Gleicher Preis - weniger Inhalt: Hersteller schrecken vor Tricks nicht zurück. Foto:  

Der Preisdruck auf Firmen im Kampf um die billigsten Waren ist groß. Statt ihre Produkte teurer zu machen, verringern viele Hersteller lieber den Verpackungsinhalt. Für Kunden ist das Spiel mit den Füllmengen kaum zu durchschauen.

Hamburg - Wo bis vor kurzem noch die Zahncremetuben der Marke Dentagard lagen, bleibt der Platz im Regal nun leer. „Gleicher Preis bei weniger Inhalt: Da streiken wir!“, teilt dm seinen Kunden auf einem kleinen Schildchen mit. Statt der bisherigen 100 Milliliter sind nun nur noch 75 in der Tube – billiger wurde sie nicht.

Der Trick ist beliebt. Ob Schokoriegel oder Kekspackungen, Windeln oder Suppentüten: Immer wieder schrauben die Hersteller an den Füllmengen, immer wieder bleibt der Preis aber der gleiche. Wird die Packung kleiner oder sinkt der Inhalt, bekommen die Kunden faktisch weniger für ihr Geld als vorher. Dahinter steckt durchaus Methode, sagt Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Geringe Änderungen an der Füllmenge fallen den Kunden im Laden nur selten auf. Die Hersteller kaschieren damit eine Preiserhöhung“, sagt Valet.

Das Spiel mit den Füllmengen ist möglich, weil 2009 die Standardgrößen bei Verpackungen in der EU abgeschafft wurden. Statt klarer Einheiten von 50 oder 250 Gramm finden sich in den Supermarktregalen seither Schokoriegel à 23 Gramm, Fertigkuchen-Packungen mit 258 Gramm oder Ketchup-Flaschen mit 430 Millilitern. Supermärkte sind lediglich dazu verpflichtet, den Grundpreis pro Einheit im Regal auszuweisen - also den Preis je 100 Milliliter, 100 Gramm, je Liter oder Kilogramm. „Die Konsumenten müssten also die Grundpreise der Produkte, die sie kaufen, auswendig wissen, um die Preisveränderung zu bemerken“, sagt Valet. Zusätzlich erschwert wird das, weil die Grundpreise bei ähnlichen Produkten mal je Kilogramm, mal je 100 Gramm angegeben sind. „Transparent ist das alles nicht“, sagt Valet. Da die Preise am Supermarktregal vom Händler bestimmt werden und nicht vom Hersteller, ist von den Konsumenten hinterher kaum mehr nachvollziehbar, wer den Preis aufschlägt.

Täglich prüft Valet Beschwerden

Weil die Hersteller selbst nicht über Änderungen der Preise oder Füllmengen informieren, deckt die Hamburger Verbraucherzentrale regelmäßig „Mogelpackungen“ auf und macht versteckte Preiserhöhungen öffentlich. Täglich prüft Valet Beschwerden verärgerter Kunden, fragt bei Herstellern an und ergänzt seitenlange Listen, in denen er die Änderungen öffentlich macht.

Auf diesen Listen findet sich nicht nur das jüngste Beispiel der Zahnpasta Dentagard, das in der vergangenen Woche für Aufregung sorgte, sondern beispielsweise auch die rosafarbene bebe-Creme. Johnson & Johnson hat erst vor wenigen Wochen neue Zartcreme-Dosen auf den Markt gebracht: Mit verändertem Design, weniger Inhalt – und zum Teil höherem oder gleichem Preis: Statt 30 Milliliter Creme bekommt man für 29 Cent nur noch 25 Milliliter. „Kleinere Optimierungen der Rezeptur“ seien Teil der neuen Serie, rechtfertigt sich die Firma. Der Hauptgrund für die Preiserhöhung: „die Anpassung einiger Formate an handelsübliche Größen und ein neues Design“.

Und dann sind da noch die Windeln von Pampers: das Parade-Beispiel der Mogelpackungen, der Aufreger schlechthin für Kunden und Verbraucherschützer, sagt Valet. Innerhalb der letzten acht Jahre wurde die Stückzahl der Baby-Dry-Windeln in Größe vier schrittweise von 47 Stück auf 34 je Packung im Jahr 2013 und nur noch 30 in diesem Jahr verringert – bei gleichem Preis. Über 50 zusätzliche Pakete Windeln pro Jahr müssten Eltern für ihre Babys im Vergleich zu 2006 also mittlerweile kaufen, rechnete die Verbraucherzentrale in Hamburg vor. Eine teure Angelegenheit – doch die Hersteller halten dagegen: Die Windeln verfügten heute über eine „längere Trockenheitslage“, sagte eine Sprecherin von Procter & Gamble unserer Zeitung – die Windel scheint also weniger schnell zu durchnässen. „Um ein Markenprodukt wie Pampers stets auf dem neuesten Stand der Technologie zu halten und kontinuierlich zu verbessern, bedarf es hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung und in nachhaltige Produktion“, so die Sprecherin.

Rein rechtlich kein Problem

Preiserhöhungen seien für Hersteller häufig unvermeidbar, sagt Martin Fassnacht, Professor an der Wirtschaftshochschule WHU. Denn: „Die Kosten für die Herstellung steigen – die Rohstoffpreise, die Personalkosten, die Güterpreise.“ Unterm Strich zumindest. Rein rechtlich gesehen seien versteckte Preiserhöhungen kein Problem, und für Hersteller sei es heute schwerer, Preiserhöhungen gegenüber den Kunden offen zu rechtfertigen. Allerdings sollten solche Preiserhöhungen auch mit Leistungsänderungen einhergehen, sagt Fassnacht: „Weniger Verständnis habe ich, wenn der gleiche Artikel bei deutlich weniger Inhalt auf einmal genauso viel kosten soll. Noch dreister sind Fälle, wo zwar der Preis gesenkt wird, die Verkaufsmenge jedoch überproportional reduziert wird.“

Weniger Inhalt in die Packung zu füllen ist aber nur eine Form des Spiels mit dem Preis. Auch beliebt: größere Packungen bei gleichem Inhalt – also mehr Luft. Getrickst wird auch mit Versprechen für mehr oder besseren Inhalt. Ein Beispiel dafür bot zuletzt die Kinderschokolade: Statt der bisherigen acht Riegel wirbt Ferrero mit neuerdings zehn Riegeln pro Packung. Für weit mehr Geld: Statt bisher 99 Cent unter anderem bei Rewe kostet eine Packung Kinderschokolade nun 1,29 Euro. Der Schwellenpreis von unter einem Euro ist überwunden, die Preiserhöhung von vier Prozent ebenfalls. Und das fast unbemerkt.

Damit Verbraucher zumindest ein bisschen mehr Überblick haben, fordert der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde seit Jahren mehr Transparenz bei der Preiskennzeichnung. „Ziele waren unter anderem eine Mindestschriftgröße sowie einheitliche Bezugsgrößen für die Füllmengen“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Bislang sei die Bundesregierung auf diese Forderungen aber noch nicht eingegangen. Für Kunden heißt das also: Weiter genau hinsehen im Supermarktregal, vor allem bei den Füllmengen.