Zwischen den Fassaden des Wilhelmspalais ist eine weitere Kellerebene geschaffen und der Boden mit viel Stahl bestückt worden – jetzt wird die Bodenplatte betoniert. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Neue Zweckbestimmung, neuer Einbau: Das einstige Wohnhaus des württembergischen Königs Wilhelm II. war nach dem Zweiten Weltkrieg 15 Jahre Ruine, dann mit einem neuen Betonkern Stadtbücherei. Jetzt passen Architekten und Bauarbeiter wieder ein Innengehäuse ein – für ein Stadtmuseum.

Stuttgart - Die erste Fuhre Beton kommt an diesem Donnerstag. Er wird sich über dem Stahl ergießen, der auf einer neu ausgehobenen Kellerebene für die Bodenplatte des Stadtmuseums präpariert ist. Dieser Moment markiert einen Wendepunkt beim Umbau des Wilhelmspalais.

Im Frühjahr wurde das Dach des Kulturdenkmals geöffnet und von oben nach unten der Betonkern ausgebaut, der zu Beginn der 1960er Jahre für eine neue Stadtbücherei in die Kriegsruine eingebaut worden war. Jetzt kommt der neue Kern rein, der notwendig ist, damit nach dem Auszug der Stadtbücherei ein Stadtmuseum entstehen kann. Seit diesem Donnerstag wird nicht mehr abgebaut. Es wird wieder aufgebaut.

Das ist nicht nur für Wolfgang Müller ein denkwürdiger Meilenstein, der mit der Initiativgruppe Stadtgeschichte für die Bürger steht, die endlich auch Stuttgart ein Stadtmuseum verschaffen wollten. Mehr als ein Jahrzehnt hatten sie sich dafür eingesetzt. Ihr „Traum vom Raum“ für die Stadtgeschichte kommt der Verwirklichung näher als jemals zuvor. Jetzt entstehe die „denkbar beste Lösung“, sagte Müller am Dienstag vor der Grundsteinlegung für den Museumseinbau. Natürlich, ist doch das Wilhelmspalais selbst ein wichtiges Ausstellungsobjekt zur Stadtgeschichte.

Ein Meilenstein ist es auch für Bettina Klett, die dem im Frühjahr gegründeten Freundeskreis Stadtmuseum Stuttgart e. V. vorsitzt. Mit ihren Mitkämpfern hat sie im September mit dem Anwerben von Förderern begonnen. 51 Mitglieder hat der Verein inzwischen.

Für den Architekten Arno Lederer beginnt nach fünf Jahren Vorarbeiten mit dem „Ausbau des Wilhelmspalais eine der schönsten Aufgaben“, die es für seinesgleichen in Stuttgart gibt. Schließlich sei dieses Palais das nahezu einzige übrig gebliebene Palais in Stuttgart, das letzte in der Innenstadt. Und selbst davon gibt es ja nur noch die Fassaden. Zwischen ihnen entsteht ein neues Gebäude mit allem, was ein Stadtmuseum braucht. Alte und neue Fassaden werden nicht miteinander verschmelzen. Was neu ist, wird im Erdboden verankert und gegen Erdbewegungen gesichert wie andere neue Gebäude. Was alt ist, nämlich die fast 180 Jahre alten Fassaden nach Entwürfen des einstigen Hofbaumeisters Giovanni Salucci, wird nur stellenweise am neuen Innengebäude verankert. Es entsteht ein Haus im Haus, was auch unter energetischen Gesichtspunkten modernem Standard gerecht wird. Die thermische Hülle stimmt.

So schön die Aufgabe auch sein mag für Arno Lederer – sein Blick geht weiter als nur bis zur geplanten Fertigstellung und Eröffnung des Stadtmuseums im Herbst 2017. Die Grundsteinlegung hat Lederer zum Anlass genommen für einen flammenden Appell, dem Palais in der Stadt wieder einen gebührenden Platz zu verschaffen. Und zwar als Teil eines neuen Museumsviertels, wie es so schön nicht einmal in Berlin, München oder Frankfurt am Main existiere. Denn dort seien die Museumsviertel auf knappen Raum angewiesen oder von Zuggleisen durchtrennt. In Stuttgart könne eine winkelförmige Kulturmeile von erheblicher Ausdehnung entstehen, wenn man diese Kulturmeile nicht mehr bloß auf die kurze Konrad-Adenauer-Straße reduziere, an der auch das Wilhelmspalais steht.

Der Schlüssel dafür, um „einen der schönsten Kulturräume Europas“ zu erschließen, ist für Lederer die Zurückgewinnung der Planie. Sie sei, sagt er, eine der schönsten Alleen gewesen, die man sich vorstellen könne – ehe sie ganz dem Verkehr gewidmet wurde. Dem Verkehr müsse man sie wieder abtrotzen. Ein Unterfangen, bei dem Lederer auch auf OB Fritz Kuhn von den Grünen hofft, dessen Thema die Verringerung des Verkehrs ja bekanntlich ist.

Mit einer Planie nach Lederers Vorstellung wäre das Palais als früheres Wohnhaus von Prinzessinnen und späteres Wohnhaus des Königs der Endpunkt einer wunderbaren Achse. Und das Visavis des Kunstmuseums, das am Standort des früheren Kronprinzenpalais steht. Ein bisschen was von dieser Achse ahnt man sogar jetzt, wenn man von der Baugrube zwischen den Wilhelmspalais-Fassaden hinausschaut in Richtung Planie. Der Blick schweift durch eine Fensteröffnung zwischen zwei Säulen und durch eine Lücke in der Plastikverpackung der Fassaden, die Wetterschutz im Winter bieten sollen. Der Blick schweift hinüber zum Alten Schloss und zum Kunstmuseum. Zur Achse der Hoffnung für Arno Lederer.