Volle Ränge beim VfB Stuttgart sind momentan der Normalzustand. Foto: Pressefoto Baumann/Volker Müller

Längst nicht alle Interessenten kommen derzeit an Karten. Ist ein Kontingent für den freien Verkauf ein Thema? Und bei welchen Spielen könnte es künftig ein Losverfahren unter Mitgliedern geben? Der Verein äußert sich.

Zweitrunden-Duelle im DFB-Pokal sind ja nicht immer die größten Publikumsmagneten. Auch der VfB Stuttgart hat damit seine Erfahrungen gemacht, zuletzt vor einem Jahr. Damals gastierte an einem Oktober-Mittwoch Arminia Bielefeld in Bad Cannstatt, wo der VfB einen ungefährdeten 6:0-Erfolg feierte – vor 25 000 Fans. Coronabeschränkungen gab es seinerzeit nicht mehr, die Zuschauerzahl spiegelte schlicht das Interesse an der Partie wider. Rund die Hälfte der Plätze blieb leer.

 

Zwölf Monate später sieht das Ganze komplett anders aus, wenn es an diesem Dienstag (18 Uhr) in der MHP-Arena in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den kriselnden 1. FC Union Berlin geht – zwar ein Bundesligist im Gegensatz zu den Bielefeldern, aber mit seiner Spielweise auch kein Garant für einen hochattraktiven Schlagabtausch. Eine Rolle spielte das im Vorfeld nicht: Der Heimbereich ist mit mehr als 50 000 Zuschauern ausverkauft, mehr noch: Die Tickets gingen ausschließlich an Vereinsmitglieder, einen freien Verkauf gab es nicht erst.

Lange Wartezeiten im Onlineticketshop des VfB

Das ist im Herbst 2023 der Normalfall in Stuttgart. Der sportliche Höhenflug hat zu einem regelrechten Ansturm auf die Karten geführt, weshalb ohne eine Mitgliedschaft derzeit nichts mehr geht. Rund 85 000 Mitglieder gibt es mittlerweile – Tendenz steigend. Und keine Frage, für viele bildet das Vorkaufsrecht für Tickets ein Hauptargument für den Jahresbeitrag von 60 Euro.

Zum Verkaufsstart der Partie gegen die TSG Hoffenheim fand sich jüngst eine weit fünfstellige Zahl an Mitgliedern im Onlineticketshop, mit Wartezeiten von bis zu einer Stunde. Wer vom Zufallsgenerator einen hinteren Platz zugelost bekam, hatte noch die Wahl zwischen Gegengerade oder Haupttribüne. Für das Heimspiel gegen Werder Bremen an einem Dezember-Abend gibt es schon jetzt für Mitglieder nur noch einzelne Restplätze.

„Wir haben ein Luxusproblem: Die Nachfrage ist deutlich höher als das Angebot“, teilt der Verein auf Anfrage mit. „Also müssen wir Wege finden, die Ticketvergabe so fair wie möglich zu gestalten.“ Einfach ist das nicht. Das Limit für Bundesliga-Spiele lag zuletzt bei zwei Tickets, die ein Mitglied erwerben kann. Ein Familienausflug ins Stadion mit mehreren Plätzen nebeneinander? Ist nicht immer problemlos möglich. Vor allem in den preisgünstigeren Kurvenbereichen nicht.

Zwei Hintertüren gibt es noch für kurzentschlossene Mitglieder, auch bei ausverkauften Spielen zum Zug zu kommen. Erstes: Verhinderte Dauerkarteninhaber stellen immer wieder ihre Plätze über die Zweitmarkt-Plattform des VfB ein, die einzelnen Tickets erscheinen dann regulär im Onlineshop des Clubs. Immerhin 1000 Plätze pro Partie sind es in etwa nach Vereinsangaben. Zweitens: Ruft der Gastverein nicht sein gesamtes Kontingent von zehn Prozent der Kapazität ab, können kurzfristig auch noch diese Tickets für Heimfans in den Verkauf gehen – vor allem im Oberrang über dem Gäste-Fanblock. In beiden Fällen gilt aber: Das geschieht kurzfristig und ohne Vorankündigung, es braucht einen schnellen Finger am PC und das nötige Glück.

Losverfahren bei Highlight-Spielen künftig denkbar

Nun ließe sich über ein anderes Vorgehen bei der Vergabe diskutieren, etwa über ein Zurückhalten von Kontingenten für den freien Verkauf oder einer Begrenzung auf eine bestimmte Zahl von Spielen pro Saison pro Mitglied. Beides sei allerdings nicht geplant, teilt der VfB mit: „Wir halten die gegenwärtige Vergabepraxis für die gerechteste unter den gegebenen Umständen. Mitglieder haben in der Regel gute Chancen auf ein Ticket. Aber immer alle Interessenten zu bedienen, ist derzeit nicht möglich.“ Ein Blick auf die Kapazitäten verdeutlicht das. 33 200 Dauerkarten hat der VfB in dieser Saison verkauft, bei derzeit insgesamt 56 589 Plätzen – inklusive Gästeblock – bleibt nicht mehr übermäßig viel für den Tageskartenverkauf.

Zur Wahrheit gehört zudem, dass der VfB mit dieser Angebot-Nachfrage-Diskrepanz längst nicht alleine ist. Auch bei einem Traditionsverein wie Borussia Dortmund gehen trotz der riesigen Kapazität von mehr als 80 000 Plätzen im Signal-Iduna-Park kaum Karten in den freien Verkauf, Teams mit einem kleinen Stadion wie Union Berlin verlosen sogar Tickets an ihre Mitglieder. Dieses Verfahren, so der VfB, sei künftig auch in Stuttgart eine Möglichkeit für eventuelle Highlight-Spiele zur Wahrung der Chancengleichheit bei der Vergabe. Ein Pokal-Halbfinale könnte in diese Kategorie fallen. Oder irgendwann mal wieder internationale Spiele. Das aber ist Zukunftsmusik.

Im Hier und Jetzt werden sich die glücklichen Karteninhaber auf das neuerliche Stadionerlebnis an diesem Dienstag gegen Union Berlin freuen. VfB-Trainer Sebastian Hoeneß tut das auch: „Die Hütte wird wahrscheinlich brennen. Dass die Fans so viel Bock auf den Pokal haben, ist überragend.“ Und fraglos ein Unterschied zur Situation vor einem Jahr.