Ob’s an der Zylinderkopfdichtung liegt? Valeri (l.) und sein Mechaniker-Bruder geben ihr Bestes. Foto: Lepping

Wodka, und schon klappt der Mietwagentausch: Wer in die Ukraine reist, sollte trinkfest sein.

Das Auto verreckt bereits nach einer Stunde Fahrt durch die Dörfer vom Flughafen an die Westküste der Krim. Der nachtragende Tacho zeigt exakt 42 Kilometer, schließlich misst er nur die Länge und nicht etwa jene Zeit, die wir in einem, sagen wir: Straßencafé, an der Überlandpiste von Simferopol nach Evpatorija genüsslich vertändelt hatten. Der Caféinhaber ist so amüsiert über die beiden deutschen Touristen, die da mit dem Sprachführer in der Hand radebrechend nach ukrainischem Bier, gefülltem Ceburek-Fladen und Kaffee fragen. Schnell bringt er alles auf den Tisch, zählt grinsend auf Deutsch „eins, zwei, drei, vier“, um sich sprachlich für unsere Mühen zu revanchieren, und wir verlassen kräftig umarmt von seinen starken Pranken unseren ersten Boxenstopp.

Der zweite Boxenstopp führt uns direkt in die Werkstatt. Der Auspuff des Mietwagens hat nach Auskunft unserer mobilen Hintermänner annähernd Feuer gefangen: „Nix good.“ Die vier Automechaniker, die an der Küstenstraße kurz vor Saki sogar samstagnachmittags um halb fünf verölt, verschwitzt und vergnügt in ihrem kleinen Himmelreich – mit ollem Sofa und wattstarkem CD-Player– an Autos herumschrauben, ahnen unsere Lage. Aber sie nutzen sie nicht aus. Das Auto ist hin, der Verleiher irgendwie unleidlich, aber er bringt uns bereits nach drei Stunden ein Ersatzfahrzeug. Valeri und seine Mechaniker-Brüder schieben den kaputten Karren aus der Werkstatt, erkundigen sich telefonisch beim Verleiher, ob der die Autos auch wirklich austauscht, und holen uns zu sich auf die Couch: Der eine war häufiger in Dresden, der andere kennt eine deutsche Familie– und alle amüsieren sich darüber, dass bei diesen Deutschen hier die Frau fährt und der Mann die Karte liest, deren Ortsnamen wiederum sie vor Abflug aus dem Kyrillischen ins Lateinische übersetzt hat, damit er zielsicher sagen kann, wo es am besten langgeht. So will es die Legende nicht nur dieser Karte.

Wir landen also auf dem Werkstattsofa. Die Jungs servieren Bier, Wodka und getrockneten Fisch. Dazu allerlei Tricks mit Gläsern auf schiefen Ebenen und plötzlich abfallenden Wodka-Pegeln; lecker. Der Typ mit dem Ersatzfahrzeug braucht ausnehmend lang.

Als er um halb sieben kommt, verlangt er Extra-Geld, wofür auch immer, doch die Rechnung hat er ohne seine vier Landsleute gemacht, die ihm erklären, dass die beiden Gestrandeten hier längst Freunde seien, und Freunde haut ein Ukrainer nicht übers Ohr. Wie? Dieser Ukrainer ist ein Russe – und darum will er weiter Geld von diesen Deutschen? Valeri braust auf und knüpft sich den Russen vor; es riecht nach Schweiß. Der Russe zieht unverrichteter Dinge ab. Als es acht ist und dunkel und die Gläser leer, winken uns die Jungs aus der Werkstatt nach. Wir haben ihre Telefonnummern, und wenn uns die Polizei anhält, sollen wir sie anrufen.

Na klar. Wir haben ein neues, blaues Auto, das sich irgendwie wie von allein fährt, und eine kyrillische Karte, die sich irgendwie von allein liest, aber wir stoppen doch lieber im nächsten Ort und nehmen das erstbeste Hotel von Evpatorija. Die Rezeptionistin, die wir bitten, uns wegen der hochtourigen Klimaanlage doch ein warmes Oberbett zu geben, bringt den Stoff und deckt mich bei dieser Gelegenheit fast mütterlich-fürsorglich zu, bevor sie den Ventilator auf leise stellt und zur Tür hinausschlüpft. Wir sind einfach nur glücklich – und erst acht Stunden auf der Halbinsel.
Es folgen zwei Wochen auf der Krim ohne jede weitere Panne, aber letztlich war jeder Tag wie dieser erste: so heiter und zugewandt die Menschen, so hilfsbereit und interessiert.

Beispiele: Wir verlaufen uns im Krimgebirge unterhalb der alten Höhlenstadt Mangup Kale und marschieren zunehmend verzagt links talwärts, wie es uns ein Wanderer bedeutet hatte. Verschrammt und erschöpft sehen wir kurz vor Einbruch der Dämmerung ein Hausdach zwischen Baumwipfeln und hören einen Automotor. Wir laufen immer schneller; sind dort Leute, und sind wir überhaupt in dem Ort, in dem unser Wagen steht? Der parkt in der Nähe eines Weihers. Entsprechend fragen wir die Menschen in dem Jeep, die gerade ihr Haus verlassen, in unserem miserablem Ukrainisch: Auto? Wasser? Parkplatz? Oh ja, nickt die Ukrainerin, steigt aus ihrem Jeep und zückt ihren Straßenplan: Auf der Insel gäbe es viele schöne Plätze, an denen wir mit dem Auto am Wasser parken könnten. Als sie uns beiläufig zeigt, wo wir sind (und wir sind wirklich richtig!), lachen wir vor ehrlicher Erleichterung, und sie sieht darob auch ganz zufrieden aus.

Und Sandstrände gibt es wahrlich schöne – eher im Südwesten zwischen Nikolaevka und Kap Lakull bis nach Sewastopol zur Ausgrabungsstätte Chersonnes als entlang der Südküste zwischen Foros, Jalta und Feodosia, wo aber schöne Kurgärten, Kieselstrände und Felsabschnitte rundum sowie unzählige Hotels und Sanatorien zum Baden einladen. Vier Fünftel der Halbinsel sind versteppt, nur der südliche Teil ist touristisch interessant. Leider ist die Müll- und Abwasserentsorgung vielerorts unter aller Kanone.

Da Krimtataren, Juden, orthodoxe Christen, Griechen, Briten, Franzosen und bis heute immerzu die Russen Spuren hinterlassen, gibt es Moscheen (Evpatorija), Monastyre und Khans-Palast (Bachcisaraj) , Museen der Schwarzmeerflotte (Balaklava), Höhlenstädte (Cufut Kale/Mangup Kale) und -klöster (Uspenskij/Inkerman). Geschichtsinteressierte können sich kaum sattsehen an Sewastopol, wo die Schwarzmeerflotte Zeugnis auch von der jüngsten ukrainisch-russischen Militärgeschichte ablegt und am Konferenztisch des Livadija-Palastes in Jalta die Alliierten Deutschland aufteilten. Stille und Besinnlichkeit auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Gontscharnoje östlich von Sewastopol.

Wanderer und Radfahrer kommen in den Bergen auf ihre Kosten: Der Bolschoi-Canyon versöhnt auch noch die verstolpertsten Flip-Flop-Spaziergänger mit dem Versprechen ewiger Jugend für jeden, der in dem neun Grad frischen „Becken der Jugend“ badet, durch das sich Gebirgsbäche schlängeln. Wohnen lässt es sich in neueren kleinen Hotels oder in den „Pansionata“, jenen alten, oft noch sehr sowjetisch anmutenden Wohnheimen.

Das Volk soll für noch recht kleines Geld an schönen Stränden Ferien machen und sich amüsieren können. Und es soll satt werden, also stehen schon zum Frühstück Terrinen mit Milchreis und Nudeln auf dem Tisch, und es wird voll, da alle (!) Gäste morgens zwischen 8 und 9 Uhr, mittags zwischen 12und 13 Uhr oder abends zwischen 19 und 20 Uhr essen müssen. Spätestens hier ist klar: Individualurlaub auf der Krim ist im Grunde nicht vorgesehen, aber wer ihn wagt, der trifft auf nette Menschen, die sich freuen, wenn bei ihnen auch solch ein Urlaub gelingt.

Saki

Anreise
Die Krim gehört zur Ukraine. Die Einreise ist visumfrei mit Reisepass möglich. Fähren starten von Istanbul oder Odessa, schneller geht es mit dem Flugzeug über Kiew, Riga oder Frankfurt. Mit dem Auto via Polen, Ungarn oder Rumänien.

Unterkunft
Der private Tourismus nimmt zu. Es gibt immer mehr kleinere Hotels; Sanatorien bieten Rundumversorgung, sind aber wie die Pansionata meist Familienerholungsheime mit etwas überkommenem sowjetischem Charme. Die Gastgeber sind auf Vollpension eingestellt und geben Proviantbeutel für Einmalübernachter mit. Immer einen Platz gibt es in der Touristen-Basis Prival des Khan-Palastbergdorfs Bachcisaraj, in Hotelkolossen wie dem „Krim“ in Sewastopol oder dem pfiffigen Hotel Forum in Sudak.

Essen und Trinken
Auch in der Ukraine gibt’s usbekischen Plov – ein Reisgericht mit und ohne Fleisch. Toll sind die Rote-Bete- und Sauerrahmeintöpfe, Pelmeni, Buchweizenpfannkuchen und Cebureki-Fladenbrote. Unbedingt kosten: die krimtatarische Küche.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall im Süßwassersee unterhalb des Felsenklosters Inkerman baden und mit der Fähre die Bucht von Sewastopol queren. Kompass einstecken!

Auf keinen Fall zu tief mit dem Zeh im Strandsand bohren und Plastikmüll zum Vorschein bringen.

Allgemeine Informationen
Es ist üblich, private Zimmer an Durchfahrtsstraßen oder Bushaltestellen anzunehmen. Die Gastgeber bevorzugen allerdings Wochen-Urlauber.