Selbstverständlich tragen im Kunstmuseum auch die Aufsichten Masken. Foto: LG//Leif-Hendrik Piechowski

Die Stuttgarter Museen haben wieder geöffnet – und tatsächlich stehen einige leidenschaftliche Museumsgänger bereits um Punkt zehn Uhr an der Kasse. Normal ist trotzdem noch längst nicht alles.

Stuttgart - Sind Asiaten eigentlich härter im Nehmen als unsereiner? Ein paar Brötchen mit Maske zu kaufen, das ist kein Hexenwerk, aber gemütlich durchs Museum zu schlendern, wenn Mund und Nase bedeckt sein müssen? „Maske und Brille, das ist keine Freude“, schimpft ein Herr und stapft verärgert in Richtung Museumsshop. Keine Viertelstunde hat er es in der Sammlung des Kunstmuseums Stuttgart ausgehalten, dabei waren seine Frau und er die ersten, die die Wiedereröffnung der Stuttgarter Museen ausgenutzt und schon am Dienstagvormittag ihre Museumspässe an der Kasse so souverän gezückt haben, dass kein Zweifel blieb: Hier sind Museumsprofis unterwegs. Gefreut hätten sie sich, erzählen sie, trotzdem ist ihnen beim Rundgang mit Maske doch sehr schnell die Puste ausgegangen.

Ein Jammer. Denn mit der Öffnung der Museen am Dienstag ist ein Stück Normalität ins Kulturleben zurückgekehrt. „Ich brauche endlich mal wieder etwas Analoges“, erzählt ein älterer Herr, der sich von Denkendorf aus auf den Weg ins Kunstmuseum gemacht hat. Er habe genug vom ewigen „Bildergucken auf dem Bildschirm“, sagt er. Deshalb hat er sich die Ausstellung zum Stuttgarter Kunstbetrieb im Nationalsozialismus angeschaut, wobei er seit deren Eröffnung im Februar schon mehrmals da war. Auch er besitzt einen Museumspass. „Da kann man es sich leisten, auch mal nur gezielt wegen eines Bildes zu kommen.“

Durch die Staatsgalerie geht es im Einbahnstraßensystem

Es sind also vor allem die leidenschaftlichen Museumsgänger, die an diesem ersten Tag unterwegs sind und in der Staatsgalerie sogar persönlich begrüßt werden, weil jeder einzeln gebeten wird, sich erst einmal die Hände zu desinfizieren. Die Wege durch die Staatsgalerie sind klar markiert mit großen roten Aufklebern „#Kunsttrotzcorona“. Der Rundgang führt nun als Einbahnstraße durch die Sammlung. Noch sind mehr Aufsichten als Besucher unterwegs, aber die zwei Männer, die angeregt vor den Surrealisten diskutieren, lassen sich nicht beirren und vergleichen aufmerksam die Jahreszahlen der Gemälde. Zwei Freundinnen schauen sich Oskar Schlemmer an, und ein junger Mann studiert aufmerksam Barnett Newmans „Who’s afraid of red yellow and blue“. Fast alles wie immer.

Im Grund gibt es keinen schöneren Luxus, als in diesen Tagen durch die Stuttgarter Museen zu schlendern, eben weil man sie noch fast für sich allein hat. Im Haus der Geschichte sind keine Handvoll Besucher unterwegs, aber das Angebot ist überwältigend, man könnte sich stundenlang versenken in die vielen Themen, Filme und Fotografien, die Objekte und Inszenierungen. Zunächst sollten die digitalen Stationen ausbleiben, kurz vor knapp hat man doch noch eine Lösung gefunden: Nun bekommt jeder Besucher einen Stift geliehen, mit dem er die Touchpads und Klangstationen starten kann.

Die Leihmasken werden im Stadtpalais gewaschen

Im Stadtpalais erhält dagegen jeder ein paar Handschuhe, denn in der Dauerausstellung sind viele Schubladen, in denen spannende Informationen warten. Man kann auch eine Stoffmaske ausleihen, denn im Stadtlabor im Untergeschoss steht eine Waschmaschine für die Socken, die gewöhnlich an die Kindergruppen ausgegeben werden. Jetzt kommen die Masken in den Schleudergang – selbstverständlich mit sechzig Grad.

Zwischen fünf und 25 Besucher zählen die Museen in den ersten Stunden nach sieben Wochen Schließzeit – und die Direktorinnen und Direktoren werden aufatmen. Am Montagabend hatten sie sich noch zu einer Diskussion bei einem „digitalen Pre-Opening“ im Netz getroffen und nicht nur ihre Freude bekundet, sondern auch eine gewisse Sorge, wie der Museumsbetrieb in Zeiten von Corona wohl aussehen wird. Eines ist gewiss: Beim nun wiedererwachenden öffentlichen Leben ist man an kaum einem Ort so sicher wie im Museum. Die Besucherzahlen sind streng reglementiert – im Kunstmuseum hat man mit 15 Quadratmetern pro Person kalkuliert; 333 Besucher könnte man gleichzeitig ins Haus lassen.

Die Sicherheit wird sehr ernst genommen

Sorglos geht kein Museum mit der Situation um. Deshalb ist das Ehepaar aus Heilbronn auch völlig unbeschwert durch die Staatsgalerie gelaufen. Eigentlich wollten sie ihren Urlaub nutzen, um nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren. „Jetzt müssen wir die Zeit eben anders füllen“, erzählt er, der zum ersten Mal in der Staatsgalerie war. „Eine wirklich große Sammlung, sehr beeindruckend.“ Obwohl sie noch berufstätig seien, zählten sie doch schon zur Risikogruppe, erklären die beiden, die tapfer die Masken aufbehalten haben, auch wenn es darunter sehr warm geworden sei. Angst vor einem Museumsbesuch müsse man nun wahrlich nicht haben, sind sie sicher. „Da ist es im Kaufhaus oder Supermarkt viel schlimmer.“