Brutzeln ist Volkssport: Fühlt sich ein Nachbar im Haus gestört, müssen nicht selten am Ende die Gerichte schlichten. Foto: Peter-Michael Petsch

Schluss mit Grillspaß: Hausordnung und Mietvertrag können die Wurst auf dem Rost verbieten.

Stuttgart - Ein Wohnungseigentümer im Stuttgarter Süden hat die Nase jetzt endgültig voll von Kotelett- und Würstchengeruch, der an Sommerabenden vom Balkon des Nachbarn zu ihm hoch zieht. Weil er seinen Balkon nicht genießen könne und ihn Rauch und Geruch sogar in die Wohnung verfolgten, will er dem Rippchen auf dem Rost einen Riegel vorschieben. Er hat den Punkt „Grillverbot“ von der Hausverwaltung auf die Tagesordnung der kurz bevorstehenden Eigentümerversammlung setzen lassen. Wie das ausgeht, ist noch unklar.

Marcel Haag, Geschäftsführer der Hausverwaltungsgesellschaft Vewa, die rund 4000 Gebäude sowie besagtes Objekt im Stuttgarter Süden betreut, weiß aus Erfahrung, dass solche Anträge häufig auf einen Kompromiss hinauslaufen. „Das Thema Grillen kommt bei den Versammlungen regelmäßig zur Sprache. Meist wird dann die Zahl der Grilltage beschränkt“, sagt er und stellt fest, dass es bei den Diskussionen in der Regel um das Grillen mit Holzkohle geht. Klagen wegen der Benutzung von Elektro- oder Gasgeräten kämen so gut wie nie vor.

Spricht sich eine Eigentümergemeinschaft mehrheitlich für ein generelles Grillverbot aus, ist der Beschluss für alle bindend. „Nicht nur auf Balkonen und Terrassen, auch auf Sondernutzungsflächen wie Gartengrundstücken und Stellplätzen können Eigentümer mehrheitlich ein Grillverbot beschließen“, sagt Ulrich Wecker, Geschäftsführer des Haus- und Grundbesitzervereins Stuttgart. Ein durch die Hausordnung festgelegtes Grillverbot oder die dort festgelegte Zahl von Grilltagen ist sowohl für Eigentümer wie für Mieter verbindlich. Der Mieter kann abgemahnt und sogar gekündigt werden, wenn er sich nicht daran hält. Der Eigentümer muss ebenfalls mit Abmahnung rechnen. Ihm gegenüber besteht Unterlassungsanspruch, wenn er sich nicht an die Hausordnung hält. „Hausbesitzer nehmen ein Grillverbot auch häufig in den Mietvertrag auf, um Streit mit ihren andern Mietern vorzubeugen“, sagt Wecker.

Von den städtischen Behörden bekommen weder Grillfans noch Grillgegner Feuerschutz

Damit die Grillwurst später nicht im Magen liegt, rät Jens Rüggeberg vom Mieterverein Stuttgart jedem Mieter, seinen Vertrag genau zu lesen, bevor er den Grill anwirft. Denn ist das Grillverbot im Mietvertrag vereinbart, muss sich der Mieter daran halten. Pünktlich jeden Montag gehen bei Rüggeberg und seinen Kollegen nach jedem schönen Sommerwochenende per Telefon bis zu zwölf Beschwerden ein. „Die einen beschweren sich, weil der Nachbar gegrillt hat. Die anderen wollen Hilfe, weil der Nachbar das Grillen unterbinden will“, sagt der Rechtsberater und rät den Anrufern dazu, sich gütlich zu einigen.

Von den städtischen Behörden bekommen weder Grillfans noch Grillgegner Feuerschutz. „Auf öffentlich-rechtlicher Ebene ist nichts geregelt. Es gibt von unserer Seite aus weder Ge- noch Verbote“, sagt Christina Wagner vom Amt für Umweltschutz und verweist auf die Möglichkeit der Privatklage, falls sich die Meinungsverschiedenheiten nicht gütlich beilegen lassen.

Wie viele Klagen es in Sachen Grillen gibt, ist nicht eigens erfasst, und die Urteile der Gerichte sind alles andere als einheitlich. Das Landgericht Stuttgart gestattet sechs Stunden oder drei Grillabende pro Jahr. Das Urteil (Az: 10 T 359 / 96) stammt aus dem Jahr 1997. Geklagt hatte der Eigentümer der oberen Wohnung eines Mehrfamilienhauses. Er fühlte sich durch Geruch und Rauch belästigt, die entstanden, wenn der Eigentümer der unteren Wohnung auf der Terrasse grillte. Ein Argument des Klägers: Beim Grillen handle es sich um ein Relikt aus der Steinzeit. Das Landgericht entschied, dass sechs Stunden Grillen beziehungsweise drei Grillabende im Jahr von den Nachbarn zu tolerieren sind.

Wie ein Gericht in Sachen Grillen entscheidet, hängt immer vom Einzelfall ab

In einem neueren Urteil von 2010 hält das Amtsgericht in Westerstede in Niedersachsen zweimaliges Grillen pro Monat für zumutbar (Az: 22 C 614 / 09). In dem Fall wollten die Kläger erreichen, dass ihre Nachbarn nur einmal pro Monat im Garten grillen dürfen. Die grillten mehr als dreimal pro Monat. Der Grillkamin war neun Meter entfernt vom Nachbarhaus, die Wohnung der Kläger in dessen drittem Stock. Das Gericht kam mit seinem Urteil den Klägern zumindest teilweise entgegen.

Wie ein Gericht in Sachen Grillen entscheidet, hängt laut Carola Wittig, Sprecherin in Zivilsachen beim Landgericht Stuttgart, immer vom Einzelfall ab. „Der Richter wird die Interessen der Parteien abwägen.“ Grundlage ist der Paragraf 906, Absatz 1 im Bundesgesetzbuch. Der besagt, dass Nachbarn einerseits aufeinander Rücksicht nehmen, andererseits aber auch Zugeständnisse machen müssen.