Bernd Sibler, bayerischer Wissenschaftsminister (CSU, l-r), Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident (CSU), Hubert Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister (Freie Wähler) und Albert Füracker, bayerischer Finanzminister (CSU) sitzen auf der MS Bodensee vor ihrer Abfahrt im Hafen von Lindau. Foto: dpa

Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann und Markus Söder, wollen die Südschiene neu beleben. Alles nur Show – oder der Anfang einer Strategie, um die Zentralisierungsbemühungen Berlins einzudämmen?

Meersburg - Nicht ein Wölkchen ist am Himmel, die Sonne strahlt, als die „MS Bodensee“ mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinen Kabinettskollegen am Meersburger Hafen, Steg 3, anlegt und von Winfried Kretschmann (Grüne) empfangen wird. Söder trägt ein blaues Poloshirt, es weht ein Hauch von vorgezogenen Sommerferien. Oberhalb des Hafens wacht das Meersburger Schloss. Dort treffen sich die Kabinettsmitglieder von Bayern und Baden-Württemberg an diesem Mittag, um hinter verschlossenen Türen aktuelle Themen wie die Zukunft der Automobilbranche, über die Energiewende und den Klimaschutz bis hin zur Digitalisierung zu diskutieren. Als Kretschmann und Söder danach vor die Presse treten, betonen beide die Gemeinsamkeiten. Unterschiede spielen diesmal keine Rolle. Wohl auch, weil die Regierungschefs wissen, dass sie von diesem Treffen mit dem Fokus auf ihre Personen profitieren: Kretschmann stellt beim Versuch, tiefer ins konservative Lager vorzudringen, die Südwest-CDU in den Schatten. Und für Söder ist es Gelegenheit, sein Image in liberaleren Kreisen aufzubessern.

Kampf für starken Föderalismus

Aber es stecken nicht nur persönliche Interessen hinter dem gemeinsamen öffentlichkeitswirksamen Auftritt. Kretschmann (71) und Söder (52) geht im Bund vieles zu langsam. Man konkurriere nicht mit Mecklenburg-Vorpommern, sondern mit dem Silicon Valley, China, Singapur und Japan, verdeutlicht der Grüne. Weil zwei Länder mehr Gewicht haben als eines allein, wollen die beiden nun stärker zusammenarbeiten und die Südschiene neu beleben. Sie wissen, dass sie damit auch ein Signal nach Berlin senden – auch um den Zentralisierungstendenzen entgegenzuwirken. Beide eint der Kampf für einen starken Föderalismus. Entscheidend sei, dass man den Trend Geld gegen Kompetenzen durchbreche, sagt Söder. Und sowieso: Der Bund dürfe nicht nur umverteilen, er müsse auch die Stärken stärken, fordert er. Und die Stärken liegen nun mal im Süden.

Standort für neues Batteriezellenforschungszentrum „Fehlentscheidung“

Dass Bundesforschungsministerin Anja Karliczek vor einem knappen Monat Münster als Standort für ein neues Batteriezellenforschungszentrum ausgewählt hat, verärgert die beiden Ministerpräsidenten der wichtigen Autoländer Bayern (mit BMW und Audi) und Baden-Württemberg (mit Daimler und Porsche) noch immer. „Eine Fehlentscheidung“, knurrt Kretschmann auch in Meersburg. Mit dem industriellen Umfeld habe man im Süden beste Bedingungen für die Anwendung der Batterieforschung. Auch Söder kann die Vergabe nicht nachvollziehen. Er fordert volle Transparenz. Es gehe um eine halbe Milliarde Euro. Mit Münster könne Deutschland das Tempo nicht eingehen, das international nötig sei, prophezeit er. Um international eben nicht abgehängt zu werden, wollen beide Länder ein eigenes Batterieforschungsnetzwerk eingehen, unter anderem mit Standorten in Ulm, Augsburg und Nördlingen. Dafür fordern sie einen Zuschuss vom Bund: mindestens 100 Millionen Euro pro Bundesland.

Schutz von Trinkwasser am Bodensee

Auch in anderen Fragen wollen die Regierungen in Stuttgart und München künftig öfter mit einer Stimme sprechen. Mit einer Bundesratsinitiative wollen sie etwa erreichen, dass Mieter gegen ihren Vermieter einen Anspruch auf Erlaubnis zum Einbau einer Lademöglichkeit für Elektroautos haben. Der Vermieter kann dies nur verweigern, wenn er selbst einen Ladepunkt schafft oder sein Interesse an der unveränderten Erhaltung des Gebäudes überwiegt. So soll die E-Mobilität angekurbelt werden.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen der Kabinettsmitglieder verlängern die Innenminister Thomas Strobl (Baden-Württemberg, CDU) und Joachim Herrmann (Bayern, CSU) ihren Aufenthalt in Meersburg noch ein bisschen. Sie weihen das erste von vier neuen Spezialbooten der Ölwehr ein. Diese sollen bei Unfällen in der Schifffahrt auf dem Bodensee ausrücken und unter anderem die Verbreitung von Ölschichten und anderen gefährlichen Stoffen verhindern. „Über fünf Millionen Menschen in Baden-Württemberg trinken täglich Wasser aus dem Bodensee“, sagt Strobl. Deshalb sei es wichtig, dass die Feuerwehr den See schütze, wenn es brenne oder etwas auslaufe. Mit den neuen Booten habe sie dafür modernste Technik und Ausrüstung. Die drei weiteren Boote, die mit bis zu 50 Kilometern pro Stunde unterwegs sein können, sollen bis Mitte 2020 ausgeliefert sein und die beiden rund 40 Jahre alten Feuerlöschboote, die derzeit noch im Einsatz sind, ersetzen.

Einladung zum Eis

Nach einer kleinen Spritztour und Präsentation des neuen Geräts wirken beide Minister beeindruckt und zufrieden. Zum totalen Glück in der prallen Sonne fehlt eigentlich nur die Badehose und ein Sprung ins kühle Nass. Immerhin lädt Minister Strobl die Bootsbesatzung noch auf ein Eis ein – da ist er wieder, der Hauch von Sommerferien.