Tayfun Korkut schickte in Wolfsburg eine stark veränderte Elf auf den Rasen. Foto: Baumann

Für Tayfun Korkut steht der Klassenverbleib mit dem VfB Stuttgart an erster Stelle. Weshalb der Coach keine Experimente wagt und Spielern vertraut, bei denen er weiß, was er an ihnen hat.

Stuttgart - Jung und Wild ist noch immer fester Wesenskern in der DNA des VfB Stuttgart. Seit der Hinkel-Hildebrand-Kuranyi-Ära Anfang des Jahrtausends steht er sogar namensgebend Pate – bis heute betitelt der Club seinen Nachwuchsbereich als Junge Wilde. Tatsächlich trat die Profimannschaft des VfB in den vergangenen Bundesliga-Jahren weder als besonders jung und schon gar nicht als wild in Erscheinung.

Bis zu dieser Saison. Nach dem Aufstieg ging der Club aus Cannstatt mit einer der jüngsten Mannschaften der vergangenen Jahre das Abenteuer Bundesliga an. 24,0 betrug der Altersschnitt etwa am zehnten Spieltag gegen den SC Freiburg, als sieben Spieler unter 23 in der Startformation standen. Noch im Herbst stand der VfB für einen neuen Jugendstil Marke SC Freiburg oder RB Leipzig, verkörpert auch an der Seitenlinie: Hannes Wolf war selbst erst 36 Jahre alt. Doch keine drei Monate später ist nicht nur der Trainer Geschichte, sondern auch die Neuauflage mit den jungen Wilden.

Sehen Sie im Video: So verlief die Partie gegen Wolfsburg.

Mit Nachfolger Tayfun Korkut (43) alterte die Elf auf dem Platz binnen einer Woche um 1,8 Jahre. Lag der Altersschnitt bei Wolfs letztem Spiel gegen den FC Schalke 04 (0:2) noch bei exakt 25 Jahren, betrug er am vergangenen Samstag in Wolfsburg 26,8 Jahre – so hoch wie noch in dieser Saison. Ron-Robert Zieler (28), Emiliano Insua (29), Andreas Beck (30), Dennis Aogo (31), Christian Gentner (32) und Mario Gomez (32): Alles Best Ager um die 30, die auf eine Menge Bundesligaerfahrung zurückblicken können. 1505 Einsätze im Oberhaus vereinte die erste Elf von Wolfsburg auf sich und damit fast 500 mehr als der gleichfalls nicht unerfahrene Gegner aus der VW-Stadt.

Beim VfB gibt es kaum einen Mittelbau

Erfahrung ist Trumpf im Kampf gegen den Abstieg, sagt sich Tayfun Korkut. In Wolfsburg nahm er gleich fünf Änderungen vor. Mit Aogo und Beck schenkte er zwei Routiniers sein Vertrauen, die zuletzt unter Wolf außen vor waren. Weil er weiß, was er an ihnen hat. Und in der Kürze der Zeit seine Grundordnung an ihnen ausrichtete.

Stattdessen spülte es mit Berkay Özcan und Jacob Bruun Larsen zwei 19-Jährige aus der Mannschaft. Von ihnen konnte der als Pragmatiker geltende Korkut nicht mehr Eindrücke sammeln als nur aus einer Handvoll Trainingseinheiten. Özcan, unter Wolf zuletzt Stammkraft im offensiven Mittelfeld, sah dem Treiben in Wolfsburg 90 Minuten von der Bank zu. Der dänische Neuzugang von Borussia Dortmund trat die Reise zum Auswärtsspiel gar nicht erst an. Er blieb zum Trainieren in Stuttgart.

Von einem Ende des Jugendstils will Korkut vor dem Duell mit Borussia Mönchengladbach (Sonntag, 15.30 Uhr) aber nicht sprechen. Er sagt: „Ich muss die richtige Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern finden.“ Und verweist in diesem Zusammenhang auf die für ihn neue Erkenntnis, dass ihm in seiner Mannschaft der Mittelbau fehle. Spieler mit Mitte/Ende 20, jenem Alter also, indem sich Fußballer gemeinhin auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft befinden. Beim VfB gibt es aber mit Ausnahme von Daniel Ginczek und Marcin Kaminski (beide 26) im Prinzip nur Jung und Erfahren.

Die älteste Mannschaft hat der FC Bayern

Sportchef Reschke kann mit der Diskussion um Jung und Alt indes herzlich wenig anfangen. „Jung ist nicht das Evangelium“ hält er den Kritikern seiner Einkaufspolitik entgegen. Und erinnert daran, dass er unlängst die Verträge mit Timo Baumgartl (21), Berkay Özcan (19) und Benjamin Pavard (21) verlängert habe. Am Sonntag sprang ihm Ex-Profi Dietmar Hamann in Wontorras Fußball-Talk auf „Sky“ zur Seite. Angesichts von 59 Spielern, sieben Trainern und vier Sportdirektoren – die Bilanz des VfB seit Sommer 2014 – und der daraus resultierenden Erkenntnis, dass es für Neulinge unter diesen Bedingungen schwer sei, in der Bundesliga Fuß zu fassen, sagte Hamann in Richtung VfB: „Im Abstiegskampf brauchst du Erfahrung. Spieler, die den Jüngeren Mut machen und sagen: ,Wir packen das schon!“

Doch nicht nur dort. Als der VfB 2007 zum letzten Mal Deutscher Meister wurde, galt auch für Trainer Armin Veh die Devise: Erfahrung first! Am 34. Spieltag gegen Energie Cottbus vertraute er einer Elf mit einem Altersschnitt von 26,3 Jahren. Und am vergangenen Wochenende schickte ein Club eine Mannschaft mit dem aktuell bei weitem höchsten Altersschnitt (28,8 Jahre) aufs Feld, der weiß, wie man erfolgreich Fußball spielt: Der FC Bayern München.

VfB Stuttgart - Bundesliga

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