Hauptdarsteller im echten Grandhotel in Budapest: Chef-Concierge Tamás Ungár und Tibor Meskál, Urgestein des Hauses. Foto: Bendl

Der Oscar-Favorit „Grand Budapest Hotel“ ist Fiktion. Doch wer im Original eincheckt, kann in Europas ehemals größtem Grandhotel den ebenso filmreifen Geschichten der Mitarbeiter lauschen.

Budapest - Sie haben ihre Hand über das Haus gehalten, in guten wie in schlechten Zeiten, und deswegen ist es, allen Widrigkeiten zum Trotz, immer wieder auferstanden. Eigentlich symbolisieren die Standfiguren zwischen den Kapitellen und Pilastern ja die vier Jahreszeiten. Doch für Tibor Meskál, das wandelnde Gedächtnis des Hauses, sind die Damen die Schutzengel des Gebäudes. Er legt den Kopf in den Nacken, lässt den Blick gleiten über die prächtige Fassade. Er sagt: „Dieses Hotel hat so viele Leben wie eine Katze.“ Dann erzählt er. Die Geschichte des Films. Die Geschichte des legendären Grandhotels. Und dann seine eigene: wie er als 18-Jähriger hier als Kellner anfing, aus Ungarn flüchtete, die Welt erkundete und 40 Jahre später wieder zurückgekehrt ist - nach Hause, in sein „Royal“. Im Herzen Europas, in der Republik Zubrowka, steht das Grand Budapest Hotel: eine glorreiche Herberge, wo sich Adel und Bourgeoisie verlustieren, bevölkert von wunderlichen Charakteren, bedroht von einem bald ausbrechenden Krieg.

Bei der Oscar- Gala am kommenden Sonntag ist der Film von Wes Anderson in neun Kategorien nominiert und gilt als einer der großen Favoriten. So gerne man hier einchecken würde, um teilzuhaben am märchenhaften Liebes-, Versteck- und Detektivspiel rund um Concierge Monsieur Gustave H. und seinen Lobby-Boy Zero: Leider ist das Grand Budapest Hotel aus dem Hollywood-Streifen eine Fiktion. Selbst hinter den sieben Bergen gibt es kein Zubrowka - man findet unter diesem Namen nur polnischen Wodka. Gedreht wurde der Film im Studio Babelsberg und in einem Jugendstil-Warenhaus in Görlitz. Doch in Ungarns Hauptstadt Budapest, einst gerühmt als „Paris des Ostens“, gibt es tatsächlich eine von Legenden umrankte Unterkunft, deren Geschichte filmreif ist. Das im Jahr 1896 eröffnete Grand Hotel Royal war einst laut Eigenwerbung das „größte, vornehmste und modernste Haus der Haupt- und Residenzstadt“.

Nur noch die Fassade und der Ballsaal sind original

Es hatte 350 Zimmer auf fünf Stockwerken, es hatte Aufzüge, elektrisches Licht und Telefon. Palmen vom Mittelmeer empfingen die Besucher, die zur 1000-Jahr-Feier Ungarns nach Budapest reisten und mit Silberbesteck speisten. Das Royal war das größte Grandhotel des Kontinents, wurde aber im Zweiten Weltkrieg massiv beschädigt. Wenige Jahre nach dem Wiederaufbau schossen dann 1956 sowjetische Panzer beim Ungarischen Volksaufstand auf das Gebäude. In den 90er Jahren wäre es abgerissen worden, hätte sich nicht die Hotelgruppe Corinthia engagiert. Zwar sind nun nur noch Fassade und Ballsaal original, doch noch immer spürt man hier etwas vom Glanz der vergangenen Belle Epoque.

Tibor Meskál, stahlblaue Augen, grau melierte Haare, dunkler Anzug, goldenes Einstecktuch, empfängt Gäste in der Lobby. Er ist Senior Duty Manager (das steht auf der Visitenkarte) und Charmeur (das erlebt man) in Personalunion, vor allem aber der einzige der vielen Hundert Mitarbeiter, der bei zwei Eröffnungen des Hotels dabei war. „1961 habe ich hier als Kellnerlehrling angefangen: Das Royal war wieder das beste Haus der Stadt und eine gute Schule“, erzählt er. Später wurde es ihm in Ungarn aber zu eng: Er türmte über Jugoslawien nach Italien, nahm ein Schiff nach Australien und servierte dort Königin Elisabeth II. bei der Eröffnung des Opernhauses von Sydney. Unter einer Bedingung: „Ihrem Butler hat meine wilde Haarpracht nicht gefallen. Ich musste also zum Friseur und auch meinen Schnurrbart abrasieren.“

Nach drei Jahrzehnten kehrte Tibor Meskál nach Ungarn zurück - sein altes Haus hatte da gerade geschlossen. Doch knapp zehn Jahre später war er wieder mit am Start, als die Wiedereröffnung gefeiert wurde. „Jetzt bin ich mit 72 Jahren der älteste Mitarbeiter. Eines Tages werde ich wohl in Rente gehen, aber so weit ist es noch lange nicht.“ Zwar gebe es, so viel Privates gibt er preis, inzwischen eine Frau in seinem Leben, „aber eigentlich bin ich mit dem Royal verheiratet“. Auch Chef-Concierge Tamás Ungár ist ein Urgestein des Hotels, seine Laufbahn im Haus begann er als Lobby-Boy.

Wenn jemand von der Grandezza eines Grandhotels, von Vorlieben und Pläsierchen berühmt-berüchtigter Stars und Sternchen zu berichten vermag, dann er. Macht er aber nicht: „Als Concierge muss man diskret sein.“ Lieber erzählt er, wie sich die Mitglieder der Vereinigung „Les Clefs d’Or“ gegenseitig helfen, um die Wünsche der Gäste zu erfüllen. „Im Film müssen die Concierges eine Flucht vor der Polizei organisieren. Ganz so dramatisch geht es bei mir nicht zu. Aber ich habe immerhin einer schwangeren Frau einmal zu einem Flug ins Krankenhaus verholfen. Später kam dann ein Brief mit einem Foto des Babys: Das Kind trägt als Dank nun meinen Namen.“

Infos zu Budapest

Anreise
Germanwings ( www.germanwings.com ) fliegt täglich von Stuttgart, Lufthansa ( www.lufthansa.com ) von Frankfurt und München direkt nach Budapest. Tickets für Hin- und Rückflug kosten ab etwa 120 Euro. Mit dem Europa-Spezial-Ticket der Bahn ( www.bahn.de/ungarn ) gibt es die Fahrt nach Budapest ab 39 Euro, mit dem Bus, z. B. ab Stuttgart, ab 29 Euro pro Strecke ( www.eurolines.de ).

Unterkunft
Im Fünf-Sterne-Hotel Corinthia Budapest, dem früheren Grand Hotel Royal, gibt es die Übernachtung im Doppelzimmer aktuell ab etwa 150 Euro. Jeden Dienstag und Donnerstag bietet Tibor Meskál Gästen eine kostenlose Hausführung mit Blick hinter die Kulissen ( www.corinthia.com/budapest ).

Geschichtsträchtig sind auch das Hotel Gellért mit seinem Thermalbad und auf der Margaretheninsel das Grand Hotel Margitsziget (beim Special „Budapest Winter Invitation“ jeweils ab etwa 65 Euro pro Doppelzimmer, www.danubiushotels.de .

Das Vier-Sterne-Hotel Palazzo Zichy mit seinen modernen Zimmern war einst die Residenz eines Grafen, ab etwa 100 Euro, www.hotel-palazzo-zichy.hu .

Touren und Sehenswürdigkeiten
Bei einem Spaziergang entlang der Donau genießt man den Blick auf das von der Unesco als Weltkulturerbe ausgezeichnete Panorama des Budaer Burgviertels sowie Architektur-Highlights wie Kettenbrücke, Parlament und die Jugendstil-Prachtbauten Musikakademie, Kunstgewerbemuseum, Sezessionsmuseum und Gresham Palace. Samstags findet eine speziell auf Filmdrehorte in der Stadt fokussierte Führung statt, 15 Euro, www.absolutetours.com .

Allgemeine Informationen
Tipps für Budapest gibt das Ungarische Tourismusamt, www.gotohungary.com . Über den Film informiert die Seite www.grandbudapesthotel.com . Die wahre Geschichte des ersten Grandhotels der Stadt erzählt Andreas Augustin in seinem Buch Grand Hotel Royal Budapest, 29 Euro, www.famoushotels.org .