Sebastian Hoeneß ist mit zwei Siegen aus zwei Spielen in seine Amtszeit als Trainer des VfB Stuttgart gestartet. Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Spielsystem, Auftreten, Personal: Der neue Chefcoach hat beim VfB schon einige Impulse gesetzt. Was funktioniert bereits? Und wo ist noch Luft nach oben?

Kommt ein neuer Trainer, bringt das für eine Fußballmannschaft eigentlich immer Veränderungen mit sich. In der Ansprache, der Aufstellung, den inhaltlichen Schwerpunkten. Natürlich ist das auch beim VfB Stuttgart und Sebastian Hoeneß nicht anders. Der 40-Jährige hat in seiner ersten Woche in Bad Cannstatt zwar nicht alles vom Kopf auf die Füße gestellt, an einigen Stellschrauben aber doch merklich gedreht. Ein Blick auf die ersten Auffälligkeiten nach zwei Pflichtspielen.

 

Die Grundordnung Von der Viererkette seines Vorgängers Bruno Labbadia hat sich Hoeneß verabschiedet – stattdessen setzt er auf eine defensive Dreierreihe. Warum? „Weil ich das Gefühl hatte“, sagt der VfB-Coach, „dass es zum Personal am besten passt.“ Vor allem für einen Spieler bedeutet die Systemumstellung die Rückkehr auf die gewohnte Position: Waldemar Antons eher unglückliches Intermezzo als Außenverteidiger ist passé, unter Hoeneß spielt er wieder zentral als Abwehrchef in der Dreierkette. Eine Rolle, in der ihn viele am stärksten sehen.

Und vorne? Ist das Ganze etwas flexibler gehalten. Auf dem Papier agiert der VfB zwar mit einer Doppelspitze – in der Praxis aber weicht einer der beiden Stürmer oft auf den Flügel aus, um eine Seite zu überladen. Wie Chris Führich zuletzt beim 3:2-Sieg beim VfL Bochum. Die Spieler jedenfalls scheinen sich in der neuen Grundordnung wohlzufühlen. „Das System klappt bisher ganz gut. Ich denke, so können wir weitermachen“, sagt Rechtsaußen Josha Vagnoman.

Aber: Zu hoch wollen vor allem die Verantwortlichen die Bedeutung des Spielsystems nicht hängen. „Natürlich geht es immer auch um Taktik“, sagt zwar der VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. In Bochum aber habe aus seiner Sicht der Schlüssel woanders gelegen – in der grundsätzliche Haltung und im Siegeswillen. Was zur Frage des veränderten Auftretens führt.

Die Spielweise Dass der VfB fußballerisch mit den Teams im Tabellenkeller mithalten kann, ist nichts Neues. In der Vergangenheit aber wurde er immer mal wieder von direkten Konkurrenten niedergekämpft wie im Februar beim 1:2 gegen den FC Schalke 04. In Bochum war das anders, als die Stuttgarter die nötigen Zweikämpfe nicht nur führten – sondern sie aktiv suchten und mehrheitlich auch gewannen. Zu 55 Prozent. „Es war auffällig, dass jeder Spieler für seinen Nebenmann mitgelaufen ist und Fehler ausgebügelt hat“, sagt Wohlgemuth.

Ebenfalls auffällig: Der VfB war in Bochum anders als zuletzt mental robust, ließ sich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen: Wenige Minuten nach dem Gegentreffer zum 1:1 führten die Stuttgarter wieder 3:1. „In der Vergangenheit haben wir nach Gegentoren nicht immer so eine Reaktion gezeigt“, sagt Torhüter Fabian Bredlow mit Verweis auf das letzte Spiel unter Labbadia, das bei Union Berlin mit 0:3 verloren ging: „Da sind die Köpfe runtergegangen. In Bochum war die Brust direkt wieder breit.“ Das hatte sogar den gegnerischen Trainer ein wenig überrascht. „Jeder, der unser Stadion kennt“, sagte Bochums Thomas Letsch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, „weiß eigentlich, dass wir das Spiel nach dem 1:1 auf unsere Seite bringen müssen.“

Ob mit der Entschlossenheit dauerhaft auch die lange ersehnte größere offensive Wucht des VfB einhergeht? Bleibt abzuwarten. Hier zeigte der VfB bislang unter Hoeneß zwei Gesichter: einerseits viel Zielstrebigkeit in Bochum, andererseits aber auch eine erste Hälfte ohne Durchschlagskraft im DFB-Pokal beim 1. FC Nürnberg (1:0).

Das Personal Hier hat Hoeneß eigentlich gar nicht so viel geändert. Den einen Senkrechtstarter jedenfalls gibt es nicht, der von der Tribüne direkt in die Startelf gespült worden wäre. Es sind vielmehr punktuelle Anpassungen wie die Startelf-Rückkehr von Atakan Karazor, der bei Union Berlin 90 Minuten auf der Bank gesessen hatte und unter Hoeneß bislang als humorloser Abräumer vor der Abwehr gesetzt ist.

Für die wohl entscheidende personelle Änderung im Vergleich zur Labbadia-Zeit kann Hoeneß indessen gar nicht viel: Serhou Guirassy ist praktisch zeitgleich mit dem Trainerwechsel nach seiner Verletzungspause zurückgekehrt – und mit ihm seine Torgefahr und Präsenz in der gegnerischen Hälfte. Labbadia hingegen stand der Mittelstürmer nur in drei von zwölf Pflichtspielen über die vollen 90 Minuten fit zur Verfügung. In jedem dieser Spiele traf Guirassy, keines ging verloren. Weder in der Liga gegen den FSV Mainz 05 (1:1) und bei der TSG Hoffenheim (2:2) noch im DFB-Pokal beim SC Paderborn (2:1). Was die Bedeutung der Nummer Neun nochmals unterstreicht, die zuletzt auch beim VfL Bochum deutlich zu sehen war.

Ob sich die ersten Tendenzen unter dem neuen Cheftrainer verfestigen, dürften die kommenden Partien zeigen. Womöglich gibt schon das nächste Bundesliga-Spiel an diesem Samstag (15.30 Uhr) Aufschluss: In dem Tabellenzweiten Borussia Dortmund wartet eine höchst anspruchsvolle Aufgabe auf den VfB und seinen Coach.