Andreas Toba hat wieder Spaß am Turnen. Foto: Baumann

Andreas Toba ist bei der Heim-WM in Stuttgart der einzige deutsche Turner, der sich im Mehrkampf-Finale mit den 23 Besten der Welt messen darf. Es ist auch das Ende seiner Leidenszeit.

Stuttgart - Wer Andreas Toba (29) dieser Tage bei der WM in Stuttgart erlebt, der sieht einen höflichen, aufgeräumten jungen Mann. Einer, der oft strahlt, einer, der oft lacht. Stimme und Tonfall sind, na klar, noch immer sanft, leise und zart. Aber wenn es zur Sache geht in der Schleyerhalle, dann ist Toba einer der lautesten. Er ist der, der in die Menge schreit und die Muskeln spielen lässt. Er ist der, der Arme kreist, um Applaus vom Publikum herauszukitzeln.

Toba ist dann ganz bei sich. Denn die Emotionen rauszulassen, das gehört bei einer Heim-WM dazu, auch bei einem introvertierten Typen wie ihm. Das betont er auch beim Gesprächstermin einen Steinwurf von der Schleyerhalle entfernt.

Dann betont er, wie glücklich er ist.

Aus gutem Grund.

Die Zeit der Leiden ist vorbei

An diesem Freitag (16 Uhr/SWR-Livestream) darf er sich als einziger Deutscher mit den 23 besten Turnern der Welt im Mehrkampf-Finale messen. Das klingt nicht allzu spektakulär. Bei Toba aber ist es das. Er hat eine Punktlandung hingelegt nach drei Jahren Verletzungsleiden. Rechtzeitig fit geworden zu sein für eine Heim-WM, das ist Spektakel pur. Es ist das innere Glücksgefühl schlechthin für ihn. „Diese WM“, sagt Toba, „ist die Belohnung für die Leiden und die Arbeit in den vergangenen Jahren.“ Toba sagt auch: „Ich genieße es, wieder turnen zu können.“

Das Selbstverständliche war vorher lange nicht möglich. Genauer gesagt von Sommer 2016 an nicht. Von seinem Karrierehöhepunkt an – zumindest jenem in der öffentlichen Wahrnehmung – begann die Talfahrt. Körperlich und emotional.

Erinnerungen an Rio 2016

Die Geschichte des Andreas Toba ist bekannt, landauf und landab, kreuz und quer und überall. Toba ist der „Hero de Janeiro“, der Olympia-Held der Sommerspiele 2016 in Rio, wo er sich bei seiner ersten Übung, der Qualifikation für das Mannschaftsfinale am Boden, einen Kreuzbandriss zuzog. Als alle dachten, dass es jetzt vorbei ist für Toba. Die Bilder, wie der heulende Athlet von seinen Mannschaftskollegen getröstet wurde, gingen um die Welt.

Aber mehr noch mehr prägten sich die Bilder ins Gedächtnis, wie Toba wenig später mit gerissenem Kreuzband eine grandiose Übung am Pauschenpferd turnte und sein Team damit ins Finale brachte, das er dann selbst wegen seiner Verletzung nicht mehr bestreiten konnte.

Es war der Stoff für eine Heldengeschichte. Tapferkeit, Aufopferung fürs Team trotz eigenem traurigen Schicksal. Schinden für die Kollegen trotz einer heftigen Verletzung. Tränen. Schmerz.

Toba war der deutsche Sportheld.

Der Helden-Geschichte folgt ein Tief

Dass er danach in ein tiefes körperliches und emotionales Tief fiel, ging im öffentlichen Toba-Epos unter. Denn der Kreuzbandriss von Rio warf Toba zurück. 13 Monate musste er zunächst pausieren. Es dauerte dann nur wenige Monate, bis er sich erneut am Knie verletzte. Im Februar 2018 zog er sich einen Meniskusschaden im Knie zu. Jetzt sagt er im Rückblick: „Nach der dritten Knieoperation war meine Welt grau, ich habe in Selbstmitleid gebadet. Aber dann bin ich nach drei Wochen Krankenhaus sofort in die Trainingshalle gefahren. Und als ich dort das Magnesia in der Luft atmen durfte, war meine Welt wieder bunt.“

Jetzt, bei der Heim-WM in Stuttgart, ist sie kunterbunt. Und nicht mehr eintönig. Denn es gab eine Zeit, da nervte es Toba, dass er nur noch als der Rio-Held wahrgenommen wurde. So ein Held will Toba nicht sein, zumindest nicht nur. Er will ein Turner sein. Und als solcher gesehen werden. Wobei er schon vor knapp drei Jahren, als die ganzen Ehrungen und Ehrenpreise etwas überhand nahmen, betonte dass das jetzt eben zu seinem Leben gehöre. Nun, in Stuttgart kommt der entscheidende Satz hinzu, um diesen Typen verstehen zu können: „Aber ich bin nicht Turner geworden, um mir wehzutun.“

Der Anführer der DTB-Turner

Rio also darf präsent sein, aber bitte nicht immer und überall, und vor allem nicht immer nur mit diesen Bildern mit den Tränen in seinen Augen, so sieht es Toba selbst. Der Hannoveraner will jetzt eine neue Geschichte schreiben. Er ist der Anführer und das Gesicht des deutschen Männerteams bei der WM.

Eine Medaille im Mehrkampffinale ist illusorisch, ein Platz unter den ersten zehn wäre ein Erfolg. Toba aber hat die Olympischen Spiele 2020 in Tokio im Blick. Er sagt über sich und seine Qualitäten etwas drollig: „Ich bin ein Allzweckturner.“ Was er meint: Er hat kein Spezialgerät, an dem er besonders gut ist. Er ist der klassische Mehrkämpfer, der dem Team an jedem Gerät helfen kann. „Das ist eine Karte, mit der ich auftrumpfen kann“, sagt Toba. Dann grinst er.

Denn dass er vor einem Mehrkampffinale einfach mal nur übers Turnen reden kann, das macht ihn glücklich.