Jenseits der Lage in Slowenien vermelden die Adria-Anrainerstaaten Montenegro, Kroatien und Albanien gestiegene Gästezahlen. Doch der Spielraum für große Gewinnzuwächse scheint ausgereizt – und viele Urlauber ärgern sich über hohe Preise.
Auch ein Regierungschef im Küstenstaat muss in den Sommerferien nicht untätig sein. Unablässig verbreitet Albaniens Premier Edi Rama per Facebook, Twitter, Viber und Whatsapp die frohe Kunde neuer Besucherrekorde und Fotos von atemberaubenden Stränden am smaragdfarbenen Adria-Nass. Es sei „keine Überraschung“, dass „unsere Küste“ von der Weltpresse als das „Malediven von Europa“ gefeiert werde, so der ranghöchste Werbetrommler im Balkanstaat. Zur Zufriedenheit hat Albaniens Dauerregent allen Grund. Allein für das erste Halbjahr hat Albaniens Statistikinstitut Instat 33 Prozent mehr Auslandsgäste vermeldet. Der Andrang in der Hauptsaison lässt Tirana auf eine neue Rekordzahl von über zehn Millionen ausländischen Besuchern für 2023 hoffen.
Hoffen auf Besucherrekorde
Über bisher 30 Prozent mehr Umsatz und über elf Prozent mehr Gäste als im Vorjahr freut sich weiter im Norden der Adria-Küste auch Kroatiens konservativer Premier Andrej Plenkovic (HDZ): Schließlich sei der Tourismus mit einem Anteil von 20 Prozent am heimischen Sozialprodukt „außerordentlich wichtig“ für die Wirtschaft und Finanzkraft des Landes.
Ähnlich wie Albanien hatten auch Montenegros Tourismusstrategen angesichts von 53 Prozent mehr Gästen in der Vorsaison auf einen neuen Besucherrekord gehofft. Doch nach der Hälfte der Hochsaison macht sich trotz offizieller Zuwächse von elf Prozent im Land der Schwarzen Berge Ernüchterung breit. „Keine Spur von einer Rekordsaison in Budva“, vermeldet die Zeitung „Vijesti“ aus der Touristenhochburg des Küstenstaats: „Die Stadt ist halb leer.“
Der Tourismus verhelfe der angeschlagenen Wirtschaft in Südosteuropa alljährlich zu einer „willkommenen Cash-Injektion“, umschreibt die Agentur Balkaninsight die Bedeutung des Fremdenverkehrs für die Region: Doch „der Tourismusboom überfordert die Kapazitäten der Balkanstaaten.“
Sommer, Sonne und traumhaft schöne Buchten in einer für Mitteleuropäer erreichbaren Nähe sind das Kapital, mit dem die Tourismusbranche der Adria-Anrainer zu wuchern pflegt: Mängel in der touristischen Infrastruktur kompensieren die Balkanstaaten bisher mit günstigen Preisen, Improvisationsvermögen und einer für Familienbetriebe oft typischen Herzlichkeit.
Überzogene Preiserhöhungen
Nicht nur die Flut-Turbulenzen, Hitzewellen, Orkane und Waldbrände lassen das bisherige Geschäftsmodell an die Grenzen des Hochsommertourismus im immer heißeren Süden stoßen. Sowohl die Arbeitskräfteressourcen als auch Aufnahmekapazitäten wirken in den Adria-Staaten erschöpft. Mit Arbeitsgenehmigungen für über 30 000 ausländische Saisonkräfte versuchen Kroatiens Behörden, die personellen Lücken in den Herbergen und Wirtshäusern an der Adria zu schließen. Doch trotz steigender Arbeitskosten scheint der Spielraum für Gewinn- und Umsatzzuwächse durch Preiserhöhungen ausgereizt: In- und ausländische Gäste reagieren in Kroatien genervt und mit Missmut auf überzogene Preiserhöhungen.
Zwar bemüht sich die Regierung, Kroatien als „Premium-Reiseziel“ zu positionieren. Doch besucht wird die kroatische Adria oft von Familien der Mittelklasse, deren Reisebudget nicht immer mit den Preissprüngen Schritt halten kann. „Unsere Küste ist schön“, sagt der Familienvater Dalibor aus Slavonski Brod, der seinen Sommerurlaub in diesem Jahr bewusst in Italien verbringt: „Aber was mich nervt, ist, dass ich jedes Jahr mehr für dasselbe Produkt zahlen soll, das sich weder geändert noch verbessert hat.“
Schielen auf den schnellen Profit
Die Besucher würden all diejenigen „bestrafen“, die ihre Preise „ungerechtfertigt erhöht“ haben, warnte jüngst die Tourismusministerin Nikolina Brnjac die Branche vor dem Schielen auf den schnellen Profit: „Die Gäste werden ihnen das nicht vergessen.“ Laut Medienberichten hat die Anzahl kurzfristiger Absagen mitten in der Hochsaison bereits jetzt für eine Marktkorrektur bei Privatunterkünften und für Last-Minute-Angebote mit Preisnachlässen von bis zu fünfzig Prozent gesorgt.
Tatsächlich wollen selbst langjährige Kroatien-Besucher vorläufig nicht wiederkommen. Kroatien mache „süchtig“, schreibt auf Polens Webportal „Onet.pl“ der Journalist Piotr Rogozinski, der in den vergangenen Jahren achtmal nach Kroatien gereist ist. Doch auch wegen der gestiegenen Preise hat er diesen Sommer seinen Urlaub mit seiner Familie auf Mallorca verbracht. Er sei überrascht gewesen, dass die Preise dort oft „günstiger“ als an der polnischen Ostsee gewesen seien, so sein Fazit. Nächstes Jahr werde er vermutlich nach Griechenland oder Italien fahren.