wollen keine Überwachung in der Stadt, weil sie alle Personen erfasst, völlig egal, ob freundlich und entspannt oder aggressiv. Sie haben aber dargestellt, was die Videobeobachtung für Sie leistet“, sagte er zum Polizeipräsidenten. Schon bei der Einführung hatte es bei den Grünen Gegner und Befürworter gegeben.

Stefan Urbat (Piraten) sagte: „Wir sind dagegen.“ Die von der Polizei genannten Beispiele nannte er „einen Treppenwitz“. Er ging noch weiter: Junge Männer hätten sich schon immer geprügelt, das würde man nicht verhindern können.

Matthias Oechsner (FDP) bleibt ebenfalls Zweifler: Er werde sich enthalten, kündigte er an. „In der Vorlage steht nicht drin: Das ist ein Mittel, das unsere Innenstadt sicherer macht“, sagte er.

Ina Schumann (Die Partei) äußerte Zweifel, dass die Kameras zu einem besseren subjektiven Sicherheitsempfinden beitragen würden. „Sie sagen ja, sie würden kaum wahrgenommen – wie können die Kameras da helfen?“ fragte sie.

Luigi Pantisano (Die Linke) warf der Polizei einmal mehr Rassismus bei ihrem Vorgehen vor. Eisenbraun habe von einer „problematischen Klientel“ in der Innenstadt gesprochen, und Menschen mit Migrationshintergrund gemeint. Eisenbraun entgegnete, er habe so nicht argumentiert. Es gehe um rund 150 Personen, die an belebten Wochenenden in der Innenstadt aufgefallen seien. Davon hätten viele einen Migrationshintergrund gehabt. Nur diese Gruppe habe er als problematisch bezeichnet.

Für die fraktionslose Sibel Yüksel bringt die Videobeobachtung „präventiv gar nichts, nur zur Strafverfolgung“. Sie bleibe daher skeptisch. Der AfD-Stadtrat Frank Ebel wollte vor allem wissen, um was für eine Gruppierung es sich bei den 30 Personen handelte, die durch die Königstraße zogen.

Bei aller Kritik fand sich am Ende dennoch eine Mehrheit für die Fortführung der Videobeobachtung.