Gefragte Experten beim Stadtschreibtisch: Marc Friedrich, Richard Dittrich und Matthias Weik (v. li.) im Gespräch mit Sabine Marquard Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Geld gehört nicht mehr aufs Konto. Die Sparer sollten mündige Investoren werden und für sich geeignete Anlagen finden, sagen Experten. Sachwerte wie Aktien oder Gold können eine Alternative sein.

Stuttgart - Vom typisch deutschen Sparer ist schnell ein Bild gezeichnet. Er vertraut sein Geld der Bank an. Schiebt es auf diverse Konten. Klammert sich an den Zins. Findet es praktisch, dass er sich nicht selbst um sein Vermögen kümmern muss. Das erspart ihm Arbeit. Genau diesen Sparer wollen die Gäste am Stadtschreibtisch unserer Zeitung im Buchhaus Wittwer aufrütteln. Matthias Weik und Marc Friedrich, Stuttgarter Ökonomen und Bestsellerautoren, sowie Richard Dittrich, Leiter der Kundenbetreuung an der Stuttgarter Börse, haben mit gut 90 Zuhörern über Geldanlagen diskutiert. Denn in Zeiten von Mini- und Strafzinsen müssen Sparer über Alternativen zum Sparbuch und Tagesgeldkonto nachdenken.

Zwei Drittel des deutschen Sparvermögens liegt auf Tagesgeld- oder Festgeldkonten. Seit der Finanzkrise 2008 und diverser Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben viele Konten allerdings einen Haken. Sie werfen kaum noch Zinsen ab. Das Geld verliert an Wert, berücksichtigt man die Inflation, die über den Sparzinsen liegt. Laut einer Studie des Versicherungsriesen Allianz haben die Niedrigzinsen seit 2010 die Sparer um 23 Milliarden Euroärmer gemacht. Der Analyse zufolge verlor jeder Bürger 281 Euro. Die europäischen Ländern profitierten hingegen von den Minizinsen, die sich positiv auf laufende Kredite und Schulden auswirken. Pro Kopf haben die deutschen Sparer in 2013 67,60 Euro verloren. Der Inflationseffekt ist nicht berücksichtigt. Nach Zahlen des ersten Quartals 2014 dürfte der Pro-Kopf-Verlust in diesem Jahr auf 71,60 Euro ansteigen.

„Wir stehen vor einem epochalen Wandel“, prophezeit Friedrich. Der deutsche Sparer sei es gewohnt, sein Geld auf Konten zu legen und Zinsen dafür zu bekommen. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir bezahlen müssen, wenn wir unser Geld zur Bank bringen“, sagte Friedrich. Der Ökonom spielt damit auch auf Negativzinsen an. Seit September zahlen Finanzinstitute 0,2 Prozent Zinsen an die EZB, wenn sie bei ihr über Nacht überschüssiges Geld ablegen. Die Branche überlegt nun, wie sie die Kosten auf die Kunden abwälzen kann. Zunächst trifft das die Firmenkunden. Viele Banken wie jüngst die Deutsche Bank versprechen, Privatkunden derzeit von Strafzinsen zu verschonen. „Das Wörtchen „zunächst“ sollte uns beunruhigen“, sagt Friedrich.

Das Geld gehört nicht mehr aufs Konto, darin sind sich die Experten einig. Das wisse man spätestens seit Zypern. Um die Mittelmeerinsel zu retten, enteignete die EU im vergangenen Jahr erstmals Bankkunden. Auch Börsenkenner Dittrich plädiert fürAlternativen zu Sparbuch und Tagesgeldkonto. „Warum suchen wir nicht attraktive Anlagen?“, fragte er in die Runde.

Doch in welche Anlagen investiert man sein Geld? Die Experten warnen Anleger vor überhöhten Zinsversprechen von unseriösen Beratern. „Wir erleben einen Aufwind bei schwarzen Schafen. Wer acht und mehr Prozent verspricht, ist unseriös“, sagte Friedrich in Anspielung auf riskante Beteiligungen an Windparks. Die hohe Zinsphase sei endgültig vorbei. „Eine hohe Rendite lässt sich nur mit viel Risiko erwirtschaften.“ Viel Risiko heißt im schlimmsten Fall, dass das Geld hinterher weg ist. Aus Sicht des Ökonomen gehe es für Sparer nicht mehr darum, möglichst viel Geld zu verdienen. „Es geht darum, möglichst wenig Vermögen zu verlieren.“

Die Experten raten den Verbrauchern, nur in Anlagen zu investieren, die sie verstehen und bestenfalls anfassen können. „Es ist wichtig, sich mit Geldanlagen auseinanderzusetzen, Sie müssen zu einem passen“, sagte Dittrich. Das ziehe freilich ein Aufwand mit sich. „Sich mit Anlagen zu beschäftigen, bedeutet Arbeit. Die muss sich aber jeder machen. Wir Deutsche sind es nicht gewohnt, mit unserem Geld zu arbeiten.“

Auch bei Sachwerten wie Aktien müsse der Sparer prüfen, wer hinter der Firma steckt, wie sie im Vergleich zur Konkurrenz aufgestellt ist, und ob er sein Geld zurückbekommt. Und ob er damit leben kann, wenn er es zumindest kurzfristig verliert – etwa, wenn die Aktien in den Keller rauschen. „Wann ein Crash kommt und wie tief er ist, das weiß keiner“, sagte Dittrich. Der Zusammenbruch hänge von vielen Faktoren ab.

Von Aktien halten sich viele Deutsche fern. Weil ihnen die Materie zu kompliziert ist, sie das Risiko scheuen oder sich damals beim Kauf einer überteuerten Telekom-Aktie die Finger verbrannt haben. Laut Deutschem Aktieninstitut (DAI) besaßen 2013 nur 8,9 Millionen Deutsche Aktien oder Aktienfonds. Das entspricht 13,8 Prozent. In den USA legt mehr als jeder Zweite sein Geld in Aktien an.

Auch andere Sachwerte können eine Alternative sein. Gold und Silber zum Beispiel. Ökonom Weik bezeichnet die Investition in Gold als eine Lebensversicherung und vergleicht sie mit der Versicherung bei der Krankenkasse. Man zahlt ein und hofft, dass man sie nie benötigt. Im besten Fall vererbt man das Gold. „Jede Notenbank hat Gold als Reserve im Tresor liegen. Gold, ob als Münzen oder Barren, war schon immer Geld und wird es bleiben“, ist Weik überzeugt – selbst bei einem Staatsbankrott. Das gelte auch für Silber. Im Unterschied zum Gold müssen die Besitzer auf Silber aber eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent bezahlen. Silber unterliegt außerdem stärkeren Schwankungen.

Sachwerte wie Wald, Ackerland oder Immobilien können ebenfalls nie wertlos werden, sagte Weik. Bei Immobilien gebe es einige Risiken. „Eine abbezahlte Immobilie ist sinnvoll. Es ist jedoch möglich, dass Besitzer bei knappen Staatskassen eine Zwangshypothek bezahlen müssen“, so Friedrich. Das habe es alles schon gegeben. Der Ökonom hält es für keine gute Idee, sich jetzt für Immobilien hoch zu verschulden. „Die Grunderwerbssteuer ist in den vergangenen Jahren massiv erhöht worden“, sagte Weik.Er vermutet, dass „da noch Luft nach oben ist“. Mit Immobilien könne man Begehrlichkeiten des Staates nicht ausweichen.

Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter