Die schwarz-grüne Allianz in voller Aktion: CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sowie die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Winter und Anna Deparnay-Grunenberg (von rechts) am Freitag bei der Abstimmung über den Haushalt Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die schwarz-grüne Koalition im Rathaus hat im Alleingang den Haushalt 2016/2017 für die Landeshauptstadt durchgesetzt. Nur OB Fritz Kuhn (Grüne) half tatkräftig mit. Alle anderen stimmten dagegen. Ein Novum.

Stuttgart - Die schwarz-grüne Allianz im Rathaus hat auch in der Dritten Lesung des Stadthaushalts 2016/2017 planmäßig ihr verabredetes Programm durchgezogen. Die anderen Fraktionen konnten nicht einmal die wichtigsten ihrer abweichenden Anträge durchbringen. Zum Teil sehr viel weitergehende Forderungen im Bereich öffentlicher Nahverkehr und Wohnungsbauförderung, die erhebliche Mehrkosten bedeuten würden, wies vor allem Kämmerer Michael Föll (CDU) zurück.

Einige Fraktionen beklagen falsche Prioritäten

SPD-Fraktionschef Martin Körner ging voll OB Fritz Kuhn (Grüne) an und warf ihm vor, er wolle sich wie „ein Regierungschef“ betätigen. „Dieser Politikstil tut Stuttgart nicht gut“, sagte Körner. Mit der schwarz-grünen Allianz im Rücken läute Kuhn den Abschied von der „guten erfolgreichen Tradition“ ein, gemeinsam der Stadt Bestes zu suchen und „parteipolitisches Klein-Klein“ beiseite zu schieben. Dagegen hatte Kuhn ausdrücklich die „Koalition“ für ihr „Augenmaß“ gelobt. Das habe viele Anträge von der SPD und anderen Fraktionen mit wenig Realitätsgehalt zurückgedrängt.

Der OB zahlte Körner mit gleicher Münze zurück. „Die SPD muss sich mal Gedanken machen, warum sie Wahl um Wahl nach unten fährt. Sie hat keine Ahnung davon, was Hegemonie in einer Stadt bedeutet“, sagte er. Die SPD lehnte wie SÖS/Linke-plus die Sanierung und Modernisierung des Kulturzentrums Wagenhallen ab. Sie habe aber keine Alternative zum Standort, hielt Kuhn ihr SPD vor. Sie realisiere nicht, um welch hegemoniales – sprich: in der Öffentlichkeit mehrheitsfähiges – Projekt es gehe. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit beschloss es.

Mit Müh und Not genehmigungsfähig

Einige der kleineren Fraktionen und Gruppierungen kritisierten, dass Kuhn und Schwarz-Grün falsche Prioritäten gesetzt und kaum Sparwillen gezeigt hätten. Kuhn und Föll hatten zunächst aber selbst die Fraktionen ermahnt. Der absehbare Haushalt komme „mit Müh und Not“ auf einen positiven Saldo – aber auch nur mittels einer sogenannten globalen Minderausgabe, also einer pauschalen Reduzierung der geplanten Budgets, ab dem Jahr 2017 um ein Prozent. Das soll den Haushalt pro Jahr um 29 Millionen Euro entlasten. Im Lauf von 2016 soll definiert werden, wo dieser pauschale Sparansatz tatsächlich realisiert wird. Dann müsse man zu einer grundsätzlichen, dauerhaft wirkenden Entlastung kommen, hieß es.

Kuhn und Föll hatten sich gleich zu Beginn sehr zuversichtlich gezeigt, dass das Ziel einer finanziell, ökologisch und sozial nachhaltigen Stadtpolitik bis zum Schluss der Haushaltsberatungen durchgehalten werde. Man investiere in die Feuerwehr und bringe „die Flüchtlinge gut unter“, sagte Kuhn. Zudem stabilisiere man das Kulturangebot „in der Breite und in der Spitze“.

Appell zum Wohnungsbau an die Region

Gegen heftige Kritik verteidigte Kuhn auch seinen „klaren Kurs“, pro Jahr mindestens 1800 neue Wohnungen in Stuttgart zu ermöglichen, davon 600 geförderte. Für eine wirkliche Problemlösung müssten aber auch die Partner in der Region sich bereitfinden, „für alle Schichten der Bevölkerung zu bauen“, also auch Sozialwohnungen und nicht nur Einfamilienhäuser. Das Bauen auf der grünen Wiese lehnte Kuhn ab. Beim Ausbau des Wohnungsbestands müsse man ein „Stuttgarter Maß finden“, das dem Charakter der Stadt mit Flächenmangel entspreche.

Föll verteidigte die vorgesehenen Gelder – 9,5 Millionen Euro in zwei Jahren für die Förderung, eine Million für den Erwerb von Belegungsrechten für die Stadt sowie 20,5 Millionen für die Subventionierung von Grundstücken – als angemessen. Wer mehr Millionen wolle, blähe nur den Haushalt auf, meinten Föll und Philipp Hill (CDU), verfolge aber unrealistische Ziele. Hannes Rockenbauch (SÖS) konterte, der Markt, auf den auch die SPD setze, werde die Wohnungen trotz Förderung nicht liefern. Man brauche eigenen Wohnungsbau der Stadt. Aber niemand konnte die Aufstockung des Budgets für den Wohnungsbau durchsetzen.

Betreuungsschlüssel bei Flüchtlingen unverändert

Beim Thema Flüchtlingshilfe verteidigte Kuhn, dass er und die Mehrheit in den Unterkünften den Betreuungsschlüssel von einem Sozialarbeiter pro 136 Betreuten nicht in 1:120 ändern wollen, wie es noch vor der Sitzung Demonstranten gefordert hatten. Das würde binnen zwei Jahren 3,8 Millionen Euro kosten und sei „nicht zu finanzieren“. Vor allem die SPD widersprach. Der Ansatz der Mehrheit, für bessere Betreuer Helfer im Freiwilligen Sozialen Jahr und Arbeitsgelegenheiten beim Gartenbauamt zu mobilisieren, werde den Herausforderungen nicht gerecht.

Beschlossen wurde, den Trägern der Betreuung pro Jahr 200 000 Euro für Stellen bereitzustellen und je 900 000 Euro für FSJ-Helfer und Arbeitsgelegenheiten. Davon erhofft sich Schwarz-Grün eine noch bessere Integration. Die AfD stimmte mit der Koalition für die Beibehaltung des Betreuungsschlüssels, nachdem sie zuvor sogar mit 1:100 geliebäugelt hatte. Insgesamt gab es für die Beibehaltung 35 Stimmen, nur 23 für einen 1:120-Schlüssel. Kuhn warf AfD-Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner „perfide Argumentation“ vor, nachdem dieser permanenten Rechtsbruch der Politik und Missbrauch des Asylrechts durch „sogenannte Flüchtlinge“ angegriffen hatte.

Für Kitas der Kirchen neue Regelung

Weitere Schwerpunkte im Etat sind Schulsanierungen und -neubauten sowie der Ausbau der Kindertagesbetreuung. Für die Förderung von Kitas von Kirchen und Betrieben wurden neue Regelungen beschlossen, die Kuhn ausgehandelt hatte. Rückwirkend zum Januar 2014 erhalten die Kirchen 86,25 statt 85 Prozent der Personalkosten, was 600 000 Euro entspricht, von 2016 an 90 Prozent. Für Betriebskitas gibt es fortan auch mehr Zuschüsse: 87,5 statt 85 Prozent der Personalkosten. Sprecher der Fraktionen zeigten sich mit diesem Ergebnis sehr zufrieden, weil drohende Klagen der Kirchen hinfällig seien.

Der Hebesatz für die Gewerbesteuer bleibt unverändert. Deren Aufkommen, sagte Föll, sei wieder auf dem Stand von 2005. Zuletzt mussten die Einnahmeerwartungen wegen der VW-Betrugsaffäre und der Folgen für Porsche um 20 Millionen Euro pro Jahr auf rund 570 Millionen Euro reduziert werden. An zusätzlichen Kreditaufnahmen sind allein in den nächsten zwei Jahren 290,6 Millionen Euro vorgesehen – Tendenz steigend. Beschlossen wurde der Haushalt nur mit den 32 Stimmen von OB Kuhn, der CDU und den Grünen. Alle 28 anderen anwesenden Stadträte stimmten dagegen.