Ein höherer CO2-Preis und steigende Netzentgelte: Verbrauchern droht 2024 der Preisschock. Doch zum Jahresbeginn sind Strom und Gas günstig wie lange nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Die Meldung ließ Stromkunden kurz vor Weihnachten aufschrecken: Die Bundesregierung strich im Haushaltskompromiss den Bundeszuschuss von 5,5 Milliarden Euro für die Stromnetze, die vier großen Fernleitungsbetreiber haben daraufhin die Strom-Netzentgelte zum Jahreswechsel von 3,1 auf 6,4 Cent pro Kilowattstunde mehr als verdoppelt. Zugleich ist zum 1. Januar der CO2-Preis für alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel von 30 auf 45 Euro pro Tonne gestiegen. Und als stünden die Vorzeichen für das Energiejahr 2024 nicht schon schlecht genug, sind zum neuen Jahr auch noch die Energiepreisbremsen ausgelaufen.
Doch vom befürchteten Preisschock ist bei Verbrauchern bisher wenig angekommen. Im Gegenteil: Wer Strom- und Gastarife vergleicht, findet dieser Tage günstigere Angebote als vor einem Jahr. Das zeigt eine Analyse des Vergleichsportals Verivox. Die Gründe für die besseren Konditionen bei Neukundenverträgen liegen im Großhandelsmarkt. Denn dort, wo die Versorger die Energie für ihre Kundschaft kaufen, sind die Preise gesunken. Das hat mehrere Ursachen.
So viel muss eine Familie für Strom zahlen
Verivox rechnet vor: Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr zahlte im Januar 2024 bei Neuabschluss im günstigsten verfügbaren Stromtarif mit Preisgarantie im bundesweiten Durchschnitt 1028 Euro. Zum Vergleich: Im Januar 2023 lag dieser Wert noch bei 1657 Euro – und ist damit in den vergangenen zwölf Monaten um 38 Prozent gesunken.
Wer den günstigsten Tarif bietet, kann von Ort zu Ort schwanken – das liegt an den unterschiedlich hohen Netzentgelten, die fast ein Viertel des Strompreises für Haushalte ausmachen. So zahlt die Beispielfamilie, die in Mühlacker den günstigsten Tarif abschließt, für 4000 kWh rund 1236 Euro, also etwa 200 Euro mehr als im Bundesmittel (Stand 5. Februar). Günstiger davon kommen Energiekunden in Metzingen, wo eine Familie für die gleiche Menge Strom beim Anbieter Lichtblick nur rund 888 Euro zahlt. Das sind 186 Euro weniger als in Stuttgart, wo für diese Strommenge mindestens 1074 Euro anfallen.
Gaspreise für Neukunden haben sich fast halbiert
Bei den Grundversorgern zeichnet sich laut Verivox bislang nur ein leichter Trend zu Preiserhöhungen ab. Einige hätten für Februar und März Erhöhungen angekündigt, durchschnittlich um fünf Prozent. Andere wiederum wollen die Preise senken, im Durchschnitt ebenfalls um fünf Prozent. Insgesamt betrachtet habe aber die „große Mehrheit“ der regionalen Versorger ihre Preise im ersten Quartal nicht erhöht, bilanziert Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox.
Günstig wie lange nicht sind dieser Tage auch die Gaspreise. Wer im Januar 2024 einen Neukundenvertrag abschloss, zahlte halb so viel wie vor zwölf Monaten. So kosteten damals 20 000 kWh Gas für ein Einfamilienhaus im günstigsten verfügbaren Tarif mit Preisgarantie im Schnitt noch rund 3202 Euro. Zum Jahresbeginn gab es die gleiche Menge Gas für 1646 Euro, das ist ein Kostenabfall von 1556 Euro. Auch in der Gasgrundversorgung meldet Verivox für Februar und März mehr angekündigte Preissenkungen als Erhöhungen – allerdings ist das Preisniveau teils noch sehr hoch.
Darum bleibt der Preisschock aus
Die Gründe für den ausbleibenden Energie-Preisschock: „Die Beschaffungskosten der Unternehmen sind niedriger als vor einem Jahr“, sagt Verivox-Experte Storck. Das fange die Mehrkosten bislang auf. Deutlich macht das etwa ein Blick auf Daten der Energiebörse EEX in Leipzig. Belief sich der Strompreis dort im Krisenjahr 2022 nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine noch auf 23 Cent je kWh, ist er bis zum Januar dieses Jahres auf acht Cent je kWh gesunken. Zum Endkundenpreis auf der Stromrechnung addieren sich zusätzlich noch Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen sowie die Gewinnmarge des Stromanbieters.
Was die Großhandelspreise zusätzlich günstig macht, ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, wenn viele Solar- und Windparks Strom einspeisen – und wenig fossile Kraftwerke benötigt werden. Darüber hinaus bilden sich die Preise im Zusammenspiel mit Nachbarstaaten, zum Beispiel dann, wenn günstigerer Strom aus dem Ausland auf den deutschen Markt drängt.
Verband erwartetet höhere Preise
Allerdings könnten die höheren Netzentgelte und der CO2-Preis noch mit Verspätung durchschlagen. „Besonders bei den Grundversorgern rechnen wir mit einer Preisanpassungswelle in den nächsten Wochen“, sagt Steffen Suttner vom Vergleichsportal Check 24. Diese Befürchtung hat auch Kerstin Andreae, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft. Wegen der kurzen Frist sei es den Versorgern nicht möglich gewesen, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzugeben. In der Grundversorgung müssten Erhöhungen sechs Wochen vorher angekündigt werden, bei anderen Verträgen in der Regel mindestens einen Monat vorher. Sie gehe davon aus, dass die meisten Versorger die Erhöhung bald nachholen.
So gelingt der Tarifwechsel
Wechseln
Wer aktuell für Strom mehr als 40 Cent und fürs Gas mehr als 12 Cent je Kilowattstunde zahlt, sollte über einen Anbieterwechsel nachdenken, rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Vor Vertragsabschluss sollte man im Internet recherchieren, ob das Unternehmen in der Vergangenheit negativ aufgefallen ist.
Kündigen
Wichtig sei es, die Kündigungsfrist zu prüfen. Aus der Grundversorgung kann man jederzeit mit zweiwöchiger Frist wechseln, aus anderen Verträgen kommt man teils nicht so schnell heraus. (jo)