Der Stuttgarter Marktplatz ist weitgehend baumfrei. Zumindest aus Sicht der Veranstalter soll das auch so bleiben. Foto: /Lichtgut/Max Kovalenko

Stadtklimatologen haben angeregt, über Bäume auf dem Stuttgarter Marktplatz nachzudenken. Für Events wäre der Verlust an Standfläche existenzgefährdend – so die Veranstalter. Jetzt sucht die Stadt einen Kompromiss.

Stuttgart - Der Vorstoß des Linksbündnisses im Stuttgarter Gemeinderat, auf dem Marktplatz Bäume gegen den sommerlichen Hitzestress pflanzen zu lassen, versetzt nicht nur die Beschicker des Wochenmarkts, sondern auch diverse Veranstalter in Aufregung. Auch der City-Manager Sven Hahn warnt vor Umsatzeinbußen im Einzelhandel und plädiert für eine Planung „mit Maß und Ziel“. Die Stadtverwaltung prüft derweil verschiedene Varianten und hat ihre bisherige Maßgabe (keine Eingriffe in die Veranstaltungsfläche) erst einmal aufgehoben. Auch der Einsatz mobiler natürlicher Schattenspender ist im Gespräch.

Gegen die Auswirkungen des Klimawandels anzugehen ist ist eine gute Sache – da sind sich alle einig. Doch wenn’s konkret wird und Einschränkungen drohen, wächst die Zahl der Bedenkenträger. Da machen auch die Organisationen und Vereine keine Ausnahme, die auf dem Marktplatz alljährlich große Traditionsveranstaltungen wie das Stuttgarter Weindorf, den Weihnachtsmarkt oder das Festival der Kulturen organisieren. Die Wogen schlagen hoch: Manche Veranstalter sprechen gar davon, die Existenz ihres Events oder zumindest einzelner Beschicker stünde auf dem Spiel, und der City-Manager wirft die Grundsatzfrage auf: „Wollen wir diese Feste als Frequenzbringer für die City oder nicht?“

Der von Stadtklimatologen berechnete Kühleffekt wird in Zweifel gezogen

Anlass für die Kritik ist die jüngst im neuen Klimaausschuss des Gemeinderats vorgestellte Prüfung von Baumstandorten auf dem Marktplatz. Nach Einschätzung der Stadtklimatologen wäre eine Baumreihe in der nordöstlichen Ecke des Platzes bei dem im Zuge der Marktplatzumgestaltung geplanten Fontänenfeld am effektivsten. Dort ist der Platz im Sommer am heißesten, die Hitzebelastung lasse sich durch schattenspendende Baumkronen in diesem Bereich um mehr als 10 Grad reduzieren, so die Fachleute.

Das für den Umbau des Marktplatzes zuständige Tiefbauamt räumt ein, durch die Bäume würden sowohl der Weihnachtsmarkt als auch das Weindorf in ihrer bisherigen Ausdehnung beschnitten: Mindestens eine Standreihe fiele jeweils weg, einige Beschicker des Wochenmarktes hätten keinen Platz mehr zum Be- und Entladen ihrer Fahrzeuge. Eng würde es vor allem auch beim Festival der Kulturen und beim Christopher Street Day (CSD). Bärbel Mohrmann, Weindorf-Chefin und Sprecherin aller Veranstalter, hat ausgerechnet, das beim CSD etwa acht Stände ihren Platz räumen müssten. Noch härter träfe es die kleinen Vereine, die beim Festival der Kulturen die Verkaufsstände mehrfach im Wechsel belegen: Für die Bäume müssten sechs bis zehn Stände den Platz räumen, bis zu 30 ehrenamtliche Organisationen wären betroffen. Mohrmann: „Für die wäre das besonders schlimm.“

Veranstalter plädieren für mobile Bäume oder künstlichen Sonnenschutz

Die kühlende Wirkung der Baumkronen wird nicht nur von Mohrmann, sondern hinter vorgehaltener Hand auch im Rathaus durchaus angezweifelt. Die 10-Grad-Marke sei ein Idealzustand, der nur dann zu spüren sei, wenn man sich unmittelbar am Baumstamm aufhalte. „Da ist schon ein bisschen Augenwischerei dabei“, so Mohrmann. Zudem wären die Baumpflanzungen direkt über dem Marktplatzbunker vermutlich sehr aufwendig und teuer – gemessen am tatsächlichen Effekt. Stattdessen könnte man, heißt es aus der Verwaltung, die Aufenthaltsqualität auch durch mobile Pflanz- und Baumkübel erhöhen, wie man sie etwa von der Bundesgartenschau in Heilbronn kennt. Der Nachteil: Die Tröge müssten nicht nur vor Großveranstaltungen, sondern auch für den regelmäßig stattfindenden Wochenmarkt abgeräumt werden. Für Bärbel Mohrmann wäre dies eine Variante, mit der die Veranstalter leben könnten. Sie könnte sich auch für einen künstlichen Hitzeschutz erwärmen, wie sie jüngst von einem Unternehmen aus Oberaichen ins Gespräch gebracht wurden. Die Firma Firma SL Rasch – spezialisiert auf die Herstellung von Großschirmen – hatte vorgeschlagen, anstelle der Bäume sechs große Metallschirme zu installieren. Falls aber Bäume doch fix im Untergrund verankert werden sollten, hält Mohrmann es nicht für ausgeschlossen, dass das eine oder andere Event künftig gar nicht mehr stattfindet: „Wir vom Weindorf müssten zumindest unsere Konzeption völlig neu überdenken.“