Stickoxide aus dem Auspuff belasten die Luft. Foto: AP

Klimatologen sind alarmiert: Auch die modernsten Autos mit Selbstzünder-Motor belasten Luft.

Stuttgart - Wenn Stadtklimatologen sich an einem Ort wie Stuttgart etwas wünschen dürften, dann wäre es vermutlich dies: eine Stadt ohne Dieselfahrzeuge. Denn die Belastung der Luft mit Stickoxiden aus den Auspuffen ist an vielbefahrenen Straßen viel höher, als die Umweltgesetze es erlauben.

Während bei den modernen Benziner-Fahrzeugen das Stickoxidproblem "gelöst" ist und Rußpartikel lang schon keine wesentliche Rolle mehr spielen, habe sich bei den Dieseln in den vergangenen Jahren die Situation beim Parameter Stickstoffdioxid (NO2) trotz modernerer Technik verschlechtert, klagte Stuttgarts oberster Stadtklimatologe Ulrich Reuter im Rathaus.

Damit meinte der Luftexperte das Phänomen, dass von modernen Dieselfahrzeugen deutlich mehr NO2 ausgepustet werde als von Dieselfahrzeugen früherer Generationen - das ist der Preis dafür, dass der Ausstoß von Feinstaub gegen null reduziert wurde. Erst mit den Selbstzündern der Euro-Norm5, von denen es in Stuttgart bisher nur wenige gibt, hat wieder ein Trend zu weniger Direktausstoß von NO2 eingesetzt, legte Reuter am Dienstag dem Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik dar. Aber auch diese Euro-5-Fahrzeuge liegen noch über den Werten der längst überholten Euro-Normen 0 bis 2. Die modernsten Fahrzeuge der Euro-Norm6 verkehren auf den Straßen noch so gut wie gar nicht.

Umweltzone ohne Diesel unrealistisch

Das NO2 wird daher noch auf lange Sicht ein Problem bleiben - zumindest an Messstationen direkt neben vielbefahrenen Hauptstraßen. Beispiel Hohenheimer Straße: Dort wurde der NO2-Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in diesem Jahr allein schon bis 15.April an 114 Stunden überschritten. Im ganzen Jahr 2010 waren es 379 Stunden. Erlaubt sind seit 2010 nur noch 18 statt zuvor 175 Stunden pro Jahr.

Überrascht wurden die Klimatologen im städtischen Amt für Umweltschutz dagegen von der Messstelle Neckartor, wo das Messgerät bis 15. April gerade noch 19 Stunden mit Überschreitungen registrierte. Auf das ganze Jahr hochgerechnet, könnte gegenüber 2010 mit 182 Stunden somit eine deutliche Verbesserung eintreten. Erklärungen dafür hat die Stadtverwaltung von den für die Messungen zuständigen Landesbehörden noch nicht erhalten. Sie hat aber einen Verdacht, weil die Lage sich etwa just zu dem Zeitpunkt verbesserte, als in der Cannstatter Straße mit zwei stationären Blitzlichtanlagen die strenge Kontrolle von Tempo50 begann. Es liege wohl daran, dass der Verkehrsfluss stetiger geworden sei.

Der punktuelle Erfolg im Kampf gegen NO2 ist bisher aber wie ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein. Wenn in einer Stadt auf einen Schlag alle Dieselautos verboten wären, würde das NO2 in der Luft um annähernd 90 Prozent reduziert werden, vermutet man an der Technischen Universität Dresden. "Aber eine Umweltzone Stuttgart ohne Diesel ist natürlich unrealistisch", räumte Ulrich Reuter voller Realismus ein.