Von der Diamophinabgabe in Stuttgart profitieren auch Süchtige aus den umliegenden Landkreisen. Doch die wollen für die Betreuung der Abhängigen nicht bezahlen. Foto: dpa

Die Abgabe des synthetischen Heroins Diamorphin gibt es nur in Stuttgart und Karlsruhe. In der Landeshauptstadt werden auch Süchtige aus dem Umland substituiert. Doch für deren psychosoziale Betreuung wollen die Landkreise nicht bezahlen. Jetzt ruft die Stadt das Land um Hilfe.

Stuttgart - Seit wenigen Jahren bietet die Landeshauptstadt in der Suchthilfe eine Diamorphinabgabe. Schwerstabhängige erhalten nicht nur den Ersatzstoff Methadon, eine bestimmte Gruppe bekommt synthetisches Heroin. Ein Ärgernis für die Stadt: Man substituiert auch Süchtige aus umliegenden Landkreisen, die für die psychosoziale Betreuung der Betroffenen aber nicht aufkommen. Das Land soll einschreiten.

Ulrich Binder, Geschäftsführer der Suchtberatungsstelle Release und Sprecher des Stuttgarter Suchthilfeverbundes, hat für ein Jahr die Daten der Diamorphinabgabe ausgewertet. Von den 100 Plätzen wurden 35 von Betroffenen aus umliegenden Kreisen belegt. „Sie kamen aus den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Böblingen, Heilbronn und Schwäbisch Hall“, zählte Binder auf. 60 Prozent der Betroffenen hatten keinen Kontakt zur Suchthilfeeinrichtung im Heimatkreis, 20 Prozent nur einen.

Lage der Betroffenen verschlechtert sich

Das seien „keine zufriedenstellenden Verhältnisse“, so Binder. „Bei zwei Drittel der Betroffenen hat sich die psychosoziale Situation verschlechtert.“ Dabei seien die Landkreise dafür zuständig, nicht Stuttgart. Dort aber gebe es zumeist weder die nötigen niederschwelligen Beratungsangebote für diese Gruppe von Substituierten noch Abendtermine, sodass die Betreffenden, die in Stuttgart tagsüber ihre Ersatzdroge erhalten, dort Termine wahrnehmen können.

Deshalb fordert die Stadt seit längerem, dass die Landkreise die psychosoziale Betreuung für die überschaubaren Zahl von Substituierten Stuttgart überlässt und dafür bezahlt, 1500 Euro pro Person und Jahr. „Das wäre das Vernünftigste“, sagt Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne). Doch in den Kreisen heiße es, man biete die Hilfen selbst, die Betroffenen sollten kommen.

Heftige Kritik im Sozialausschuss

Die Empörung im Ausschuss war groß. „Skandalös“ findet Beate Bulle-Schmid die Sache. „Ein Nasenwasser“, befand Clarissa Seitz von den Grünen. Heinrich Fiechtner (Ex-AfD, jetzt Bündnis Zukunft Stuttgart 23) ist überzeugt: „Die Kreise können die Angebote wegen der geringen Zahlen gar nicht vorhalten. Das zwingt zu einer Zentralisierung und die Kreise müssen zahlen.“

Der Rat setzt nun auf das Land. Dieses soll erreichen, dass die Kreise die Kosten übernehmen. Das soll die Stadt in einem Brief an das Sozialministerium verdeutlichen.