Passanten gehen an einem Plakat von Sun Yat-sen, dem ehemaligen Präsidenten von China, in der Innenstadt von Taipeh vorbei. Der Ausgang der Präsidentschafts- und Parlamentswahl am 13. Januar 2024 dürfte auch deutlichen Einfluss auf China haben, das Taiwan weiterhin als Teil seines Territoriums betrachtet. Foto: Wiktor Dabkowski/ZUMA Press Wire/dpa

Im Schatten Chinas wählt Taiwan eine neue Regierung. Das Ergebnis könnte beeinflussen, ob die erheblichen Spannungen in der Region zunehmen oder die Zeichen auf Linderung stehen. Ein Konflikt hätte globale Auswirkungen.

Die Präsidentschaft- und Parlamentswahlen in Taiwan am Samstag (13. Januar) gelten als entscheidend für das künftige Verhältnis zwischen Taipeh und dem zunehmend aggressiv auftretenden Peking und werden daher international mit Spannung erwartet. Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Gewalt.

Zwar halten Experten eine umfassende Invasion in naher Zukunft für unwahrscheinlich, doch gibt es einige Instrumente, die China für einen möglichen Angriff auf die Insel einsetzen könnte. Eine Übersicht:

„Enthauptung“: Gezielte Angriffe auf militärische Infrastruktur

Chinesische Soldaten nehmen am 13. November 2023 an der Eröffnungszeremonie der gemeinsamen Militärübung „Frieden und Freundschaft-2023“ in der südchinesischen Provinz Guangdong statt. Foto: Yin Huan/XinHua/dpa

Peking hat zuletzt zunehmend seine militärische Stärke in der Region zur Schau gestellt. Täglich entsendet China Kampfjets in Richtung Taiwan, während seine Marine-Schiffe eine fast durchgängige Präsenz in den Gewässern um die Insel aufrechterhalten.

China hat zudem in den vergangenen eineinhalb Jahren mindestens zwei große Militärübungen abgehalten. Der Flugzeugträger „Shandong“ ist zuletzt häufiger durch die Straße von Taiwan gekreuzt, die die Insel vom Festland trennt.

Ou Si-fu von Taiwans Forschungsinstitut für Nationale Verteidigung und Sicherheit hält es aufgrund vergangener Manöver für wahrscheinlich, dass China Luft- und Raketenangriffe nutzen würde, um Taiwans Militärinfrastruktur zu treffen. Ou nennt dies das „Enthauptungs“-Szenario, weil die Bombardierungen Taiwans Kommandozentrale, Luftwaffe, Marinestützpunkte und Munitionsdepots treffen würden.

China könnte auch die zu Taiwan gehörenden Inseln Kinmen und Matsu besetzen, die nur wenige Kilometer vor der Küste Festland-Chinas liegen. Auch eine komplette Blockade Taiwans könnte Peking versuchen, so dass niemand und nichts mehr auf die oder von der Hauptinsel herunterkommt.

Im April 2023 simulierte die chinesische Armee in einem dreitägigen Manöver eine solche Blockade, nachdem der damalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sich mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen im US-Bundesstaat Kalifornien getroffen hatte.

Taiwans Verteidigungsministerium warnte im vergangenen Jahr in einem Bericht davor, dass die chinesische Armee „unsere Häfen, Flughäfen, Militäreinrichtungen sowie Kommunikationswege über See und Luft“ blockieren könne. Analysten zufolge müsste eine Blockade allerdings lange andauern, damit sie in Taiwan Wirkung zeigte. Zudem könnte eine Blockade der wichtigen Schifffahrtshandelsroute in der Straße von Taiwan Drittländer zu einer Intervention veranlassen.

Amphibische Anlandung

Auf diesem von der Nachrichtenagentur Xinhua zur Verfügung gestellten Foto ist der Flugzeugträger «Shandong» in einem Marinehafen in Sanya in der südchinesischen Provinz Hainan angedockt. Foto: Li Gang/Xinhua/AP/dpa

Sollte Chinas Staatschef Xi Jinping sein Versprechen einlösen, Taiwan mit Festland-China zu vereinen, müssten seine Truppen die Insel besetzen, argumentiert Ou. Um dies zu tun, müsste China eine „amphibische Offensive“ starten. Solche Einsätze sind jedoch komplex und schwierig und Taiwans bergige Landschaft, in Verbindung mit dem schwierigen Wetter des Monsuns, könnten abschreckend wirken.

Die Insel hat jedoch einige verwundbare Punkte: Kleine, sogenannte rote Strände, die sich am ehesten für eine groß angelegte militärische Anlandung eignen würden. Einer der nahe der Hauptstadt Taipeh gelegenen Strände liegt in der nördlichen Stadt Taoyuan, in der sich auch der größte internationale Flughafen Taiwans befindet.

Politische Druckmittel

Wie wahrscheinlich Amanda Hsiao, Analystin bei ICG, hält eine amphibische Offensive kurzfristig für wenig wahrscheinlich, weil das Risiko eines Scheiterns zu hoch wäre. Stattdessen geht sie davon aus, dass Peking seinen Druck auf Taiwan stetig weiter erhöhen wird.

Dafür gibt es laut Hsiao „täglich“ Hinweise, etwa durch häufigere und näherrückende militärische Aktivitäten, die Verstärkung von Narrativen, die für chinesische Interessen günstig sind, und die Instrumentalisierung des Handels in der Straße von Taiwan.

Cyberattacke

Taiwanische Regierungsvertreter fürchten außerdem einen großangelegten chinesischen Cyberangriff, der wichtige Infrastruktur wie Kommunikation, Strom und das Bankwesen lahmlegen könnte.