Hyung-Jun Kim (Mitte) mit Jürgen Klinsmann (rechts) in seiner Bäckerei Foto: privat

Der Südkoreaner Hyung-Jun Kim hat das Bäcker-Handwerk in Remseck (Kreis Ludwigsburg) gelernt. Heute betreibt er in Seoul seine eigene Bäckerei und zählt unter anderem Jürgen Klinsmann zu seinen Kunden.

Der Blick ins Schaufenster genügt, um zu vergessen, in welchem Land man sich befindet. Brezeln, Brötchen mit Sonnenblumenkernen oder Vollkornbrot liegen dort aus, dazu das eine oder andere süße Stückchen. Klingt nach einer gewöhnlichen deutschen Bäckerei und irgendwie ist „Brot Art“ auch genau das. Nur liegt sie nicht in der Bundesrepublik, sondern in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.

 

„Ich bin ein Koreaner, der ein Stück deutscher Kultur nach Korea bringt“, sagt Hyung-Jun Kim über sich selbst. Das kann der Bäckermeister deshalb, weil er sein Handwerk einst in Deutschland gelernt hat. An der Oskar-Walcker-Berufsschule in Ludwigsburg und bei der Bäckerei Lutz in Remseck, wie er es auch im Schaufenster seiner Bäckerei vermerkt hat.

Im Sommer 2013 ging es dort für ihn los, anschließend machte er seinen Meister in Stuttgart und arbeitete danach noch in Bäckereien in Stuttgart und im Erzgebirge, bevor es zurück in die südkoreanische Heimat ging. Kim spricht gutes Englisch, aber die Begriffe für die deutschen Spezialitäten hat er immer noch drauf. Worte wie „Roggenbrot“, „Brezeln“ oder „Sauerteig“ lässt er einfach in seine englischen Sätze einfließen.

Bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Südkorea war er für die Verpflegung der deutschen Sportler zuständig. Möglich gemacht hatte das Ralf Görtz, der damals seit 25 Jahren in Südkorea lebte und vom Deutschen Skiverband (DSV) als ortskundiger Koordinator angeheuert wurde. Kennengelernt haben sich Görtz und Kim vor 13 Jahren in einer Bar. Der Südkoreaner habe ihm damals erzählt, dass er eine Ausbildung zum Bäcker in Deutschland absolvieren wolle, sagt Görtz. Also schrieb er verschiedene Innungen in Süd- und Ostdeutschland und besorgte Kim so die Lehrstelle in Remseck.

Heute lebt Görtz zwar wieder in Deutschland, verbringt aber trotzdem noch drei bis vier Monate im Jahr in Südkorea und fungiert für Kims Bäckerei als Berater. Beim DSV war man mit Kims Arbeit offenkundig zufrieden, denn aktuell ist der Bäckermeister während der Olympischen Jugend-Winterspiele wieder für die Versorgung der deutschen Nachwuchssportler zuständig.

Die Ware wird nach Gangwon geliefert

„Ich habe mich sehr gefreut, dass sie mich noch mal gefragt haben“, sagt Kim. „Für die Sportler ist es wichtig, dass sie die gleiche Qualität bekommen wie in Deutschland.“ Denn mit dem Essen ist es dort so eine Sache – die Veranstalter versuchen es mit einem Mix aus westlicher und östlicher Küche. „Aber ganz ehrlich? Das schmeckt überhaupt nicht“, sagt Ralf Görtz. „Das deutsche Brot hat mehr Nährwerte und fördert auch die Leistung.“ Ganz offensichtlich scheint es zu funktionieren, der deutsche Olympia-Nachwuchs ergatterte bislang sechs Goldmedaillen und liegt nach sieben Tagen auf Rang drei im Medaillenspiegel.

Nach Gangwon, wo die Spiele stattfinden, ist Kim diesmal nicht gereist. 2018 in Pyeongchang war er gemeinsam mit zwei Köchen noch vor Ort, in diesem Jahr arbeitet er komplett von seiner Bäckerei in Seoul aus. „Die Maschinen mitzubringen wäre teurer gewesen als die Ware zu liefern“, erklärt er. Außerdem hat er im Tagesgeschäft genug zu tun, sieben Tage die Woche hat sein Laden geöffnet. Mittlerweile hat sich Kim auch schon einen Namen gemacht. So arbeitet er mit der Münchner Luxusmarke MCM zusammen und bietet in zwei ihrer Filialen seine Backwaren an.

„Ich musste ihnen zeigen, wie man Brot richtig isst“

„Die Koreaner kommen immer mehr auf den Geschmack“, sagt Ralf Görz, auch wenn sie am Anfang noch skeptisch gewesen seien. Denn eine mit Deutschland vergleichbare Brotkultur gibt es dort nicht – „ich musste ihnen zeigen, wie man das Brot richtig isst“, sagt Kim heute. „Richtig“, das bedeutet in dem Fall: Mit Butter, Käse oder einem Aufstrich. „Gerade bei jungen Leuten sind die belegten Brötchen heute der Renner“, weiß Ralf Görtz.

Und auch Prominenz aus Deutschland hatte Hyung-Jun Kim schon zu Gast. Südkoreas Fußball-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann komme öfter vorbei, sagt er. Klinsmann, der vor seiner Zeit als Profi-Fußballer selbst eine Bäckerlehre abgeschlossen hat, ließ sich auch die Backstube zeigen. „Er hat die deutschen Maschinen erkannt und war ganz beeindruckt, dass es die bei uns gibt“, erinnert sich Kim. „ Ich habe zu ihm gesagt: Natürlich haben wir deutsche Maschinen, wir backen ja auch deutsches Brot.“

Die Olympischen Jugend-Winterspiele dauern noch bis zum 1. Februar an, auf einen Besuch von Jürgen Klinsmann muss Kim vermutlich noch ein bisschen länger warten. Die südkoreanischen Fußballer spielten am Donnerstagmittag beim Asien-Cup in Katar 3:3 gegen Malaysia und schafften es dadurch ins Achtelfinale. Das Finale findet erst am 10. Februar statt.