Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigt den grünen Europa-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit gegen Kritik aus den Reihen von CDU und FDP. Foto: dpa

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den grünen Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit gegen Kritik aus CDU und FDP verteidigt.

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat der Opposition im Streit um die Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an Daniel Cohn-Bendit eine grundlose Skandalisierung vorgeworfen. „Auch wenn man sich empört, muss man bei den Tatsachen bleiben“, sagte Kretschmann am Mittwoch am Rande der Landtagssitzung in Stuttgart. Die CDU hatte Kretschmann im Plenum aufgefordert, der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an den grünen Europaabgeordneten Cohn-Bendit am 20. April in Stuttgart fernzubleiben.

Die Opposition stößt sich an einer Veröffentlichung von 1975, in der Cohn-Bendit Intimitäten zwischen ihm und Kindern beschrieben hatte. „Machen Sie sich nicht durch Schweigen zum Wortführer der Verharmloser“, sagte der CDU-Abgeordnete Reinhard Löffler. „Es ist wichtig, bei dieser Preisverleihung nicht dabei zu sein“, pflichtete der Liberale Jochen Haußmann bei.

Kretschmann: "Ich halte das Grußwort"

Kretschmann will aber zu der Veranstaltung der parteiübergreifenden Theodor-Heuss-Stiftung kommen. „Ich halte das Grußwort“, stellte er klar. Zu den Vorwürfen gegen Cohn-Bendit sagte der Regierungschef: „Das, was er geschrieben hat, hat nicht stattgefunden - nach seinen eigenen Angaben und denen der Eltern.“ Die CDU könne nicht für sich beanspruchen, Vorkämpfer im Kampf gegen Kindesmissbrauch gewesen zu sein. Dieses Verdienst gebühre der linken Frauenbewegung.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle hatte seine Festrede bei der Preisverleihung abgesagt, um den Anschein zu vermeiden, das Gericht würde solche Aussagen billigen. Der 68-jährige Europaabgeordnete Cohn-Bendit erhält den Preis laut Stiftung, weil es ihm gelinge, „stets neue Wege in der Demokratie zu beschreiten“.

Cohn-Bendit nennt Buchpassagen heute "Blödsinn"

In dem Buch „Der große Basar“ aus dem Jahr 1975 thematisierte Cohn-Bendit seine Zeit als Betreuer in einem anti-autoritären Kindergarten der Universität Frankfurt/Main. Die intimen Passagen hatten bereits 2001 für eine kurze öffentliche Debatte gesorgt. Cohn-Bendit sowie Kinder und Eltern von damals betonten jedoch, es sei zu keinem Missbrauch gekommen. Der Grüne erklärte zudem, diese Passagen seinen „Blödsinn“ und eine „Provokation“ ohne realen Hintergrund gewesen.

Die Fraktionschefs von Grünen und SPD, Edith Sitzmann und Claus Schmiedel, bezeichneten die Vorwürfe der Opposition als „üble Nachrede“. „Sie greifen in die unterste Schublade“, betonte Sitzmann. Cohn-Bendit sei nie ein Täter gewesen. Schmiedel meinte, CDU und FDP dürften sich nicht zum Richter über die Entscheidung der renommierten Theodor-Heuss-Stiftung erheben: „Sie führen sich auf wie ein Elefant im Bahnhofsklo.“ Er erinnerte daran, dass Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) laut Programm ein Schlusswort halten werde. Der ehemalige Landesjustizminister Ulrich Goll (FDP) kündigte in der Debatte an, die Veranstaltung nicht zu besuchen.

Der CDU-Mann Löffler betonte, auch wenn die Äußerungen schon Jahrzehnte zurücklägen, dürften sie nicht bagatellisiert werden. Cohn-Bendit habe sich nicht für seine Äußerungen entschuldigt, sondern sie im französischen Fernsehen sogar noch gerechtfertigt. Sein Verhalten verhöhne die Opfer sexueller Gewalt. Dass Kretschmann sich nicht von seinem Parteifreund distanziere, enttäusche ihn menschlich tief.