Näher dran an herausragenden Persönlichkeiten der Kunstszene: Die „Stuttgarter Nachrichten“-Gesprächsreihe „Über Kunst“ macht es möglich. Nächster Gast ist am 11. März die Malerin Valérie Favre.
Stuttgart - Viel wird über die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst diskutiert. Unsere Zeitung bietet hierzu eine eigene Veranstaltungsreihe. Nächster Gast bei „Über Kunst“ ist am 11. März in der Staatsgalerie Stuttgart die Malerin Valérie Favre.
Das Düstere im Hellen
Aus leichtem Gelbgrün taucht ein Kopf auf . Grau gehalten, setzt er sich ab von der Umrissfiguration, entführt mit scheinbar leichter Hand in die Traumsequenz eines Tiermenschen. Dann aber entdeckt man die senkrechten Grau-Volumen. Sie sind zum Gürtel gereiht.
Was geht hier vor? Sehen wir, was wir sehen, einen Boten des Todes? Die Schweizer Malerin Valérie Favre lässt uns im Unklaren und lässt doch keinen Interpretationsraum. „Terrorist“ heißt das Blatt aus ihrem großen Zyklus „Selbstmord“. Der Gürtel des Tiermenschen also könnte den Tod bringen – die Figuration an sich aber: Ist sie nicht mehr eine Hommage an das Leben?
Valérie Favre
1959 in Evilard bei Biel geboren, geht Favre nach einer Theaterausbildung nach Paris. Dort arbeitet sie als Theater- und Filmschauspielerin sowie als Bühnenbildnerin. In den 1990er Jahren kommt Valérie Favre zur Malerei, wird, wie Iris Dressler, gemeinsam mit Hans D. Christ Direktorin des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart sagt, „zur alleinigen Regisseurin ihrer Bilder“.
Seit 2006 ist Favre Professorin für Malerei an der Universität der Künste in Berlin. Dem lauten Kunstbetrieb der Metropole hält Favre eine radikal eigene Bildwelt voller Abgründe entgegen – mit internationalem Erfolg. Seit 2009 arbeitet Favre in den Uferhallen im Berliner Bezirk Wedding – spätestens 2019 wird mit deutlichen Investorenforderungen an das einst nur von Künstlerinnen und Künstlern genutzte Areal der Begriff „Kunst als Standortfaktor“ bittere Realität.
Favre in Stuttgart
Iris Dressler und Hans D. Christ, Direktorenduo des Württembergischen Kunstvereins, formulieren mit ihren Ausstellungsprojekten unausgesprochen, aber deutlich den Anspruch, über künstlerische Forschungsarbeit soziale Fragestellungen zu thematisieren und zu analysieren. Wie passt hier die doppelbödige Malerei von Valérie Favre ins Konzeptbild?
Hervorragend, findet Iris Dressler. „Valérie Favre“, sagt sie, „nutzt das Medium der Malerei als Experimentierfeld zur Untersuchung unserer Ängste, Begehren und Mythen – und wie diese sich in die Kunst-, Theater-, Film- oder Literaturgeschichte eingeschrieben haben.“ Tatsächlich verweisen ihre Werke auf Maler wie Francisco de Goya, spielen mit Gespenstern oder Kapitalismus-Ikonen wie etwa den „Bunnys“.
Dressler und Christ zeigen im Württembergischen Kunstverein Werke der Serie „Selbstmord“. 120 kleinformatige Arbeiten sind zwischen 2003 und 2013 entstanden. „Die Serie“, sagt Iris Dressler, „zählt zu einem Schlüsselwerk der Ausstellung ,Actually, the Dead Are Not Dead’, die sich dem Leben widmet“.
Zwischen Leben und Tod
Was Favres Bilder auszeichnet? „Die diffusen, skizzenhaften und manchmal fast abstrakten Bilder“, sagt Iris Dressler, „beziehen sich sowohl auf allgemeine Formen des Selbstmordes als auch auf konkrete Fälle, die von anonymen, berühmten oder fiktiven Personen ausgeführt werden. Die Protagonist*innen sind dabei kaum zu identifizieren, sie erscheinen nur als Schatten oder Phantome, die dabei sind, sich in dem sie umgebenden Umfeld aufzulösen“. Und sie ergänzt: „Es ist der Moment, die Schwelle zwischen Leben und Tod, den uns Valérie Favre hier näher bringt: mit ebensoviel Empathie wie Distanz und ohne jegliche Form des Spektakels.“
Doppelbödige Kunstgeschichte
Am 28. Februar wird „Actually, the Dead Are Not Dead. Politiken des Lebens“, wie das Ausstellungsprojekt vollständig heißt, im Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart eröffnet. Werke von mehr als 20 internationalen Künstlerinnen und Künstlern werden zu sehen sein. Das Fachblatt „Kunstforum“ jubelte schon 2017: „Nichts in dieser Bildwelt ist wirklich klar. Einzig eindeutig sind nur die kunsthistorischen Fieberschübe, die Magier, Hexen, Gnome, Harlekine, Tier- und Fabelwesen“. Der „Clown neben Tod und Teufel“ verbinde sich „ zur einen großen, zur einen meisterlich doppelbödigen Kunst-Geschichte“.
Valérie Favre am 11. März bei „Über Kunst“
Am 11. März bietet „Über Kunst“, Gesprächsreihe unserer Zeitung, die Möglichkeit, das Denken und die Arbeitsweisen von Valérie Favre näher kennenzulernen. „Über Kunst“ findet statt in der Staatsgalerie Stuttgart (Vortragssaal). Beginn am 11. März ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist notwendig – unter www.stn.de/galerie.