Das Landratsamt lässt vom Abfallwirtschaftsbetrieb Altkleider sammeln. Foto: factum/Bach

Das Sammelverbot für Altkleider im Kreis ist auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig. Damit setzte sich ein Unternehmer gegen das Landratsamt durch.

Böblingen - Das Böblinger Landratsamt muss in Sachen Altkleidersammlung wieder eine Niederlage einstecken. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Berufung der Kreisbehörde gegen ein Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Eine Richterin hatte im April des vergangenen Jahres der Klage eines Unternehmers stattgegeben und das Verbot von gewerblichen Altkleidersammlungen im Kreis aufgehoben. Der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) war vor fünf Jahren in das Geschäft eingestiegen und hatte die kommerzielle Konkurrenz damit vertreiben wollen. Laut dem Verwaltungsgerichtshof liegen die für das Verbot geltend gemachten Gründe allerdings „sämtlich nicht vor“.

„Ich bin froh über die Entscheidung“, sagte Martin Mronsch. Für ihn gehe es um die Existenz, erklärte der 56-Jährige, der seit 24 Jahren gebrauchte Textilien sammelt und seine Waren hauptsächlich nach Osteuropa verkauft. Neun Mitarbeiter beschäftigt er damit. „Ich habe immer den gesetzlichen Vorschriften entsprochen“, sagte er. Im Kreis Böblingen stehen rund 60 seiner Container auf privaten Grundstücken, für die er Miete bezahlt. Rund 180 Tonnen Altkleider kommen bei ihm im Jahr in dem umstrittenen Gebiet zusammen. „Ich hoffe, dass ich mein Geschäft jetzt noch bis zur Rente in Ruhe machen darf“, sagte Martin Mronsch.

Zuverlässigkeit des Unternehmens

Dem Kläger hatte die Kreisbehörde unter anderem vorgeworfen, dass er irreführende Aufkleber an seinen Container angebracht habe. Darauf wurde um Spenden für einen karitativen Verein geworben, obwohl die eingeworfenen Altkleider nicht diesem guten Zweck dienten. Sein Unternehmen sei nicht unzuverlässig, urteilte jedoch der Verwaltungsgerichtshof. „Durch die inzwischen gewählte Beschriftung der Sammelcontainer werde nicht (mehr) der irrige Eindruck einer Gemeinnützigkeit der Sammlung erweckt“, teilen die Richter mit. Außerdem habe Martin Mronsch ausreichend dargelegt, auf welchen Wegen die Textilien verwertet würden.

Vor einem gänzlichen Verbot hätte das Landratsamt zunächst auch mildere ordnungsrechtliche Maßnahmen ergreifen müssen, finden die Richter außerdem. Dies sei aber nicht geschehen. Nicht akzeptiert hat der Verwaltungsgerichtshof des Weiteren das Argument, dass die gewerblichen Sammler deshalb verboten werden können, weil der kreiseigene Betrieb in öffentlich-rechtlicher Verantwortung die Altkleider vermarktet. Mit den Einnahmen würden die Müllgebühren gesenkt, erklärte das Landratamt. „Ein solcher Schutz kommt nicht in Betracht“, meinen dagegen die Richter in dem Fall: Der AWB sei nämlich erst nachträglich in das Geschäft eingestiegen, nachdem jahrelang ausschließlich gewerbliche und gemeinnützige Container im Kreisgebiet standen.

„Wir rechnen uns gute Chancen aus“

Die Stellungnahme des Landratsamts zu der rechtlichen Niederlage fällt kurz und knapp aus: „Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg haben wir erhalten“, teilt die Kreisbehörde mit. „Wir rechnen uns gute Chancen aus“, hatte der Landrat Roland Bernhard gesagt, als die Revision eingelegt worden war. Die Grundlage für seinen Optimismus war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Danach genießen die Erfassungssysteme von öffentlichen Sammlern einen besonderen Schutz. Die Stuttgarter Richterin war aber der Auffassung, dass die Sammeltätigkeit des AWB nicht von den anderen Containern beeinträchtigt worden sei, weil der Landkreis trotz der Konkurrenz seine Menge in den vergangenen vier Jahren mehr als verdreifacht habe.

„Aktuell überprüfen wir noch, ob wir Rechtsmittel einlegen werden“, teilt das Landratsamt jetzt mit. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde von den baden-württembergischen Richtern „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache“ zugelassen.

Steigende Sammelergebnisse

Gesetz:
Im Landratsamt herrscht die Auffassung, dass Altkleider und gebrauchte Schuhe dem öffentlich-rechtlichen Entsorger zu überlassen sind. Die Grundlage dafür bietet seit 2012 das Kreislaufwirtschaftsgesetz, in dem Altkleider als Abfall deklariert wurden. Und für die Abfallentsorgung sind in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise zuständig. Laut Gesetz dürfen gemeinnützige und gewerbliche Sammler trotzdem noch aktiv sein, wenn die Entsorgung ordnungsgemäß ist. Private Betriebe können aber ausgeschlossen werden, wenn die öffentliche Gebührenstabilität gefährdet ist. Nach Ansicht des Landratsamts geht es im Kreis Böblingen um rund eine Million Euro, die der kreiseigene Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) zusätzlich einnehmen würde, wenn die gewerbliche Konkurrenz ausgeschaltet wäre. Der Landrat ruft deshalb die Bevölkerung dazu auf, ihre Altkleider in die Container des AWB zu werfen, um damit die Müllgebühren zu senken.

Bilanz:
Trotz der Konkurrenz kommen beim Abfallwirtschaftsbetrieb jedes Jahr mehr Altkleider zusammen: Laut der aktuellen Abfallbilanz waren es im vergangenen Jahr 1988 Tonnen. Im Jahr 2016 hat der AWB genau 1809 Tonnen Altkleider gesammelt. Der Preis für eine Tonne Altkleider liegt bei rund 370 Euro.