Das Haus von Anton Schlecker in Ehingen an der Donau. Foto: dpa

Staatsanwaltschaft Stuttgart hegt Verdacht, dass bei Pleite nicht alles mit rechten Dingen zuging.

Stuttgart - Um 8 Uhr war es mit der Ruhe vorbei: An der Villa von Firmengründer Anton Schlecker klingelten Polizisten und begehrten Einlass – Hausdurchsuchung. 18 Wohnungen und vier Geschäftsräume, davon insgesamt zehn in Baden-Württemberg, wurden von 170 Polizisten und Staatsanwälten unter die Lupe genommen. Sie verdächtigen 14 Beschuldigte, in Zusammenhang mit der Pleite Straftaten begangen und die Gläubiger des untergegangenen Schlecker-Konzerns über das durch die Insolvenz bedingte Maß hinaus geschädigt zu haben. Zu den Beschuldigten zählt offenbar auch Firmengründer Anton Schlecker. Durchsucht wurden auch die Schlecker-Zentrale in Ehingen sowie die Zentrale der Tochtergesellschaft Ihr Platz in Osnabrück.

Bereits seit Wochen hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geprüft, ob bei der Insolvenz alles ordnungsgemäß gelaufen ist – routinemäßig, wie es damals hieß. Nun scheint sich ein konkreter Anfangsverdacht ergeben zu haben, der nun zu der Razzia geführt hat. Den Beschuldigten werden „Bankrott, Untreue und Insolvenzverschleppung im Zusammenhang mit der Insolvenz der Schlecker-Gruppe vorgeworfen“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Auf rund 750 Millionen Euro belaufen sich die Forderungen, die Schlecker nicht mehr bezahlen kann – sie bestehen zum Beispiel aus ausstehenden Mieten und unbezahlten Lieferantenrechnungen. Weil dem kaum Vermögenswerte gegenüberstehen, die noch versilbert werden könnten, um wenigstens einen Teil der offenen Rechnungen zu begleichen, werden die Gläubiger wohl einen Großteil ihrer Forderungen in den Wind schreiben müssen. Doch wie viel Geld steht tatsächlich für die Gläubiger zur Verfügung? Sind in der Schlecker-Familie möglicherweise Vermögenswerte verschoben worden, damit sie nicht vom Insolvenzverwalter verkauft werden können? Dieser Frage will die Justiz nun genauer nachgehen.

Schlecker-Imperium befindet sich bereits seit Jahren in Schwierigkeiten

Fakt ist, dass in den Jahren vor der Insolvenz immer wieder größere Vermögenswerte innerhalb der Familie übertragen wurden. Einen genauen Überblick gibt es nicht – als sicher gilt aber, dass die Familienvilla in Ehingen nicht mehr Anton Schlecker persönlich gehört und auch eine Reihe von Grundstücken den Eigentümer gewechselt haben. Das ist legal, solange damit keine unlauteren Absichten verbunden sind. Allerdings befindet sich das Schlecker-Imperium bereits seit Jahren in Schwierigkeiten.

Die Justiz sieht nun offenbar einen Anfangsverdacht, dass die Übertragungen vorgenommen wurden, obwohl die Schieflage bereits absehbar war. Mit der Übertragung waren die Immobilien nicht mehr Teil des Vermögens von Anton Schlecker, das zugleich die Haftungsmasse des Konzerns ist. Sollte er – was nicht bewiesen ist – Vermögen beiseitegeschafft haben, um es im Fall einer absehbaren Insolvenz dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, steht der strafrechtliche Vorwurf des Bankrotts im Raum. Anders sieht die Lage aus, wenn Vermögensgegenstände zu Marktpreisen verkauft werden – dann entsteht den Gläubigern kein Nachteil.

Auch der Vorwurf der Insolvenzverschleppung bezieht sich darauf, dass bei der Pleite die Gläubiger geschädigt wurden. Laut Insolvenzordnung muss ein Unternehmen spätestens drei Wochen nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung den Insolvenzantrag stellen. Arbeitet es weiter, obwohl es bereits die bis dahin bestehenden Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, geht den Gläubigern möglicherweise noch mehr Geld verloren. Die Staatsanwaltschaft hat offenbar den Verdacht, dass der Insolvenzantrag für einige Unternehmen der Gruppe zu spät gestellt wurde.

Außer wegen Bankrott und Insolvenzverschleppung ermittelt die Justiz auch wegen des Verdachts der Untreue. Diese liegt dann vor, wenn jemand über fremdes Vermögen verfügen darf, mit diesem Vermögen aber sachwidrig umgeht. Auch hier dürfte die Tatsache eine Rolle spielen, dass Schlecker in hohem Umfang Lieferantenkredite in Anspruch nahm, die Belange dieser Kreditgeber aber durch Fehler bei der Insolvenz möglicherweise verletzt hat.