Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gehört zu den radikalsten Politikern seiner Partei. Foto: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Die AfD wird immer radikaler, könnte aber 2024 bei drei Landtagswahlen triumphieren. Viele Politiker rufen nach ihrem Verbot – doch dafür gibt es hohe Hürden.

Über ein Verbot der AfD wird schon lange diskutiert, doch in diesem Jahr wird die Frage besonders relevant. Trotz zunehmender rechtsextremer Ausrichtung könnte die Partei bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen stärkste Kraft werden. Aber wäre ein Verbot rechtlich überhaupt möglich?

 

Wie radikal ist die AfD?

Aktuell gilt die AfD in drei Bundesländern als „gesichert rechtsextremistisch“: in Thüringen, Sachsen-Anhalt, seit Kurzem auch in Sachsen. Dort kündigte die AfD an, sich juristisch gegen die Einstufung wehren zu wollen. Auf Bundesebene stuft der Verfassungsschutz die AfD seit 2021 als rechtsextremen „Verdachtsfall“ ein. Zu dieser Einschätzung kommt er unter anderem aufgrund von Äußerungen der Partei. „In einer Reihe von Äußerungen kommt ein ethnisches Volksverständnis zum Ausdruck“, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang nach dem AfD-Parteitag im Sommer. Die AfD hat auch gegen die Einstufung geklagt, Ende Februar fällt dazu das Urteil. Besonderen Auftrieb bekam die Debatte Mitte Januar, als das Recherche-Portal „Correctiv“ über ein Treffen rechtsradikaler Kreise in November in Potsdam berichtete, an dem auch AfD-Mitglieder teilnahmen. Dort wurde diskutiert, wie künftig Ausländer und Deutsche nach Afrika vertrieben werden könnten.

Ist ein Verbot rechtlich möglich?

Grundsätzlich ja. 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Einfach ist es aber nicht. Zwei Verbotsverfahren gegen die NPD (heute: Die Heimat) scheiterten. Das Grundgesetz legt fest, dass eine Partei verboten werden kann, wenn sie danach strebt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Das zu beurteilen, steht dem Bundesverfassungsgericht zu. Das entschied, dass eine Partei aber erst verboten werden kann, wenn sie aktiv kämpferisch und aggressiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht. Daran ändern auch die Recherchen über das Treffen in Potsdam nicht viel.

Wie würde das ablaufen?

Der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung können das Verfahren beim Verfassungsgericht beantragen. Das prüft, ob das Hauptverfahren eröffnet oder als unzulässig zurückgewiesen wird. Wenn das Verfahren erfolgreich ist, stellt das Gericht die Verfassungswidrigkeit der Partei fest, erklärt ihre Auflösung und untersagt, eine Ersatzorganisation zu schaffen.

Was spricht dafür?

Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren hat sich die AfD radikalisiert. Der rechtsextreme Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke zählt zu den einflussreichsten Führungsfiguren der Partei – und hofft darauf, Ministerpräsident zu werden. Besorgte Stimmen warnen davor, dass die AfD irgendwann mächtig genug sein könnte, um das demokratische System ernsthaft zu gefährden.

Was spricht dagegen?

Dass sich die AfD immer wieder verfassungsfeindlich äußert, ist die eine Sache – doch ihr nachzuweisen, dass sie aktiv kämpferisch gegen die Demokratie agiert und auf deren Abschaffung hinarbeitet, ist etwas anderes. Viele Experten halten ein Verbotsverfahren für wenig aussichtsreich. Würde es scheitern, könnte die AfD davon profitieren.

Was sagen Politiker?

Besonders vehement setzt sich schon lange der ehemalige Ostbeauftragte Marco Wanderwitz (CDU) für ein Verbotsverfahren ein. Das ist aber nicht Linie seiner Partei. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), forderte eine harte politische Auseinandersetzung mit der AfD, lehnte aber ein Verbotsverfahren gegen die Partei ab. „Wir müssen die AfD politisch bekämpfen“, sagte er unserer Redaktion. „Von einer Verbotsdiskussion halte ich nichts. Das bestätigt diese Partei nur in ihrem Opfernarrativ.“

Auch in den anderen Parteien gibt es zu der Frage keine einheitliche Meinung. SPD-Chefin Saskia Esken hatte sich schon zu Jahresbeginn für ein AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen, der derzeitige Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) warnte hingegen: „Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr.“

Der Grünen-Fraktionsvize und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz, sieht ein Verbot „als das letzte einzusetzende Mittel“. Er sagte unserer Redaktion: „Wenn aber eine Partei als Organisation eine unmittelbare Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellt, müssen sich selbstverständlich alle Verfassungsorgane damit auseinandersetzen.“