OB Kuhn begrüßt Neustadtrat Schupeck (links) am 22. März mit einem Weingeschenk im Gemeinderat – jetzt muss sich Kuhn um die Folgen von Schupecks Einzug ins Gremium kümmern. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der OB möchte erreichen, dass sich die von den Wählern geschaffenen Mehrheitsverhältnisse nicht nur in der Vollversammlung des Gemeinderats niederschlagen. Auch in den Fachausschüssen soll das Fall sein. Doch der Zerfall der AfD-Fraktion bringt erst einmal einiges durcheinander.

Stuttgart - Der Zerfall der AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat hat nun doch größere Folgen als gedacht. Am Donnerstag hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Fraktionen in nicht öffentlicher Sitzung des Ältestenrates die Hausaufgabe aufgegeben, bis zum 27. April zu erklären, wie sie sich die neue Sitzverteilung in den Ausschüssen vorstellen.

Das liegt besonders an Walter Schupeck, der für den ausgeschiedenen AfD-Stadtrat Lothar Maier in den Gemeinderat nachrückte, obwohl er heute die Partei der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) vertritt. Als er 2014 bei der Kommunalwahl kandidierte, stand sein Namen eben noch auf der Liste der AfD. Die hat nach internen Querelen inzwischen keine Fraktion im Gemeinderat mehr – und gäbe es sie, möchte Schupeck ihr nicht angehören. Der einzige Stadtrat, der das AfD-Parteibuch behielt, ist Eberhard Brett. Zu dem will Schupeck, wie er jetzt erst wieder unserer Zeitung sagte, den „größtmöglichen Abstand suchen“ und keine Zusammenarbeit pflegen. Dennoch hat er mit ihm nun überraschend eine sogenannte Zählgemeinschaft gebildet: Da tun sich – wie zuvor die ehemaligen AfD-Mitglieder Bernd Klingler und Heinrich Fiechtner – zwei Einzelstadträte zum Zweck zusammen, gemeinsam wenigstens einen Sitz in den Gemeinderatsausschüssen zu erhalten, wo die eigentliche Arbeit der Stadträte stattfindet. Doch das bringt die Verhältnisse durcheinander.

Öko-soziales Lager soll weiterhin mehrheitsfähig sein

Bisher hatten die wichtigen Ausschüsse, die bis zu gewissen Grenzen bindende Beschlüsse fassen dürfen, 17 Mitglieder. Die verteilten sich so auf die Gruppierungen, dass bei manchen kontroversen Themen wie etwa aus der Verkehrspolitik eine öko-soziale Mehrheit die Richtung bestimmen konnte – wie auch im Gemeinderat aufgrund des Kommunalwahlergebnisses. Mit der Zählgemeinschaft Brett/Schupeck würde es bei unveränderter Sitzzahl in den Ausschüssen künftig aber eine Mehrheit für CDU, Freie Wähler, FDP und die Nachfolger der AfD-Fraktion geben.

Die durch die Kommunalwahl geschaffenen Mehrheitsverhältnisse hier plötzlich konterkarieren zu lassen, finden aber nicht nur die Grünen, die SPD und die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus falsch, sondern auch OB Kuhn. Daher wird nun erwogen, die Zahl der Ausschusssitze zu ändern.

Rechnerisch wären 19 oder 13 Sitze im Ausschuss denkbar

Das wird noch komplizierter, weil nach Kuhns Auffassung wie bisher auch andere Mehrheiten in den Ausschüssen möglich sein sollten: eine schwarz-grüne Mehrheit und die Stuttgart-21-Mehrheit aus den bürgerlich-konservativen Gruppierungen und der SPD. Daher schlug Kuhn am Donnerstag vor, auf 19 Sitze zu gehen, was dem Vernehmen nach wiederum die CDU und die Freien Wähler als kostenträchtig (wegen weiterer Sitzungsgelder) und zeitaufwendig (wegen weiterer Redner) kritisierten. Sie empfahlen, das Lager der linken Seite solle lieber die ganz wichtigen Themen in den Gemeinderat verweisen – und damit leben, dass es ab und an eine Niederlage erleide.

Rechnerisch wäre auch bei 13 statt 17 Sitzen die öko-soziale Mehrheit wiederhergestellt. Doch in diesem Modell hätte die CDU, im Gemeinderat die stärkste Fraktion, wie die Grünen nur drei Ausschussmitglieder und müsste pro Ausschuss zwei Stadträte, die sich in Themen eingearbeitet haben, zurückziehen. Verführerisch für manche Gruppierungen wäre immerhin, dass die beiden Zählgemeinschaften mit AfD-Mann Brett und früheren AfD-Mitgliedern hier leer ausgingen. Würden sie sich aber neu formieren und zu einer mindestens dreiköpfigen Zählgemeinschaft zusammenfinden, wären die Verhältnisse wieder anders.

Der Gemeinderat in der aktuellen Zusammensetzung hat noch 15 Monate

In dieser Lage wollen und müssen die Fraktionen nun intern beraten. Und Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) soll sondieren, ob es noch einen anderen Ausweg geben könnte. Eines immerhin scheint klar: dass die öko-soziale Mehrheit die neue Lage nicht einfach hinnimmt, wie es der Daimler-Ingenieur Schupeck hoffte, weil die nächste Kommunalwahl nicht mehr weit weg ist. In den verbleibenden 15 Monaten bis zur letzten Gemeinderatssitzung in der aktuellen Zusammensetzung werde noch vieles, auch viel Wichtiges zu entscheiden sein, heißt es im rot-rot-grünen Lager.

Dass Schupeck in einer Pressemitteilung seinen Schritt unter anderem damit begründete, er wolle aktiv im Umwelt- und Technik-Ausschuss der Bevormundung der Stuttgarter bei der Wahl ihres Verkehrsmittels entgegenwirken, macht das öko-soziale Lager sicherlich nicht kompromissbereiter. Der Neue dagegen hält seine mit Brett ausgehandelte Beteiligung in Umwelt- und Technik-Ausschuss, im Sozial- und Gesundheitsausschuss und im Krankenhausausschuss aber für notwendig, um die Dinge in die richtige Richtung zu lenken.